In der einschlägigen Fachliteratur findet man zum täglichen Eiweißbedarf die unterschiedlichsten Angaben. Manch ein Wissenschaftler glaubt, die tägliche Ernährung reicht völlig, während Bodybuilder glaubt, dass man nie genug Protein zu sich nehmen könne.
Wir sind der Frage nachgegangen und haben ein kleines Gedankenspiel gewagt. Vor allem Kraftsportler und Bodybuilder überschätzen nämlich den Proteinbedarf des Körpers, während Ausdauersportler diesen meist unterschätzen. Dabei reicht die Bandbreite der Empfehlungen von 0,5 g Eiweiß bis zu über 4 g/kg Körpergewicht.
Ein Rechenbeispiel
Dabei sind 4 g eine enorme Menge, die unseren Organismus vor ein gewaltiges Problem stellen dürfte. Ein 80 kg schwerer Athlet müsste nach dieser Empfehlung täglich bis zu 320 g Protein zu sich nehmen. Einen solchen Proteinbedarf mit der natürlichen Ernährung zu decken, stellt uns vor eine logistische Herausforderung.
Entweder jeden Tag 1,5 kg Putenfleisch, 50 Hühnereier oder etwa 10 Liter Milch müsste unser Musterathlet zu sich nehmen, um auf eine Eiweißmenge von 320 g zu kommen. Das ist zwar nicht unmöglich, aber mit Genuss hat das dann ganz sicher nichts mehr zu tun.
Da möchte man sich gar nicht vorstellen, was ein noch schwerer Sportler so alles in sich hineinschaufeln müsste, wenn er sich an diese Ernährungsempfehlung hält. Ohne Nahrungsergänzung in Form von Eiweißriegeln und Proteinpulver ist das sicher kaum zu bewältigen.
Wohin mit so viel Protein?
Fragt sich allerdings, was unser Körper jeden Tag mit dieser immensen Menge an Protein anfangen soll. Bodybuilder hoffen zwar, dass damit die Muskeln schneller wachsen, aber es ist mehr als zweifelhaft, dass solche Mengen dafür nötig sind.
Zunächst einmal muss das Eiweiß durch den Verdauungsprozess erst mal verfügbar gemacht werden, indem es in einzelne Aminosäuren aufgespalten wird. Diese werden dann über den Darm resorbiert und gelangen über den Blutkreislauf dahin, wo sie benötigt werden. Einen entsprechenden Trainingsreiz vorausgesetzt, werden die Aminosäuren dann dafür verwendet, körpereigene Eiweißstrukturen wie Muskeln zu bilden. Diesem Prozess sind jedoch Grenzen gesetzt. Egal wie hart und intensiv ein Sportler trainiert, auf natürliche Weise wachsen dann nicht einfach über Nacht gigantische Muskelberge.
Beim Muskelaufbau handelt es sich um einen biologischen Prozess, der langsam vonstatten geht. Dass man dafür Baumaterial in Form von Protein benötigt, ist unstrittig. Die Frage lautet also:
Wie viel Eiweiß braucht ein Sportler?
Man könnte ergänzend auch fragen, wann man das Eiweiß eigentlich benötigt und ob man auch zu viel des Guten essen kann. Deshalb haben wir mal eine kleine Rechnung aufgestellt:
Nehmen wir einmal an, ein Bodybuilder will in einem Jahr 10 kg Muskelmasse aufbauen. Weiterhin nehmen wir an, dass er dafür 10 Kilogramm hochwertiges Protein zu sich nehmen muss, dann benötigt unser Musterathlet aufs Jahr verteilt 10.000 g Protein oder tägliche 27,4 g Eiweiß zusätzlich.
Bei dieser Rechnung ist jedoch noch nicht berücksichtigt, dass Protein im menschlichen Körper auch andere wichtige Funktionen ausübt. Protein ist zum Beispiel ein Bestandteil von Haut, Organen, Enzymen und des Immunsystems.
Aus diesem Grund empfehlen Ernährungswissenschaftler, dass ein Normalbürger täglich 0,8 g Protein zu sich nehmen soll. Daraus ergibt sich für unseren 80 kg schweren Mustersportler ein Grundbedarf von 64 g Protein. Da hier das Sportpensum noch nicht berücksichtig ist, addieren wir mal beide Mengen:
64 Gramm (Grundbedarf) + 27,4 Gramm (Muskelaufbau) = 91,4 Gramm
Nach dieser Rechnung würden also täglich 91,4 Gramm Protein oder umgerechnet 1,14 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht ausreichen, um die gewünschte Muskelmasse in einem Jahr aufzubauen. Etwa 1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht ist übrigens auch konservative Empfehlung für Sportler.
Bei diesem kleinen Rechenbeispiel haben wir nicht alle Faktoren berücksichtigt. Regenration, Immunsystem, Zellstrukturen – ein Sportler hat sicherlich einen etwas höheren Proteinbedarf. Aktuelle Studien gehen von 1,5-1,8 g/Kg Körpergewicht aus. Vielmehr kann selbst ein trainierter Athlet kaum sinnvoll verwerten.
Die zu viel aufgenommene Eiweißmenge wird dann entweder ausgeschieden oder im katabolen Stoffwechsel in Energie umgewandelt. Sinnvoll ist das allerdings nicht unbedingt. Ob zu viel Protein sogar schädlich ist, kann man derzeit nicht mit Gewissheit sagen.
Fazit
Was man aber sagen kann, ist, dass etwa 30 g Protein pro Mahlzeit ausreichen. Studien haben ergeben, dass eine Steigerung der Eiweißmenge keinen messbaren Vorteil bringt. Je nach Bedarf ergeben sich daraus 5-6 proteinhaltige Mahlzeiten als Richtwert. So ist dann auch eine gleichmäßige Proteinversorgung gewährleistet.
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Jörg Birkel