Trotz ständiger Forschung und Bemühungen im Hinblick auf die Prävention ist die Verletzung des vorderen Kreuzbandes nach wie vor eine der schwerwiegendsten und dauerhaftesten Schädigungen der unteren Gliedmaßen. Dies insbesondere in Sportarten, die Sprünge/Stopps und plötzliche Richtungswechsel einschließen. Diese Verletzungsgefahr wird durch Müdigkeit und auch durch plötzliche und unvorhersehbare Richtungswechsel noch erhöht.
Allerdings ist die kombinierte Auswirkung dieser Faktoren (wie dies häufig in Wettkämpfen vorkommt) nicht bekannt.
Um dies zu untersuchen, führten US-amerikanische Forscher aus Ohio eine Studie mit 25 Sportlerinnen der National College Athletic Association durch: Sie maßen die Gelenkbewegungen während geplanter und ungeplanter einseitiger Landevorgänge auf einem Bein (links und rechts), sowohl im nicht ermüdeten als auch im ermüdeten Zustand. Der Untersuchung lagen gemessene Gelenkwinkel und -bewegungen, sowohl bei der anfänglichen Landung (Kontakt) als auch bei der „Spitzenbelastung“, zugrunde.
Mit vor dem Sprung ausgegebenen Lichtimpulsen wurden „antizipierte Richtungs“-Sprünge hervorgerufen (d.h. keine Entscheidung erforderlich). Um eine Entscheidung abzurufen, wurden jedoch auch während der Landephase Lichtimpulse verwendet, um nicht antizipierte Sprünge zu produzieren (d.h. bei denen die Probanden plötzlich und unerwartet während der Landephase die Richtung wechseln mussten). Um Müdigkeit hervorzurufen, machten die Probanden Wiederholungsübungen von 5 Kniebeugen und beliebig angeordneten Sprungsequenzen, bis keine Kniebeugen mehr möglich waren.
Die Ergebnisse der Gelenkbewegungsanalyse zeigten, dass (wie erwartet) die Ermüdung eine signifikante Zunahme der Fälle von Hüftstreckung und Innendrehung beim anfänglichen Kontakt verursachte. Außerdem führte die Höchstbelastung zu Knieabduktionen (Nach-innen-Kippen) und Innendrehung sowie Knöchelsupination (Auswärtsdrehung). Diese Gelenkbewegungen tragen mit zur Beininstabilität bei, wobei es zu einer Verletzung des vorderen Kreuzbandes kommen kann.
Von möglicherweise größerer Bedeutung ist jedoch, dass diese durch Müdigkeit hervorgerufene Zunahme der Fälle von Hüftdrehungen beim anfänglichen Kontakt und von solchen des Knieabduktionswinkels bei Höchstbelastung bei nicht erwarteten Landungen ausgeprägter war als bei erwarteten. Die Autoren schlossen daraus, dass „die Kombination aus Müdigkeit und Entscheidungsfindung ein Worst-Case-Szenario im Hinblick auf das Verletzungsrisiko der vorderen Kreuzbänder bei dynamischen einbeinigen Landungen darstellen kann. D.h., die Kombination aus Müdigkeit und komplexen Denkprozessen (Entscheidungsfindung) erzeugt eine solche Überlastung des zentralen Nervensystems, dass die normalen motorischen Kontrollsysteme beeinträchtigt sind“. Sportler und Sportlerinnen, deren Sportarten Springen und Landen beinhalten, sind daher besonders anfällig für Verletzungen des vorderen Kreuzbandes, wenn sie gleichzeitig sowohl körperlich als auch geistig ermüdet sind.
Clinical Biomechanics, 21. Sept. 2007
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