Verletzungen beim Sport vorbeugen

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Verletzungen beim Sport: Per Definition ist eine Sportverletzung ein körperliches Problem, das schlimm genug ist, um eine Trainingsreduzierung zu erzwingen. Durchschnittlich verletzen sich z.B. etwa 65 % der aktiven Läufer pro Jahr.

Einstufung der Verletzungsgefahr beim Sport

Wird die Verletzungsrate in Aktivitätsstunden gesehen, kann die Verletzungsgefahr nach Sportart eingestuft werden. Es überrascht nicht, dass eine solche Klassifizierung zeigt, dass Sportarten wie Rugby und Lacrosse die meisten Unfälle aufweisen, mit über 30 Verletzungen pro 1.000 Stunden Aktivität (eine Rate von über 5 pro 1.000 Stunden wird als hoch betrachtet). Basketball und Squash sind auch Problemkinder, mit ca. 14 Verletzungen pro 1.000 Stunden. Laufen und intensives Aerobictraining folgen mit 11 Verletzungen pro 1000 Stunden.

Hier eine weitere Reihe von verletzungeanfälligen Sportarten (in Klammern: Anzahl der Verletzungen pro 1.000 Stunden Aktivität)(1)

  • Ski Alpin (8)
  • Übungen am Rudergerät (6)
  • Gehen oder Rennen auf der Tretmühle (6)
  • Tennis (5)
  • Tanzen (5)
  • Widerstandstraining mit Gewichtsmaschine (4)
  • Widerstandstraining mit freiem Gewicht (4)
  • Radfahren im Freien (3,5)
  • Stationäres Fahrrad (2)
  • Treppensteigen (2)
  • Gehen (2)

Verletzungsrisiko bei Kontaktsportarten

Selbstverständlich sind Verletzungen in Sportarten wie Rugby häufig das Resultat von Zusammenstößen mit anderen Spielern – oder mit der Ausrüstung anderer Spieler, wie im Squash. Solche Verletzungen sind häufig sehr schwer zu vermeiden.

Ihr Körper kann noch so stark, flexibel, und widerstandfähig gegen Verletzungen sein, aber wenn der Schläger des anderen Spielers Ihr Auge trifft, können Sie sich verletzen, egal wie gut Sie vorbereitet sind.

In Sportarten wie dem Laufen, Radfahren, Schwimmen, Treppensteigen und Gehen jedoch sind die meisten Verletzungen nicht das Resultat plötzlicher Katastrophen sondern treten aufgrund einer als volkstümlich bekannten „Überbeanspruchung“ auf. In anderen Worten ausgedrückt heißt das, ein wichtiger Körperteil des Athleten kann dem regulären Druck des Trainings und Wettkampfs einfach nicht mehr standhalten ohne zu versagen.

Verletzungsrisiko beim Laufen

Piriformis Syndrom, DehnübungenUm darüber nachzudenken, wie solche Verletzungen verhindert werden können, ist es lehrreich den Laufsport zu betrachten, welcher ganz sicher als verletzungsintensiver Sport eingestuft werden kann. Wie bereits erwähnt, erleiden pro Jahr durchschnittlich 65 % der Läufer Verletzungen, in jeder 100. Laufstunde tritt eine Verletzung auf, und Läufer versäumen über 5–10 % ihres Workouts aufgrund von Verletzungen.(2)

Diese sehr hohe Verletzungsrate und folgende Trainingsausfälle könnten wahrscheinlich bedeutend geringer sein – wenn Läufer mehr über die tatsächlichen Ursachen von Verletzungen wüssten, einige einfache Berichtigungen ihres Trainingszeitplans durchführen würden, und routinemäßig ihre Muskeln und Gelenke stärken würden. Tatsächlich deutet die Forschung darauf hin, dass Laufverletzungen, wie z.B. das Piriformis-Syndrom, um etwa 25 % reduziert werden könnten.(3)

So können Verletzungen beim Sport verhindert werden

Aber welche spezifischen Schritte sollten unternommen werden? Um zu verstehen wie Verletzungen verhindert werden können, ist es zunächst notwendig einige Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Z. B. glauben Trainer und Läufer häufig, dass Männer eine höhere Verletzungsrate haben als Frauen, in Wirklichkeit jedoch haben männliche und weibliche Läufer ungefähr die gleiche Verletzungsrate pro Trainingsstunde.

Viele Läufer glauben auch, dass die Trainingsgeschwindigkeit, die Wettkampfgeschwindigkeit, die Beschaffenheit der Laufstrecke und das Körpergewicht in engem Zusammenhang zur Verletzungsgefahr stehen, aber die Forschung deutet auf etwas anderes hin. Wenn Sie z. B. schwerer sind als der Durchschnitt, ist es für Sie nicht wahrscheinlicher, sich während eines typischen Trainingsjahres zu verletzen, als für einen leichteren Läufer.

Ebenso werden Sie sich wahrscheinlich nicht häufiger verletzen, wenn Sie den größten Teil Ihres Trainings auf betonierten Straßen durchführen, als die Läufer, die auf weichen Waldwegen trainieren.

Außerdem hat das Trittmuster, wie Ihr Fuß aufkommt – ob Sie während des Laufens bevorzugt auf der Ferse oder dem Vorderfuß aufkommen – keine großen Auswirkungen auf Ihr Verletzungsrisiko.(4) Solche Faktoren sind einfach keine bedeutenden Indikatoren für Verletzungen.

Was ist mit Dehnen?

Ein anderer weitverbreiteter Glaube ist, dass die richtigen Auf- und Abkühlübungen und angemessenes Dehnen dazu beitragen die Verletzungsgefahr zu verringern. Die Forschung ist in diesem Punkt sehr zweideutig. In einer jüngeren Studie wurde 159 holländischen Läufern beigebracht, wie sie sich aufwärmen, abkühlen und wirkungsvoll dehnen sollen, während eine zweite Gruppe von 167 ähnlichen Läufern keinerlei „verletzungsverhindernde“ Anweisungen bekamen.

Die Aufwärmungs- und Abkühlungsphase bestand aus 6 Minuten sehr leichtem Laufen und 3 Minuten Muskelentspannungsübungen. Das Dehnen, 2-mal täglich für jeweils 10 Minuten durchgeführt, lockerte Kniesehnen, Oberschenkel- und Wadenmuskeln der Läufer. Die Verletzungsrate blieb jedoch über einen 4 monatigen Zeitraum in beiden Gruppen identisch, bei durchschnittlich einer Verletzung pro 200 Laufstunden – demnach hatte das Dehnen, Aufwärmen und Abkühlen keinerlei schützenden Effekt.(5) Diese Studie wurde mit Ausdauerläufern durchgeführt; bei Sprintern könnte das Resultat jedoch ganz anders ausfallen.

Dehnen vor dem Sport erhöht das Verletzungsrisiko

Interessanterweise hat eine zweite Studie gezeigt, dass das Dehnen sogar mit einer hohen Verletzungsgefahr verbunden sein kann. In einer Forschung, die an der Universität von Hawaii durchgeführt wurde, waren Läufer, die regelmäßig dehnten, über 33 % verletzungsgefährdeter, verglichen mit denjenigen, die nie dehnten.(6) Jedoch stellte dieselbe Untersuchung fest, dass das Dehnen nach dem Workout tatsächlich die Verletzungsgefahr reduzieren kann, während das Dehnen vor dem Workout diese erhöht.

Anscheinend muss das Dehnen durchgeführt werden, wenn die Muskeln warm und weniger viskos – und folglich weniger anfällig für Zerrungen sind.

Welche anderen Schritte können, neben dem Dehnen nach dem Training, unternommen werden, um die Verletzungsrate niedrig zu halten? Nun, denken Sie daran, dass jeder Sport eine spezifische Verletzungsrate pro Aktivitätsstunde besitzt. Im Falle des Laufens liegt die Rate z. B. bei etwa 1 pro 100 Stunden Teilnahme. Das bedeutet selbstverständlich, dass die Gesamttrainingszeit pro Woche ein recht guter Indikator für Verletzungen sein kann.

Der Läufer, der 3 Stunden die Woche trainiert, wird sich z. B. nach etwa 33 Wochen verletzen, während derjenige, der 5 Stunde die Woche trainiert, etwa alle 20 Wochen zur Seite humpeln wird. Mehr Training bedeutet einfach mehr wiederholte Belastung des „schwachen Glieds“ im Körper, das verletzungsanfällig ist. Es überrascht nicht, dass Studien, die mit Läufern durchführt werden, die mehr als 65 km pro Woche laufen, die höchste Verletzungsrate aufdecken.

Vermeiden Sie zu viele aufeinanderfolgende Tage

Das Limitieren des Trainings ist also eine einfache Lösung für das Verletzungsproblem, aber wie viele von uns möchten weniger von dem tun, woran wir wahrhaft Freude haben? So lange wir nicht übertrainieren, sollte die Lösung woanders liegen. Ein einschlägiger Hinweis ist die Tatsache, dass die Anzahl von aufeinanderfolgenden Tagen, an denen Sie trainieren, einen großen Einfluss auf die Verletzungsrate hat. Je mehr aufeinanderfolgende Tage Sie aufweisen, desto höher ist Ihr Verletzungsrisiko.

Aufeinanderfolgende Tage werden wie folgt gezählt: Wenn Sie Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag trainieren, trainieren Sie 3 aufeinanderfolgende Tage pro Woche (Freitag zählt nicht, weil jeweils 1 Tag Pause davor und danach liegt). Studien haben gezeigt dass das Reduzieren der Anzahl von aufeinanderfolgenden Tagen die Verletzungsgefahr senkt. Dies bedeutet, wenn Sie von Montag bis Freitag jeden Tag 1 Stunde lang trainieren (5 aufeinanderfolgende Tage), könnten Sie Ihre Gefahr verringern, indem Sie 75- Minuten-Workouts an 4 Tagen pro Woche durchführen (z. B. Montag, Mittwoch, Freitag, und Samstag). Ihre Gesamttrainingszeit (und Zunahme ihrer Fitness) wäre in jedem Fall dieselbe, die zweite Strategie jedoch verringert die Anzahl Ihrer aufeinanderfolgenden Tage von 5 auf 2, was Ihnen viel mehr durchschnittliche Erholungszeit zwischen den Trainingsabschnitten und eine geringere Verletzungsgefahr bringen würde.

Regeneration als Mittel gegen Verletzungsrisiken

Bewegungswissenschaftler glauben, dass das Schlüsselproblem bei zu vielen aufeinanderfolgenden Tagen sein kann, dass Sie Ihren Muskeln und Bindegeweben keinen regelmäßigen, maßgeblichen Zeitraum gönnen, in welchem sie sich selbst wieder regenerieren können, nachdem Sie diese durch anstrengendes Training zermürbt haben. Indem Sie Ihren Sehnen eine Entlastungspause von etwa 48 Stunden gönnen (Was im Grunde einem Tag Trainingspause entspricht), ermöglichen Sie, dass diese sich besser regenerieren können um auch zu vermeiden dass kleine, entzündete Bindegewebsknoten ernsthafte Verletzungsprobleme auslösen.

Ein weiterer Schlüsselpunkt, den es zu betrachten gilt ist, dass Studien häufig ein umgekehrtes Verhältnis zwischen Verletzungsgefahr und der Anzahl von Jahren der ausgeübten athletischen Tätigkeit aufzeigen. Im Wesentlichen haben relative Neulinge in einer Sportart ein deutlich höheres Verletzungsrisiko als Personen, die schon viele Jahre trainieren.(4,7)

Stärke und Koordination

Obgleich diese Beobachtungen der Idee zu widersprechen scheinen , dass die Gesamtstundenanzahl des Trainings ein guter Indikator für das Verletzungsrisiko sind (da alterfahrene Athleten tendenziell mehr trainieren als Anfänger), liefern sie uns eine wichtige Information. Im Grunde sagen sie aus, dass Stärke wichtig ist, um Verletzungsgefahren zu reduzieren. Schließlich sind erfahrenere Athleten aufgrund ihres langjährigen Trainings stärker und besser koordiniert als Anfänger.

Diese Stärke und Koordination scheinen einen realen Nutzen zu bieten, um Verletzungen zu verhindern. Verbesserte Stärke schützt und stabilisiert Gelenke und verhindert, dass Muskeln und Bindegewebe buchstäblich auseinandergerissen werden, durch die wiederholten Kräfte, die während der Tätigkeit auf sie ausgeübt werden.

Der letzte Schlüssel zum Problem ist, dass gerade mal 50 % der Sportverletzungen einem neuen Problembereich zuzuordnen sind; der Rest ist ein Wiederauftreten von vorhergehenden Problemen.(8)

Dies sagt uns ganz bestimmt, dass Athleten ihre Verletzungen nicht korrekt behandeln. Eine Verletzung sollte mehr sein als ein unerwünschtes Ärgernis: Sie sollte ein Warnsignal dafür sein, dass ein Körperteil einfach nicht stark genug ist. Die Tatsache, dass Verletzungen dazu neigen wieder aufzutreten, bedeutet, dass Athleten nicht gut darin sind jene Körperregionen zu stärken, die zu Problemen neigen.

Linderung, nicht Heilung

In der Tat gehen die meisten Athleten die Behandlung und Verhinderung von Verletzungen völlig falsch an. Wenn es zu einer Verletzung kommt, wenden sie das „ARE“ Prinzip an: Anti-Entzündungshemmer, Ruhe und Eis, da diese Hilfsmittel den Schweregrad von Verletzungen mildern sollen. Das wahre Problem liegt jedoch darin, dass viele Athleten glauben, diese Therapie sei die Heilung ihrer athletischen Wunden. In Wirklichkeit erlaubt ARE den Athleten einfach zu exakt den Tätigkeiten und Bewegungsmustern zurückzukehren, durch die sie überhaupt erst versehrt wurden. Kein Wunder dass 50 % aller Verletzungen wiederkommen! Sportaktive Leute müssen anfällige Körperteile stärken – nicht nur zur Ruhe und auf Eis legen – damit jene Bereiche künftigen Trainingsbelastungen standhalten können.

Der wissenschaftliche Rückhalt für Krafttraining als Mittel zur Verhinderung von Verletzungen ist sehr stark. Studien bei Tennisspielern z. B. haben gezeigt, dass bei Athleten, die nicht regelmäßig Widerstandstraining durchführen, alltägliche Verletzungen wie der „Tennis-Arm“ oder Schulterbeschwerden öfter vorkommen. Außerdem treten bei Wettkämpfern, die ein vorbeugendes Widerstandstrainings-Programm durchmachen nachdem sie einen Tennis-Arm entwickelt hatten, die Symptome in nur 30 % der Fälle wieder auf, verglichen mit 41 % bei denjenigen ohne Krafttraining.(9)

Beim Schwimmen hat eine Forschung der Universität von Ohio aufgedeckt, dass fehlende Stärke im externen Rotatormuskel der Schulter ein starker Indikator für Schulterverletzungen ist; je weniger Kraft, desto höher die Verletzungsgefahr. Außerdem reduzieren isokinetische Übungen zur Kraft- und Ausdauererhöhung der Schultermuskeln die Häufigkeit von Schulterproblemen bei Wettkampfschwimmern.(10)

Um also Ihren Körper vor Verletzungen zu bewahren, muss dieser kräftig sein, und um zu verhindern dass Verletzungen erneut auftreten, muss der geschädigte Bereich komplett wiederhergestellt werden. Der Schlüssel liegt jedoch darin, nicht die allgemeine Kraft zu erhöhen, sondern die effektive Kraft in jenen Bewegungen, die passend und notwendig für Ihren Sport sind. Das heißt spezifische Gewichtsbelastung und Widerstandstraining, das die Muskeln in Ihrem Körper zwingt, wirksam und synchron zu arbeiten.

Unser Buchtipp aus der Redaktion:

Das Impingement-Syndrom der Schulter

Jeder Zehnte klagt inzwischen über Schulter- und Nackenbeschwerden. Häufig sind die Schmerzen auf das sogenannte Impingement-Syndrom der Schulter zurückzuführen, bei dem Sehnen, Bänder oder Muskeln in einem Gelenkspalt eingeklemmt werden und es dadurch zur Reizung und Degeneration von Sehnen und Schleimbeuteln kommen kann. Die Folge. sind schmerzhafte Bewegungseinschränkungen.

Allzu schnell raten Ärzte zu einer Schulteroperation, obwohl diese oft gar nicht notwendig wäre. Regelmäßig ausgeführte Mobilitätsübungen in Kombination mit Kraftaufbau können bereits ausreichen, um das Impingement erfolgreich zu behandeln.

Aber auch nach einem operativen Eingriff können leichte Bewegungen und ein gezielter Aufbau der Muskulatur entscheidend für die schnelle Genesung sein.

Die Sporttherapeutin Katharina Brinkmann und der Sportredakteur Nicolai Napolski fassen nicht nur die wichtigsten Informationen zu Hintergrund und Entstehung des Impingement-Syndroms zusammen, sondern stellen auch Techniken und Übungen vor, mit denen sich die Beschwerden einfach und gezielt heilen lassen.

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Quellenangaben:

  • „Injuries in Recreational Adult Fitness Activities”, The American Journal of Sports Medicine, 1993, Bd. 21 (3), S. 461–467
  • „Incidence and Severity of Injury Following Aerobic Training Programs Emphasising Running, Racewalking, or Step Aerobics”, Medicine and Science in Sports and Exercise, 1993, Bd. 25 (5), S. 81
  • „Sport for All: Sport Injuries and Their Prevention”, Council of Europe, Netherlands Institute of Sports Health Care, Oosterbeek, 1989
  • American Journal of Sports Medicine, 1988, Bd. 16 (3), S. 285–294
  • „Prevention of Running Injuries by Warm-Up, Cool-Down, and Stretching Exercises”, The American Journal of Sports Medicine, 1993, Bd. 21 (5), S. 711–719
  • Peak Performance, Ausgabe 46, Juli 1994
  • Archives of Internal Medicine, 1989, Bd. 149 (11), S. 2565–2568
  • Archives of Internal Medicine, 1989, Bd. 149 (11), S. 2561–2563
  • „An Epidemiological Study of Tennis Elbow”, American Journal of Sports Medicine, 1979, Bd. 7, S. 234–238
  • American Journal of Sports Medicine, 1980, Bd. 8, S. 151–158
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