Sprungkrafttraining im Volleyball & Beachvolleyball

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Sprungkrafttraining: Eine der häufigsten festgehaltenen und eindrucksvollsten Bilder beim Volleyball und Beachvolleyball sind Athleten in der Luft. Im Angriff oder in der Verteidigung, die Athleten befinden sich in der Luft nahe dem Netz. Dies verdeutlicht sehr gut, was unter anderem für den Sport von immenser Bedeutung ist: Eine enorme Sprungkraft. Sportwissenschaftler Janek Klingmann wird sich in diesem Artikel näher mit dem PAP-Effekt im Bezug zu Volleyball auseinandersetzen.

Erhöhen beachvolleyballspezifische Bewegungen den Postactivation Potentation Effekt der Sprunghöhe?

Beachvolleyballer sind durch ihr breites Aufgabenspektrum sehr vielseitige Athleten. Eine gut entwickelte Ausdauer und im Gegenzug sehr schnelle reaktive Antritte über sehr kurze Distanzen sind grundlegend. Für die schnellen Antritte wird ein hohes Maß an Kraft und Stabilität benötigt, um den Anforderungen im Sand gerecht zu werden.

Zusätzlich muss der Athlet stets in der Lage sein, den Ball mit äußerster Präzision und Koordination zentimetergenau dem Mitspieler zu zuspielen, oder den Ball im gegnerischen Feld optimal zu platzieren. Neben diesen vielen elementaren Eigenschaften muss der Athlet jederzeit genügend Kraft und Power besitzen, um teils extrem hohe Sprünge zu absolvieren.

Wie kann die Sprungkraft trainiert werden?

Klassische Methoden zur Sprungkraftsteigerung wie die Kraft der Beinmuskulatur durch Hypertrophie- und Maximalkrafttraining, sowie anschließend die reaktive Muskelansteuerung und Explosivkraft durch plyometrisches Training zu verbessern, sind all weit bekannt. (Campbell, 2010). Auch eine Verbesserung der Sprungtechnik kann zur Erhöhung der Sprungkraft führen. Aber was tun, wenn die erarbeitete Sprungkraft noch immer ungenügend ist? Kann mit anderen Methoden eine bessere physische Ausgangslage für das Spiel verschafft werden? Wie sieht das ideale Sprungkrafttraining aus?

Für eine kurzfristige Steigerung der Kraftentwicklung und Sprunghöhe kann die Postactivation Potentiation (PAP) verwendet werden. Im nächsten Kapitel des Artikels wird der Effekt genauer erklärt und das grundlegende Verständnis für die eigene Anwendbarkeit geschaffen.

Der PAP-Effekt

Zwei grundlegende Variablen beeinflussen die Leistungsfähigkeit eines Athleten. Die Energie und Ermüdung. Die auf der einen Seite angesprochene Energie, um die Arbeit zu leisten und auf der anderen Seite die Ermüdung, die durch die sportliche Aktivität entsteht und der Energie entgegen wirkt. Das Zusammenspiel dieser beiden Faktoren ist maßgeblich für die Leistung des Sportlers verantwortlich.

Möchte ein Sportler optimal performen, darf die Ermüdung nicht größer als die zur Verfügung stehende Energie sein. In dieses gegebene Zusammenspiel wird mit dem Aufwärmen der Muskulatur, in unserem Fall besser gesagt der Aktivierung der Muskulatur, eingegriffen und versucht,  positiv zu beeinflussen.

Wie der Name Postactivation Potentiation schon sagt, handelt es sich bei dem Effekt um eine Potentiation, also eine Steigerung nach einer Aktivierung. Bei der Frage der Entstehung ist sich die Literatur mittlerweile einig, dass der leistungssteigernde Effekt vor allem einem Mechanismus der kontraktilen Historie zugeordnet werden kann: Der Phosphorylierung der regulatorischen leichten Ketten (RLK) des Myosinmoleküls.

Exkurs: Die Skelettmuskulatur

Die Skelettmuskulatur besteht aus mehreren sich immer feiner gliedernden Bestandteilen. Der Muskel selbst, den die Muskelfaszie und das Epimysium zusammen halten (FALLER UND SCHÜNKE, 2012) unterteilt sich in Faserbündel, die von dem Perimysium zusammen gehalten werden und sich in Sekundär- sowie Primärbündel unterteilen lassen. Zerlegt man auch diese in ihre Bestandteile, kommt man zu den einzelnen vom Endomysium umgebenen Muskelfasern, die als funktionelle Struktur des Skelettmuskels dienen.

Dort befinden sich die Myofibrillen, also die funktionellen Einheiten des Muskels, die für die Verkürzung und somit die Muskelarbeit sorgen. Jede Myofibrille ist dabei durch die sogenannten Z-Scheiben in viele Sarkomere untergliedert, die jeweils Aktinfilamente sowie Myosinfilamente beinhalten (Abbildung 1).

Die Aktinfilamente haben ihren Ursprung direkt an den Z-Scheiben, während die Myosinfilamente, die aus Schwanz- und Kopfteil bestehen, in der Mitte des Sarkomers zwischen den Aktinfilamenten eingebettet sind. Die Aufgabe die Myosinfilamente an Ort und Stelle zu halten, fällt dem Titin zu, das als dünnes Filament das Sarkomer durchzieht und an den Z-Scheiben sowie dem Myosin befestigt ist.

Sprungkrafttraining: Die Kontraktion des Muskels

Die Kontraktion des Muskels findet dabei durch eine Kette von Reaktionen statt, die dafür sorgt, dass sich die Köpfchen des Myosinfilaments in Form von Querbrücken an das Aktinfilament binden und es durch eine Kippbewegung in Richtung der Sarkomermitte ziehen.

Sprungkraftsteigerung

Abbildung 1: Darstellung des Kontraktionsmechanismus einer Myofibrille. Durch das Einströmen von Ca2+ bindet sich der Myosinkopf an das Aktin und kippt ab, was zur kontraktilen Verkürzung des Mus-kels führt (nach SEIDMAN UND SEIDMAN, 2001, S. 3)

Dieser während der Kontraktion vereinfacht dargestellte ablaufende Prozess wird durch die Postactivation Potentiation positiv manipuliert. Dann nämlich führt der Anstieg der Kalziumionen während der Kontraktion nicht nur zu einer Bindung an das Troponin C des Aktins, er sorgt auch dafür, dass sich das Ca2+ an das Protein Calmodulin bindet, was zwei aufeinanderfolgende Reaktionen auslöst:

Das Calmodulin sorgt in erster Instanz dafür, dass die sogenannte Myosin leichte Ketten Kinase (MLKK) aktiviert wird, die dann in zweiter Instanz an die spezielle Bindungsstelle der RLK des Myosins Phosphat andocken lässt und diese so phosphoryliert (Szczesna et al., 2002). Dadurch biegt sich das Myosinköpfchen weiter in Richtung des Aktinfilaments (Grange et al., 1993). Dies geschieht, da sich die RLK am dünnen Hals des Myosinköpfchens befinden, der durch seine dünne Form leichter in seiner Struktur verändert werden kann (Abbildung 2).

Sprungkraftsteigerung

Abbildung 2: Darstellung des Myosin. Es besteht aus zwei schweren Ketten (Myosin heavy chains), die in den Myosinköpfchen enden. An deren Hals befinden sich die regulatorischen leichten Ketten (RLC-2), die jeweils ein Phosphat-Molekül binden können. Dies führt zu einer strukturellen Änderung (nach TILLIN UND BISHOP, 2009, S. 149).

Durch diese veränderte Struktur der kontraktilen Proteine kommt es laut Brown und Loeb (1999) zu signifikanten Änderungen der Muskelarbeit, wie dass der betroffene Muskel eine gestiegene Kraftentwicklungsrate (RFD) sowie eine gestiegene Maximum Steady State Force (MSSF) aufweist, da er bereits bei niedrigeren Ca2+-Werten mehr Querbrücken bilden kann (Grange et al, 1993).

Sprungkraft verbessern: Die positiven Effekte der PAP

In der Literatur wird noch ein zweiter Mechanismus erwähnt, der für die positiven Effekte der PAP verantwortlich sein kann, welche bei der Erklärung der Gründe in weitaus weniger Studien Beachtung findet. Bei dieser zweiten Ursache handelt es sich um den Anstieg in der Rekrutierung von höheren Motoreinheiten. Also um einen direkten Effekt auf das ZNS und somit eine Ursache, die noch vor der Phosphorylierung steht und diese gewissermaßen beeinflussen kann.

Man kann also sehen, dass die PAP sowohl durch eine mechanische als auch durch eine nervöse Optimierung der Muskelaktivität zustande kommt und somit besonders schnellkräftige, explosive Bewegungen besser ablaufen können.

Auswirkungen von PAP in Bezug auf Bewegung

Der erste Teil befasst sich mit den Bewegungen oder Innervationsschemata, die einen aktivierenden Reiz auslösen können. Es kann sowohl isometrisch als auch dynamisch ein PAP-Effekt erzeugt werden. Isometrisch handelt es sich um eine MVC, welche laut Hamada, Sale, MacDougall und Tarnopolsky (2000) bei 10 Sekunden den größten PAP-Effekt produziert. Jedoch sind auch längere Zeiten wie 60 Sekunden laut Grange et al. (1993) möglich.

Auf der anderen Seite gelten dynamische Aktivierungsschemata als sehr effektiv, bei denen meist intensiv oder hochintensiv gegen einen großen Widerstand gearbeitet werden muss. Wilson et al. (2013) kamen in ihrer Metastudie über Postactivation Potentiation zu der Erkenntnis, dass es keinen signifikanten Unterschied bezüglich dynamischen und statischen Übungen gibt. Auch fanden sie heraus, dass ungeachtet der ausgewählten Innervationsart ein Schema von mehreren Sätzen bei moderater Intensität den größten Effekt hervorruft

PAP in Bezug auf Zeit

Der zweite Forschungsteil befasst sich mit dem Zeitabstand, der zwischen der konditionierenden Aktivität und der ausgewählten zu verbessernden Übung liegen soll. So sollte nach dem konditionierenden Reiz mindestens eine Pause von 4 Minuten (Young, Jenner & Griffiths, 1998) bis 5 Minuten liegen (Khamoui, Brown, Coburn, Judelson, Uribe, Nguyen, Tran, Eurich & Noffal, 2009). Laut Wilson et al. (2013) liegt der Bereich, in dem der Effekt seine maximale Wirkung zeigt, bei 7 bis 10 Minuten nach der Aktivierung. Jedoch bekamen De Villarreal et al. (2007) in ihrer Studie sogar positive Leistungswerte für eine Zeitspanne von 6 Stunden nach der Aktivierung.

PAP in Bezug auf Testperson

Der dritte Forschungsteil dreht sich um die Testpersonen, die für die bisherigen Untersuchungen zum PAP-Effekt herangezogen wurden. Wilson et al. (2013) fanden in ihrer Metastudie heraus, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen Männern und Frauen bezüglich der Stärke der Postactivation Potentiation gibt. Sehr viel Beachtung sollte hingegen dem Trainingsstatus der Probanden gewidmet werden, da dieser maßgeblich für den Effekt der PAP verantwortlich ist. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen untrainierten Probanden und Athleten sowie zwischen trainierten Probanden und Athleten, jeweils zugunsten der als sehr gut trainiert eingestuften Athleten. Der Rahmen, ab dem Personen das volle Potential der PAP ausschöpfen können liegt dabei bei einer Trainingserfahrung von mehr als 3 Jahren intensiven Trainings.

Untersuchung im Beachvolleyball

Bei einer Studie mit 45 Probanden wurde dieser Effekt bei Beachvolleyballern mit einer isometrischen Kniebeugen getestet. Dabei wurde getestet, ob sportartspezifische Bewegungen von Beachvolleyball den PAP-Effekt beeinflussen. Die Konditionierung fand in Form einer MVC durch eine Kniebeuge im Rack statt und als sportartspezifische Bewegung wurden frontale und laterale Runs durchgeführt. Als Ergebnis wurde festgehalten, dass die Sprungleistung sich um mehr als 1,5 cm und im Maximalwert sogar um 2,3 cm bei der Beachvolleyball-Gruppe angestiegen ist. Die Werte der Kontrollgruppe blieben unverändert oder zeigten teilweise eine Minderung auf.

Fazit bzw. „Take-Home-Message“

Die Generierung von PAP-Effekten ist bisher ein noch teilweise vernachlässigter Bereich, welchem unbedingt nachgegangen werden sollte, um den entscheidenden Vorteil auf dem Feld zu haben.

Ein besonderes Lob und Dankeschön geht an dieser Stelle an Kollege und Freund Lukas Alverdes für seine überaus gute Aufbereitung der Daten zur PAP. Zitationen sind nach persönlicher Absprache in diesem Fall vorenthalten.

© Janek Klingmann

Autor: Janek Klingmann

Janek Klingmann ist Sportwissenschaftler, zertifizierter Functional  & Athletiktrainer, Coach im FT-Club München, Gründer von My Final (www.my-final.de) und von My Final Blog (www.my-final-blog.de). Aus dem Fußball kommend entwickelte er schnell eine Affinität zu Functional Training und der Anatomie des Menschen. Sein persönliches Ziel? Wissen erlangen, kritisch reflektieren und anschließend zu vermitteln.

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