Tony Martin – fragwürdig wenn gedopte Fahrer zurückkehren

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Erfahren Sie in Teil 2 des exklusiven Interviews mit Tony Martin, wie der Zeitfahr-Weltmeister seine Liebe zum Kampf gegen die Uhr entdeckte, warum er sich gerne quält und wie er über zurückkehrende Doping-Sünder denkt.

trainingsworld.com:  Was ist der Unterschied im Training für eine mehrtägige Rundfahrt und dem für die Einzelrennen bei der Straßen-WM? Tony Martin:  Es kommt immer auf die Ziele an, die man hat. Wenn man sagt: Ich komme zur Tour de France, um den Prolog zu gewinnen und dann vielleicht die erste Woche im Gelben Trikot zu fahren, ähneln sich die Vorbereitungen noch einigermaßen im Vergleich zu einem Eintages-Rennen oder einer kurzen Rundfahrt. Wenn man allerdings zur Tour fährt mit dem Ziel, drei Wochen lang bis Paris ganz vorne mitzufahren und am besten vielleicht unter die ersten Zehn kommen will, dann ist es gar nicht mehr so wichtig, so exklusiv zu sein, jeden Tag mit den Topfavoriten mitzufahren oder jeden Tag um den Etappensieg zu kämpfen. Das Entscheidende ist dann, konstant über drei Wochen lang jeden Tag hoch konzentriert an sein Limit gehen zu können und so um den Gesamtsieg mitzufahren, dass man nicht zu viel Zeit verliert. Wenn ich dann jeden Tag nur eine halbe Minute verliere, bin ich im Endklassement vielleicht immer noch unter den ersten Zehn. Man kann dafür beispielsweise die Trainingsblöcke erhöhen. Wenn ich sonst drei Tage hintereinander trainiere und dann einen Tag Pause mache, kann ich hier sagen, ich trainiere jetzt eine Woche in Reihe und mache dann zwei Tage Pause. So kann man je nachdem, welche Ziele man bei einer Rundfahrt hat, die Trainingseffekte variieren.  

„Eine Stunde lang auf dem Rad quälen, das gefällt mir“

trainingsworld.com:Sie treten als Titelverteidiger im Zeitfahren an. Wie kam es, dass Sie Zeitfahrspezialist wurden und welche besonderen Eigenschaften braucht man dafür? Tony Martin:  Ich bin mit 14 Jahren erst relativ spät zum Radsport gekommen und  habe meine ersten Erfolge dann im Zeitfahren geholt. Bei nationalen Ausscheidungen war ich ziemlich schnell in der Lage, regelmäßig in die Top Ten zu fahren und zu gewinnen, was mir so im Straßenrennen nicht von Anfang an gelungen ist. Da habe ich für mich erkannt, dass Zeitfahren mein Ding ist. Eine Stunde lang auf dem Rad quälen ohne Gegner um sich rum, das gefällt mir, da bin ich schnell und dann war das so eine Art Selbstläufer. Über die Erfolge hat man gemerkt, dass ist mein Territorium, hier bin ich einer der Besten. Und mit den Erfolgen wächst natürlich auch der Spaß an dieser Disziplin und der ist bis heute geblieben. Als Zeitfahrer muss man in der Lage sein, sich selber bis an die Schmerzgrenze heranzutasten und dann im Optimalfall eine Stunde lang an dieser Grenze ohne zu übertreiben entlangbalancieren können. Es gibt einige Fahrer, die übermotiviert in so ein Rennen gehen, sich anfangs Bestzeiten holen und dann hinten raus einbrechen. Man muss mental auf jeden Fall in der Lage sein, sich zu quälen. Auf der anderen Seite muss man aber auch seinen Körper sehr gut kennen und wissen, wie weit man gehen kann ohne zu überpacen. Das ist sicherlich der Hauptunterschied zum Straßenrennen, wo du eigentlich immer Gegner um dich rum hast und dich immer an den Gegnern orientieren kannst oder musst.   trainingsworld.com:Wie bereiten Sie sich im Training gezielt auf dasZeitfahren vor und wie sieht eine typische Trainingswoche bei Ihnen dann aus? Tony Martin:Das hängt immer davon ab, was man im Vorfeld gemacht hat. Wenn du wie ich eine Woche vor deinem Saisonhöhepunkt die Vuelta beendest, danngilt es eigentlich nur, den Balanceakt zu finden zwischen Erholung, Spannung halten und einem kleinen Wiederaufbau für das Rennen am Sonntag. Wenn eine Situation eintritt wie bei der Tour, wo ich drei Wochen vor den Olympischen Spielen aussteigen und mich dann drei Wochen zu Hause vorbereiten musste, ist das ein kompletter Unterschied im Training. Dann versucht man natürlich, die Trainingsreize im Training selbst zu setzen.  

„Ich finde es fragwürdig, wenn gedopte Fahrer zurückkehren“

trainingsworld.com:Bei der Vuelta 2012 hat mit Alberto Contador ein Fahrer gewonnen, der nicht unumstritten ist und den Gesamtsieg nach seiner abgesessenen Dopingsperre eingefahren hat. Der „Spiegel“ schreibt beispielsweise in seiner aktuellen Ausgabe, dass über dem Sieg bei der Spanien-Rundfahrt ein Schatten liege und Zweifel blieben. Wie stehen Sie zu diesem Thema? Tony Martin:  Zunächst einmal bin ich grundsätzlich gegen Doping. Ich denke aber, den Fall Contador muss man ein bisschen differenzierter sehen, weil die ganze Sperre im Anschluss an dieses ewige Verfahren auch sehr zwiespältig war. Hat er jetzt gedopt? Hat er nicht gedopt? Das ist ja bis heute mehr oder weniger unklar. Nicht nur auf Contador bezogen, finde ich es generell aber immer sehr fragwürdig, wenn gedopte Fahrer irgendwann zurückkehren und dann große Ergebnisse einfahren. Das ist sicherlich schade für den Sport und da wird leider zurecht auch ein Schatten auf den Radsport geworfen. Ich bevorzuge es, wenn junge saubere Fahrer vorne fahren anstatt Dopingsünder, die zurückkehren.   trainingsworld.com:Schlagzeilen hat zuletzt auch wieder Lance Armstrong gemacht, dem seine Toursiege von 1999 bis 2005 von der UCI aberkannt werden sollen. Richtig oder falsch? Tony Martin:Wenn nachgewiesen wird, dass er zu den fraglichen Ereignissen gedopt hat, gehören ihm die Titel natürlich abgenommen. Jedem Sieger bei den Olympischen Spielen, der im Nachhinein des Dopings überführt wird, wird die Goldmedaille wieder weggenommen und so ist es auch im Radsport. Ich denke, da sollte dann auch keine Ausnahme gemacht werden. trainingsworld.com:Herr Martin, wir bedanken uns herzlich für das Interview und wünschen Ihnen viel Erfolg bei der anstehenden WM. Mehr Informationen über Tony Martin unter www.tony-martin.de.

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