Die Zugkraft ist neben der Griffkraft essentiell im Judo – besonders während der ersten Phase eines Wurfes, wenn es sich um eine Technik nach vorne handelt, um den Partner oder Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Neben einer guten Griffkraft ist im Judo auch die Zugkraft von enormer Wichtigkeit. Ein Judowurf wird in verschiedene Phasen eingeteilt. In der ersten Phase wird der Partner durch Ziehen oder Schieben aus dem Gleichgewicht gebracht, auf Japanisch kuzushi genannt. Die zweite Phase definiert sich als Wurfansatz (tsukuri), das heißt der Tori, der Angreifende und Wurfausführende, dreht sich ein, setzt zu einer Technik an. In der dritten und letzten Phase (kake) wird der Uke (Verteidiger, Trainingspartner, der Geworfene) auf den Boden geworfen.
Die Zugkraft ist essentiell für die erste Phase, wenn es sich um eine Technik nach vorne handelt, um den Partner oder Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der Klassiker der Zugübungen – das Bankziehen – wurde bereits in einem separaten Artikel vorgestellt. Im folgenden Artikel wird das Bankziehen mit weiteren Übungen ergänzt.
Zugübungen an der Judojacke mit dem Partner
Die Zugübung mit dem Partner kann im Krafttraining durchgeführt werden oder aber auch Teil des Judotrainings sein. Sie beinhaltet zwei Vorteile.
Vorteil 1: Die Kraftübung kann direkt mit einer Judotechnik verbunden werden
Viele Athleten haben Probleme ihre guten Kraftwerte in eine Judobewegung umzusetzen. Mit dieser Übung wird die Komponente Kraft nicht isoliert trainiert. Es wird direkt versucht, Kraft mit einer Bewegung der Sportart zu verbinden.
Vorteil 2: Der Partner kann den Widerstand variieren
Je nach Trainingsphase kann der Partner den Widerstand durch das Herabsenken und nach hinten Verschieben des Schwerpunktes variieren. In einer vorbereitenden Phase, in welcher im Kraftausdauerbereich gearbeitet wird, werden die Zugübungen mit wenig Widerstand und hohen Widerholungszahlen ausgeführt. Vor einem Wettkampf kann die Aufgabe verändert werden, indem der Partner sehr hohen Widerstand bietet und nur eine oder zwei Züge möglich sind. Die Übung kann mit einer Eindrehtechnik nach vorne mit voller Intensität ergänzt bzw. abgeschlossen werden.
Zugübungen an der Judojacke können beidseitig am Revers, mit der üblichen Kumi-Kata, also eine Hand am Revers (Hubarm), die andere am Ärmel (Zugarm) oder aber auch einarmig ausgeführt werden.
Zugübungen auf der Judomatte und mit dem Judogürtel

Der Stehende zieht den liegenden Partner dynamisch zu sich. © Karin Ritler Susebeek/trainingsworld
Der Partner liegt rücklings auf der Judomatte und hält das eine Ende des Judogürtels fest. Derjenige, der die Übung durchführt, hält am anderen Ende des Judogürtels fest und steht stabil (schulterbreit, in den Knien und Oberkörper gerade und angespannt). Durch dynamisches Ziehen wird der Partner mit dem Judogürtel zu sich herangezogen. Die Arbeit wird alleine durch die Arme verrichtet, der Oberkörper muss dabei ruhig und stabil gehalten werden.
Die Übung kann auch umgekehrt ausgeführt werden, in dem der Liegende sich durch dynamisches Ziehen am Gürtel sich fortbewegt. Die Aufgabe des Partners ist währenddessen stabil stehen zu bleiben und den Gürtel festzuhalten. Dieses Ausharren und im Gleichgewichtbleiben ist gleichzeitig eine gute Übung für die Ganzkörperstabilisation.
Zugübung am Judogi mit flexiblem Widerstand des Partners
Diese Übung kann einarmig oder auch beidarmig ausgeführt werden. Der Partner, der am einen Ende des Judogis mit beiden Händen gut festhält, kann den Widerstand je nach Niveau und Ziel des Ausführenden variieren. Tori steht in seiner bevorzugten Auslage und hält mit einer oder mit beiden Händen am anderen Ende des Judogis am Ärmel fest. Er zieht den Judoärmel nun seitlich an seinem Körper vorbei, wobei der Zugarm sich nach außen oben dreht. Der Blick folgt der Bewegung, so dass Tori den Kopf zur Seite drehen muss.
Fazit
Wichtig ist, die Übungen früher oder später immer im Kontext mit einer Judotechnik zu trainieren, so dass der Athlet die ganze Bewegung bzw. den ganzen Wurf abspeichert. Die im ersten Abschnitt beschriebenen Phasen verschmelzen in der Praxis zu einer harmonischen Bewegung. Zum Einen gilt, je sauberer und ökonomischer ein Judoka eine Technik beherrscht, desto weniger Kraft ist für die Technikausführung notwendig. Zum Anderen kann auch von der Kraft des Gegners profitiert werden, d. h. wenn der Partner im Randori oder im Wettkampf schiebt, dann kann diese Kraft für eine Technik nach vorne genutzt werden und selbst muss in einer solchen Situation weniger Zugkraft aufgebracht werden. Der optimale Moment des Eindrehens muss von Tori erfühlt werden. Um die Schwerpunktsbewegung des Gegners optimal auszunutzen zu können, muss Tori in diesem Falle durch passenden Zug den Druck des Gegners weiterführen können. Dabei spielt die Reaktionsfähigkeit über die taktil-kinästhetischen Analysatoren eine bedeutende Rolle.
Karin Ritler Susebeek
Glossar der im Text verwendeten japanischen Begriffe
– Die drei Phasen eines Wurfes: kuzushi – tsukuri – kake
Kuzushi – Gleichgewichtsbruch, Vorbereitung eines Wurfes
Tsukuri – Wurfansatz, Wurfeingang, Ausheben
Kake – Wurfausführung
Tori – Als Tori wird der Partner bezeichnet, der die Haupthandlung im entscheidenden Moment durchführt. Tori ist abgeleitet vom Verb toru, was so viel bedeutet wie ergreifen, nehmen, aufnehmen, wählen, fassen, packen.
Uke – Als Uke wird derjenige bezeichnet, an welchem die Handlung ausgeführt wird. Uke wird vom Verb ukeru abgeleitet, und heißt fangen, auffangen, bekommen, erhalten, bewahren, retten, annehmen, erleiden.
Randori – Übungskampf, freies Üben. Im Randori geht es nicht um Gewinnen oder Verlieren, es geht darum die erlernten Techniken in einer kampfähnlichen Situation anwenden zu können. Wörtlich wird Randori mit „das Chaos nehmen“ übersetzt.
Kumi-Kata – Griffart, Fassarten, Griffkampf, schulmäßiges Fassen des Judogi
Judogi – Judoanzug