Andreas Tölzer – ein Garant für Erfolg des Deutschen Judobundes in den letzten Jahren. Nach dem Gewinn der Bronzemedaille bei der WM in Rio hat er seine Karriere beendet. Er sprach mit uns über sein Training, Höhen, Tiefen und was er heute ggf. anders machen würde.
Andreas Tölzer trainierte am Bundesstützpunkt in Köln und hat Jahr für Jahr sein Umfeld perfektioniert. Neben seinem jetzigen Heimtrainer und früheren Teamkollegen Daniel Gürschner, seinem aktuellen Bundestrainer Detlef Ultsch gehören seit Jahren auch der Konditionstrainer Daniel Knebel und die Rehatrainerin Anja Löhr, aber auch noch immer sein früherer Trainer Andi Reeh und ehemaliger Bundestrainer Frank Wieneke dazu. Jeder einzelne ist ein Puzzlestück zum Erfolg. Aber letztendlich hat nicht alleine das Umfeld Andreas Tölzer den Erfolg gebracht, sondern auch seine Erfahrung, die Sicherheit durch die Bundeswehr, sein Studium an der Trainerakademie und auch Privates haben dazu beigetragen. Bei der WM im August in Rio gewann er zum Abschluss seiner Karriere Bronze.
Was ist das Geheimnis deines Erfolgs der letzten Jahre?
Mein Erfolg hat vielfältige Gründe. Ein Grund ist einerseits eine Gewichtszunahme und andererseits eine Fettabnahme. Ziel war, mehr Gewicht in den Beinen zu kriegen, damit ich schwerer zu werfen bin. Von 132kg bin ich auf 145kg hoch und mein Fettgehalt ist von 18% auf 16% runter. Desweiteren hat mich auch mein Trainerstudium an der Trainerakademie Köln weitergebracht. Mit einer theoretischen Basis kann ich mehr mitreden und meinen Trainingsalltag mit beeinflussen. Ich hinterfrage viel mehr und diskutiere mehr mit. Natürlich spielt dabei auch meine Erfahrung mit meinem Körper eine Rolle. Die Zusammenarbeit mit meinen Trainern und Beratern ist seit meinem Trainerstudium sicherlich eine andere geworden.
Wie sah dein Trainingsalltag aus? Hast du in den letzten Jahren im Hinblick auf dein Alter bzw. Trainingsalter etwas an deinem Training oder Trainingsrhythmus verändert?
Exemplarisch sah ein Tag folgendermaßen aus: Ich stehe auf, gehe zum Krafttraining, dann ruhe ich mich wieder aus und am Abend steht oft Randori auf dem Programm, also meistens zwei Trainingseinheiten. Und ja, ich trainiere inzwischen auf jeden Fall anders. Ich würde sagen, ich mache viel weniger Umfänge als früher, dafür trainiere ich intensiver und auch bewusster. Insgesamt sicherlich weniger Trainingsstunden als früher.
Haben die neuen Regeln etwas in deinem Trainingsalltag verändert? Musstest du deine Technik und Taktik anpassen?
Ich denke, dass ich ein Gewinner der neuen Regeln bin. Ich musste nicht extrem viel ändern, nur auf den Te-guruma-Komplex muss ich in Zukunft verzichten und das ist schon schwierig in manchen Situationen, in welchen Te-Guruma die Lösung wäre. Mir kommt jedoch entgegen, dass es weniger Griffkampf gibt und dass man wieder länger im Boden arbeiten darf bzw. kann. Es spricht auch für mich, dass der Mattenrandkampf nicht mehr so begrenzt ist. Ich habe also letztendlich mehr Vor- als Nachteile.
Was würdest du zu deinen Stärken und Schwächen zählen?
Hat sich das im Laufe der Jahre verändert? Ich war mental schon immer stark. Wenn ich Ziele habe, verfolge ich diese konsequent. Ich höre mir immer mehrere Meinungen zu einem Thema an und versuche dann mit meinem Umfeld, das Optimum rauszuholen. So, dass ich mein Ziel erreiche. Zu einer meiner Schwächen zähle ich meine Verletzungsanfälligkeit.Durch meine physische Arbeit (Gewichtszunahme, mehr Stabilität in den Beinen usw.), weniger Trainingsumfänge, andere Trainingsinhalte und meine Erfahrung, habe ich diese Problematik jedoch besser in den Griff bekommen.
Was bedeutet dir Judo? Hat dich Judo verändert?
Sicherlich habe ich mich durch diesen Sport als Mensch entwickelt. Der Sport selbst, die Werte, jedoch auch die Menschen, die ich durch den Sport kennengelernt habe, haben mich beeinflusst. Die Zielstrebigkeit vieler Judoka, die mir immer wieder begegnet ist, welche ich sozusagen auch in mein Leben automatisch übernommen habe, bringt einen auf jeden Fall auch im Leben neben der Matte weiter. Aber auch die Orte, an welchen man wochenlang oder monatelang Zeit verbringt, wirken auf einen. Einfluss auf mein Verhalten hat auch das Wertesystem unserer Sportart. Ich denke da zum Beispiel an die Höflichkeit dem Gegner gegenüber, auch wenn man verloren hat, sich ungerecht behandelt fühlt. Ein Judoka beherrscht sich in einer solchen Situation und hat seine Gefühle unter Kontrolle. Das beobachtet man in anderen Sportarten weniger.
Gibt es rückblickend Schlüsselsituationen oder Schlüsselfiguren in deiner Laufbahn?
Für mich war es wichtig in die Bundeswehr zu kommen. Dies war eigentlich das Entscheidende in meiner Laufbahn. Als ich mit 17 eine Medaille auf den Deutschen Meisterschaften gewann, hatte ich damit das Ticket für die Sportfördergruppe. Dort konnte ich mich dann in Ruhe Schritt für Schritt entwickeln und war gleichzeitig abgesichert. Ich konnte mich voll und ganz auf den Sport konzentrieren. Bereits nach einem Jahr konnte ich den Europameistertitel bei den Junioren gewinnen und dieser Erfolg bestätigte, dass ich damals den richtigen Weg eingeschlagen hatte.
Hast du in deiner langen Laufbahn jemals gezweifelt?
Zweifel gibt es ja immer, gerade bei längeren Ausfällen hat man schon mal die Momente, in welchen man zweifelt, das ist denke ich normal. Aber grundsätzlich habe ich Aufhören nie ernsthaft in Erwägung gezogen.
Würdest du heute irgendetwas anders angehen?
Ja, ich denke, wenn ich die Änderungen bezüglich meiner Physis, die ich in den letzten Jahren vorgenommen habe, schon früher gemacht hätte, dann hätte ich wahrscheinlich mit weniger Verletzungen zu kämpfen gehabt. Ansonsten sehe ich keinen Sinn darin zurückzublicken. Aus meiner Sicht muss man als Athlet auch reifen und für Veränderungen bereit sein. Ich war nie ein Riesenbewegungstalent und musste mir immer alles hart und lange erarbeiten. Ja… und das dauerte halt alles seine Zeit.
Karin Ritler Susebeek