Welche Bedeutung hat die VO2max für Ausdauersportler?

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Vereinzelt werden Trainingsbereiche noch in Form der prozentualen Verteilung der VO2max beschrieben. Die zu Grunde liegende Vermutung, dass sich Herzfrequenz und Sauerstoffaufnahme linear zueinander verhalten, ist aber nicht belegt.

Es gibt Untersuchungen die darauf hinweisen, dass die beiden Parameter eben nicht linear ansteigen. Zudem sollten Trainingsbereiche eher an den Veränderungen im Stoffwechsel festgelegt werden und nicht an Maximal- werten! Weder die maximale Herzfrequenz noch die maximale Sauerstoffaufnahme sind geeignet um Ihr Training zu steuern! Sportler und Trainer können allein aus der Kenntnis der VO2max somit kaum einen Nutzen2 ziehen. Hinzu kommt, dass eine Triathlon-Langdistanz eben nicht im Bereich der maximalen Sauerstoffaufnahme stattfindet. In einer Studie zeigte sich am „Institut zur Trainingsoptimierung für Sport und Gesundheit“ iQ athletik, dass es bei Spitzentriathleten im Bereich der maximalen Sauerstoffaufnahme Athleten mit Top 3 Ironman-Platzierungen gibt, die relativ niedrige Maximalwerte aufweisen. 

Entscheidend ist die ventolatorische Schwelle 1! 

So zeigten sich im Rahmen der Studie von iQ athletik interessante Einzelfallbeobachtungen. Bei zwei männlichen Athleten die professionell Triathlon auf der Langdistanz betreiben und Podiumsplatzierungen auf der Langdistanz aufweisen, wurden erhebliche Unterschiede in der maximalen Sauerstoffaufnahme gemessen. Während Athlet 1 bei 74 ml/min/kg lag, erreichte Athlet 2 „nur“ eine VO2max von 52 ml/min/kg. Es zeigt sich somit erneut, dass die maximal gemessene Sauerstoffaufnahme nicht grundlegend als erfolgsbestimmender Faktor gelten kann. Vielmehr scheint die Ausnutzung der metabolischen Systeme ein erfolgsbestimmender Faktor zu sein. In der leistungsdiagnostischen Praxis sind somit Informationen zu den Atemäquivalenten für Sauerstoff (V’E/ VO2) und die ventilatorische Schwelle 1 (VT1) bzw. die Sauerstoffaufnahme im Bereich der VT 1 wichtige Kenngrößen zur Beurteilung der aeroben Leistungsfähigkeit.

Sauerstoffaufnahme wird eventuell überschätzt 

Möglicherweise wird die maximale Sauerstoffaufnahme in der Relevanz gerade bei Ausdauersportarten, bei denen Wettkampfleistungen nicht im Bereich der VO2max stattfinden, in der Literatur überschätzt. Hinweise dazu finden sich auch in aktuellen Studien, die darauf hindeuten, dass die maximale Sauerstoffaufnahme bei leistungsdiagnostischen Testverfahren mit ansteigender Belastungskonfiguration im Rampen- oder Stufen- design nicht valide erfasst werden können3. Zudem zeigt sich zunehmend, dass die maximale Sauerstoffaufnahme in der Literatur systematisch überschätzt wurde4. Inwiefern die maximale Sauerstoffaufnahme gerade vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen grundlegend im Rahmen der Trainingsberatung oder Talentidentifikation relevant ist muss kritisch hinterfragt werden. Demnach ist auch die Prädiktion der maximalen Sauerstoffaufnahme nur von geringer Relevanz für die Praxis sporttreibender Menschen. 

Training als Kommunikations- und Steuerungsprozess

Auch in der sportwissenschaftlichen und sportmedizinischen Beratung im Rahmen leistungsdiagnostischer Untersuchungen ist das Beurteilen der Entwicklung von metabolischen, kardialen und pulmonalen Faktoren nicht von der maximalen Sauerstoffaufnahme abhängig. Veränderungen von Messgrößen im Belastungsverlauf liefern hier viel bedeutendere Informationen. Erreichte Maximalwerte sind hingegen bezogen auf trainingsrelevante Fragen nicht von Interesse. Letztendlich liefern derartige Testverfahren Informationen, die vom Trainer und vom Sportler als Quelle für trainingsmethodische Überlegungen dienen müssen. Training ist dabei immer so individuell wie der Fingerabdruck eines Menschen und muss als Kommunikations- und weniger als Steuerungsprozess betrachtet werden. 

Lesen Sie auch: Die VO2max ist in der Langzeitausdauer nicht entscheidend! 

Literatur: 

1 Hollmann, Strüder, Predel, Tagarakis (2006) Spiroergometrie. Stuttgart: Schattauer. 

2 Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin
 

3 British Journal of Sports Medicine, 2013, Bd. 46, (1), S. 1–3.
 

4 British Journal of Sports Medicine, 2013 Bd. 46, (1), S. 23–29.

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Über den Autor

Dennis Sandig

Dennis Sandig arbeitete als Sportwissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Aktuell ist er bei der Deutschen Triathlon Union als Wissenschaftskoordinator und Referent für Bildung zuständig, sowie für das umfassende Aus- und Fortbildungsprogramm für Coaches im Triathlon.

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