Die meisten Läufer denken, dass Krafttrainingsprogramme nur unter Verwendung bestimmter Ausrüstungsgegenstände (Langhanteln, Kurzhanteln, Gewichtmaschinen, etc.) und ausschließlich im Kraftraum oder in der Turnhalle durchgeführt werden.
In Wirklichkeit jedoch ist Krafttraining jede körperliche Betätigung, die die Anwendung von Widerstand auf die Muskulatur unterstreicht. Für Läufer schließen diese Betätigungen herkömmliche Übungen (Pressen, Hocken, Pull-ups, etc.), laufspezifische Kraftübungen wie Step-ups und einbeinige Hocken, plyometrisches oder „Sprung“-Training, Freiübungen und verletzungsverhindernde gymnastische Übungen (auf Zehenspitzen oder Fersen gehen) sowie Werfen, Dreh-, und Schwingtätigkeiten mit dem Medizinball mit ein.
Sind diese Tätigkeiten für Läufer wirklich von Nutzen?
Wissenschaftliche Forschungen deuten stark daraufhin, dass herkömmliche Kraft-Workouts die Gefahr von Verletzungen bei Ausdauerathleten verringern können. Dieses kann höhere Leistung fördern, indem es konstanteres Training unterstützt. Außerdem zeigt eine Studie des gefeierten finnischen Wissenschaftlers Paavo Komi, dass Krafttrainingsprogramme die maximale Laufgeschwindigkeit erhöhen können. Neuere Studien zeigen, dass Krafttrainingsprogramme die Laufökonomie um etwa 3 % verbessern können; bei 10 km auf ca. 1 Minute. Wir wissen auch, dass plyometrisches Training starken Läufern helfen kann, schneller zu werden – das heißt, die Kraft in ihren Beinen schneller zu nutzen. Schließlich verhelfen Krafttrainingsprogramme einigen Läufern dazu, ihren Körpern einige muskulöse Konturen zu geben und sich von ihrer „Bohnenstangen“-Konstitution zu befreien.
Viele Läufer fürchten, dass Krafttraining einen Nachteil hat – nämlich große, unerwünschte Zunahme an Muskelmasse, die mehr „totes Gewicht“ darstellt, welches beim Laufen mitgeschleppt werden muss. Diese Furcht basiert allerdings eher auf einem Mythos als auf Tatsachen. In Wirklichkeit erfordern bedeutende Zunahmen an Muskelmasse fachkundige Trainingsmethoden und einen sehr großen Einsatz an Zeit und Energie – weit mehr als die meisten Läufer für reine Krafttrainingsprogramme aufzuwenden im Stande sind.
Ein Programm zum Kraftaufbau in den Beinen
Selbstverständlich profitiert man am meisten von Krafttätigkeiten wenn man ihre Schwierigkeit und Spezifität mit der Zeit erhöht. Z. B. könnten Sie beginnen, ihre Kraft in den Beinen für das Laufen zu entwickeln, indem Sie 2 bis 3 Wochen lang einfache, zweibeinige Kniebeugen durchführen – mit dem reinen Körpergewicht als Widerstand. Dann könnten Sie nach und nach die Schwierigkeit und die Spezifität der Übungen in der folgenden Weise steigern: In den Wochen 4–6 könnten Sie zweibeinige Kniebeugen mit größerem Widerstand (durch das Halten einer Lang- oder Kurzhantel) durchführen. Für die Wochen 6–8 könnten einbeinige Kniebeugen mit leichtem bis mäßigem Widerstand auf dem Plan stehen (das Ausführen von einbeinigen Kniebeugen ist laufspezifischer als das von zweibeinigen Kniebeugen, da das volle Gewicht auf nur einem Fuß laster – genau wie beim Laufen). Während der Wochen 9–12 könnten Sie zu Hügelläufen übergehen und dabei eine Gewichtsweste tragen, um die Abstoßphase Ihres Schrittes zu stärken. Während der Wochen 11–13 (was sich mit der Phase der Gewichtsweste überschneidet), könnten Sie zweibeinige Vorwärtssprünge hinzufügen, um die Kraftgewinnung bei Landung und Rückprall während des Laufens zu erhöhen. Für die Wochen 13–15 könnten Sie zu einbeinigen Vorwärtssprüngen übergehen (da Sie auf nur einem Fuß landen, erhöht sich die Spezifität und die Intensität wird verdoppelt). Während der Wochen 15–17 könnten Sie den Abwärtslauf in den Vordergrund stellen, um zu lernen, die Rückprallphase ihres Schrittes zu steuern und zu verbessern.
Ein einfaches Programm wie dieses wird Ihren Beinen Kraft und Stärke geben, aber ein Schlüsselproblem ist, dass es fast endlos viele Krafttrainingsübungen und fast genauso viele Workoutprogramme gibt. Wie wählen Sie die Übungen und Programme aus, die richtig für Sie sind? Wie stimmen Sie Ihr Kraftprogramm mit Ihrer Laufroutine ab?
Bestimmen Sie Ihre Schwachstellen
Diese Fragen sind schwer zu beantworten, denn es gibt keinen universell „besten“ Krafttrainingsübungssatz. Stattdessen gibt es einige Krafttrainingsübungen aus denen Sie für sich das Beste rausholen können. Denn so wie alle Läufer haben auch Sie einzigartige Stärken und Schwächen. Für jede Ihrer Schwächen gibt es eine Handvoll Krafttrainingsübungen, die Sie stärker machen. Ihre Aufgabe ist es, Ihre Schwächen zu bestimmen und diese anschließend zu verstärken.
Aber wie bestimmen Sie Ihre Schwachstellen? Zweifellos ist ein Körperbereich unnötigerweise schwach und muss verstärkt werden, wenn Sie sich wiederholt in diesem Bereich verletzen. Oder, wenn Sie meinen, eine annehmbare Laufgeschwindigkeit zu haben, aber immer wieder einer Vielzahl unterschiedlicher Verletzungen erliegen, dann könnte es sein, dass Sie grundlegende Gesamtkraft (und/oder Flexibilität) entwickeln müssen. Wenn Sie andererseits selten verletzt sind und eine gute Ausdauer haben jedoch eine geringe Geschwindigkeit, liegt die Notwendigkeit für Sie in einem Widerstandsprogramm, das Ihren starken Muskeln „lehrt“ schneller zu funktionieren (das heißt, Ihr Programm muss Krafttraining unterstreichen). Manchmal hilft es mit einem erfahrenen Coach zusammenzuarbeiten, um die Dinge zu identifizieren, die Sie beim Krafttraining hervorheben sollten.
Und es hilft zu wissen, dass es wirklich nur 4 grundlegende Arten von Krafttraining für Läufer gibt, von denen jede Sie darin unterstützen kann, ein spezifisches Ziel zu erreichen. Es handelt sich dabei um:
1) Allgemeine Kraft- und Konditionierungsübungen: Diese Tätigkeiten schließen viele der herkömmlichen Gewichttrainingsübungen wie Pressen, Kniebeugen, Pull-ups, Push-ups, Bauchpressen, Bar Dips, verschiedene Ruderbewegungen und dergleichen ein. In dieser Kategorie inbegriffen sind auch einige der weniger herkömmlichen Übungen wie Medizinballwerfen und -schwingen sowie verschiedene Tätigkeiten für die Muskeln der Körpermitte (Bauch und unterer Rücken). Diese herkömmlichen Übungen liefern „generelle“ Kraft – also Kraft für Ihren ganzen Körper, die Ihre Muskeln und das Bindegewebe vor den wiederholten Belastungen und Auswirkungen des Laufens schützen.
2)Laufspezifisches Krafttraining: Diese Kategorie umfasst Übungen, die die für das Laufen erforderliche Biomechanik und Bewegungsmuster genauer nachahmen. Die Übungen schließen Step-ups, Geschwindigkeits-Kniebeugen, einbeinige Kniebeugen, Sturzsprünge, Hügelläufe, Gewichtsläufe (mit dem Tragen einer Gewichtsweste) und Widerstandsläufe (mit Gummischläuchen, Fallschirm oder Gewichtschlitten, die den Widerstand liefern) mit ein. Diese spezifische Art des Krafttrainings, welche vielen Athleten weniger vertraut ist als das gewöhnliche Krafttraining, wird in der Sport-Gemeinde in zunehmendem Maße populärer, weil es „spezifische Kraft“ liefert – mehr Kraft, um die tatsächlichen Bewegungen durchzuführen, die man in einem bestimmten Sport benötigt . Wenn Sie laufspezifisches Krafttraining durchführen, werden Sie kräftiger beim Laufen – nicht während Sie an einer Gewichtsmaschine sitzen.
3) Reaktives oder Geschwindigkeitskrafttraining: Diese Art des Trainings, häufig als Plyometrie benannt, schließt verschiedene Formen von Hüpf-, Spring- und Emporschnell-Übungen ein, die Ihren Muskeln beibringen, mehr Kraft zu erzeugen und diese Kraft auch schneller frei zu setzen. Das Ziel ist selbstverständlich, sich besser „abzustoßen“ wenn Sie laufen. Reaktives Training fördert zu einem hohen Grad Kraft in den Muskeln, Sehnen, Bändern und Knochen, da die Kraftauswirkung normalerweise höher ist, als bei den gewöhnlichen Lauf-Workouts. Reaktives Training dehnt auch Muskeln, Sehnen und Bänder kräftig, was eine größere Elastizität und Leistungsfähigkeit der Bewegung fördert. Ein Schlüsselpunkt, den Sie im Gedächtnis behalten sollten, ist jedoch, dass reaktives Training nicht einfach ohne Vorbereitung in Ihr Trainingsprogramm eingefügt werden kann; es muss auf einer Grundlage von allgemeinem und laufspezifischem Krafttraining aufbauen und langsam mit leichtem Hüpfen und Springen beginnen. Andernfalls sorgen die Kräfte, die während des reaktiven Trainings erzeugt werden, für verletzte – nicht leistungsfähigere – Körperteile.
4) Vorbeugende gymnastische Übungen: Dies ist zweifellos ein neuer Trainingsbereich für Sie. Wenn die meisten Leute den Begriff Turnen hören, denken sie an Turner, die gefährliche Saltos, Drehungen und Kunststücke auf dem Schwebebalken, am Barren oder an den Ringen durchführen. In der europäischen Sportgemeinde jedoch ist die Bezeichnung Gymnastik ein Synonym für kräftigende, aufbauende oder stärkende Übung bzw. Therapie. Für Läufer ist die Aufgabe der vorbeugenden Gymnastik, die Füße und den unteren Teil der Beine zu stärken, um das Verletzungsrisiko in jenen Bereichen herabzusetzen. Gymnastikübungen unterscheiden sich von allgemeinen und laufspezifischen Kraftübungen dadurch, dass ihre Effekte lokaler sind, ihre Intensität niedriger ist, und sie sogar häufiger als andere Formen des Krafttrainings durchgeführt werden. Eine Vielzahl gymnastischer Übungen kann an fast jedem Trainingstag durchgeführt werden (häufig als Teil Ihrer Aufwärm- oder Abkühl-Übung), so z. B. das Gehen auf Zehenspitzen und der Ferse, vorwärts und rückwärts Springen auf den Zehen, „Zehen-anziehen“, zickzack Hüpfen auf den Zehen und dasbarfuß auf Sand, Gras oder Hügeln Laufen.
Koordinieren Sie Ihr Training
Selbstverständlich genügt es nicht, einige Übungen zusammenzuwerfen, Gewichte auf die Stange zu legen, und mit dem Heben zu beginnen. Ein allumfassendes, optimales Kraftprogramm sollte das Trainieren in jeder der 4 oben beschriebenen Kategorien umfassen, mit dem Schwerpunkt auf Ihren Schwachstellen. Gleichzeitig muss Ihr Programm auf Ihr übriges Training abgestimmt werden, und es muss das Laufen komplementieren – nicht ersetzen. Schließlich trainieren Sie, um besser zu laufen, nicht um besser Gewichte zu heben.
Nehmen wir z. B. an, Sie würden planen mit einem ernsthaften Krafttraining im März zu beginnen und Ihre wichtigsten Rennen des Jahres finden im September statt. Im März und April können Sie sich einfach auf allgemeine Kraft- und Konditionierungsübungen konzentrieren. Mitte April fangenSie an, etwas laufspezifisches Krafttraining hinzuzufügen, mit dem Sie bis Mitte Juni fortfahren. Anfang Juni, wenn die Laufsaison auf Hochtouren kommt, beginnen Sie Ihr reaktives (Geschwindigkeitskraft-) Training, und ab Mitte Juni können Sie Ihre laufspezifische Arbeit schwieriger gestalten. Diese Kombination von laufspezifischer und Geschwindigkeitskraft-Tätigkeit sollte bis Ende Juli andauern. Im August stimmen Sie Ihr Krafttraining ab, um alle restlichen Schwachstellen zu stärken. Des Weiteren fahren Sie damit fort, sich auf die Geschwindigkeitskraft-Arbeit zu konzentrieren – was Ihnen hilft, sich für Ihre Hauptrennen im September „zu schärfen“. In der ganzen Zeit von März bis September, führen Sie Ihre verletzungsvorbeugenden gymnastischen Übungen durch.