Vorsicht bei der Leistungsdiagnostik: Über Spiroergometrie und den Respiratorischen Quotienten

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In der Leistungsdiagnostik macht die Sportwissenschaft große Fortschritte. Das bedeutet aber auch, dass alte Theorien neu auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden müssen. So auch die Spiroergometrie und insbesondere der Respiratorische Quotient. Über Kritik und neue Ansätze.

Analysen zum Gasaustausch beim Menschen unter Belastung sind wohl erstmals um 1789 getestet worden. Damals versuchten die französischen Wissenschaftler Lavoisier und Sequin mithilfe einer Gesichtsmaske und einer Alkalilauge den Sauerstoffgehalt der Atemluf beim Heben von Gewichten zu bestimmen.(1) Die Leistungs- und Arbeitsphysiologie erkannte um 1900 die Bedeutung der Sauerstoffaufnahme für die Leistungsfähigkeit des Menschen, so dass dem Messen der Atemgase größere Bedeutung zukam.(1) Im Laufe der Zeit spielte die Spiroergometrie, also das Messen der Atemgase unter Belastung, eine immer größere Rolle. Aktuell macht die technische Entwicklung große Fortschritte, so dass die Gerätschaften mittlerweile sehr kompakt geworden sind.

 

Kenngrößen der Leistungsfähigkeit

Im Rahmen einer Spiroergometrie werden im Grunde genommen die Sauerstoffaufnahme (VO2) und die Kohlendioxid-Abatmung (VCO2) gemessen. Aus diesen beiden Parametern haben sich eine Vielzahl von Berechnungsgrößen entwickelt, deren Bedeutung aktuell stark unterschiedlich bewertet wird. Von großer Bedeutung sind die Ventilatorischen Schwellen (Ventilatory Threshold – VT1 und VT2), die über unterschiedliche Verfahren bestimmt werden können. Lange Zeit standen die maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit und das Verhältnis aus Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabatmung (Respiratorischer Quotient) im Zentrum der diagnostischen Verfahren. Aktuell werden diese Größen jedoch kritisch betrachtet und spielen in der sportmedizinischen Praxis nur noch eine untergeordnete Rolle!

 

Der Respiratorische Quotient

Zu den bekannteren, mittlerweile jedoch wenig bedeutsamen Kenngrößen aus einer Spiroergometrie gehört also auch der Respiratorische Quotient (RQ). Der dimensionslose RQ gibt das Verhältnis aus dem abgeatmeten Konhlendioxidvolumen (VCO2) zum aufgenommenen Sauerstoffvolumen (VO2) an. Der Respiratorische Quotient kann mathematisch als

RQ = VCO2 (liter x min-1) / VO2 (liter x min-1)

beschrieben werden. Dieser Parameter schwankt in den Messungen zwischen 0,6 und 1,3.

 

Was sagt der RQ über die Fettverbrennung aus?

In der älteren Literatur findet sich im Zusammenhang mit dem Respiratorischen Quotienten immer wieder die Vorstellung, aus dem Verhältnis von Sauerstoff zu Kohlendioxid Aussagen über die verwendeten Substrate bei der Energiebereitstellung machen zu können. Dabei wurde davon ausgegangen, dass bei einem RQ von 0,7 ausschließlich Fette verbrannt werden, während bei einem RQ von 1,0 alleine Kohlenhydrate zur Ernergiebereitstellung genutzt werden. Lange Zeit wurde ein RQ um 1,0 mit einer ventilatorischen Schwelle (VT) gleichgesetzt. Das Überschreiten des Werts 1,0 im RQ beschreibt jedoch keine Schwelle (VT), weil der RQ diese systematisch überschätzt.(2) Zudem unterliegt der RQ Einflussgrößen, so dass beispielsweise eine kohlenhydratreduzierte oder kohlenhydratreiche Ernährung zu stark unterschiedlichen RQ-Werten führen kann.

 

Sind Substrate über eine Spiroergometrie messbar?

Diese Theorie fußt darauf, dass bei der Verbrennung von Fetten mit Sauerstoff weniger CO2 entsteht, als bei der Verbrennung von Glukose. Ein erster Fehler ist jedoch schon die Grundannahme einer „Ausschließlichkeit“ der Substrate, denn es gibt im Körper stets Zellen, die obligat Kohlenhydrate bzw. obligat Fette verbrennen. (Vom Fettstoffwechsel – Grundlagen für Ihr Ausdauertraining)

Ein weiteres Problem bei dieser Annahme ist, dass in Ihrem Körper CO2 entstehen kann, das nicht aus der Energiebereitstellung stammt. Dieses sogenannte „nicht metabolische“ Kohlendioxid stammt aus Puffern wie dem Bikarbonat, welches das zunehmend saure Millieu im Körper unter Belastung abpuffert. Dies betrifft insbesondere Wasserstoffionen (H+), das nicht-metabolische CO2 spielt jedoch bereits mit dem initialen Anstieg des Blutlaktatspiegels eine bedeutende Rolle. Unter Belastung ist somit das Bestimmen der Fett- bzw. der Kohlenhydratverbrennung nicht möglich.

Leider gibt es jedoch mittlerweile Anbieter aus dem Bereich der Leistungsdiagnostik, die ihre Ergebnisse allein aus der imaginären Fett- bzw. Kohlenhydratverbrennung ableiten. Dies ist empirisch so nicht haltbar und Sie sollten solche Ergebnisse mit Vorsicht genießen. Das Ableiten der Belastungszonen erfolgt bei diesen Methoden stets viel zu niedrig-intensiv. Vor einem unkritischen Einsatz dieser kommerziellen Spiroergometriegeräte, die alleine auf der indirekten Kaloriemetrie (also dem Bestimmen der Substratverbrennung unter Belastung) beruhen, wird gewarnt!(3)

 

Sauerstoffaufnahme ist der Schlüssel zum Erfolg

Letztendlich kommt der Sauerstoffaufnahme eine große Bedeutung zu. Ein wichtiges Trainingsziel insbesondere des Ausdauertrainings ist also das Optimieren der Fähigkeit des Organismus, Sauerstoff unter Belastung aufnehmen zu können. Hier bieten sich viele verschiedene Methoden an. Ein optimales Training besteht aus intensiven und hochintensiven Anteilen, die in der Zusammensetzung des Trainings durchaus mit der Dauermethode bei niedrigen Intensitäten kombiniert werden müssen. Das Zusammenstellen der Trainingseinheiten muss dabei auf den Sportler, sein Trainingsalter und seinen Trainingszustand sowie die Zielstellung abgestimmt werden.

Möglicherweise ist die Sauerstoffaufnahme auch über die Aufnahme von Phasentransferkatalysatoren, wie der Alginsäure, steigerbar (RQmax®), indem der Übergang von Sauerstoff an den roten Blutkörperchen optimiert wird. Derzeit laufen zu diesem Thema noch Studien mit Produkten, die das Aufnehmen von Sauerstoff unmittelbar beeinflussen könnten.

 

Dennis Sandig

 

Literatur

1. Hollmann, W., Strüder, K., Predel, H-G. & Tagarakis, C. (2006). Spiroergometrie. Kardiopulmonale Leistungsdiagnostik des Gesunden und Kranken. Stuttgart: Schattauer.

2. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, , 2012, Bd. 61 (6), S. 146–147.

3. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 2011, Bd. 62 (1), S. 10–15.

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Über den Autor

Dennis Sandig arbeitete als Sportwissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Aktuell ist er bei der Deutschen Triathlon Union als Wissenschaftskoordinator und Referent für Bildung zuständig, sowie für das umfassende Aus- und Fortbildungsprogramm für Coaches im Triathlon.

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