Die Muskeln sind die Grundvoraussetzung sportlicher Bewegung. Ehrliches Training und effektive Leistungssteigerung erfordern ein umfangreiches Wissen vom Aufbau und von der Funktion der Muskulatur. Der 2. Teil der Serie zum Athletiktraining stellt Ihnen wieder effektive Übungen vor, mit denen Sie Ihre Leistung gezielt verbessern werden.
Ausdauersportler stehen ergänzenden Methoden wie dem Kraft- und dem Athletiktraining, nach denen sie zusätzlich zu ihren eigentlichen Einheiten trainieren sollen, oft eher kritisch gegenüber. Ganz der Tradition verpflichtet, gehen Radsportler davon aus, dass Radfahren eben vom „Rad fahren“ kommt, und so stehen nur auf wenigen Plänen ausgleichende Inhalte für das spezifische Training. Ein ähnliches Bild findet man auch bei Läufern und bei Triathleten, die sich eher auf ihre Spezialdisziplinen konzentrieren. Es ist eben die Hauptsportart, die man sich ausgewählt hat, an der man Spaß hat und in der man sich wohlfühlt.
Unbehagen bereitet da vielen Ausdauersportlern eher die Atmosphäre in einem Fitnessstudio, wo man sich zwischen Kraftsportlern und einer abnehmwilligen Klientel doch eher fehl am Platz fühlt. Doch genau dieses Zusatztraining ist eine der entscheidenden Methoden mit der Sie Ihre Leistung grundlegend verbessern können und sich zudem auch Verletzungen vermeiden lassen. Die Verbesserungen resultieren daraus, dass Ihre Stabilisierungsfähigkeit im Rumpf durch zusätzliche Krafteinheiten entscheidend verändert wird.
Wenn Sie zum Beispiel Radfahrer oder Triathlet sind, werden Sie die Situation kennen, dass Sie sich mit dem Oberkörper rhythmisch hin- und herwiegen und sich so der ganze Körper bei jedem Tritt mit bewegt. Und das geschieht, weil bei einem Pedaltritt die Kraft z. B. vom rechten Arm über den Rumpf und das gegenüberliegende Bein zum Fuß und so auf das Pedal fließt. Der Oberkörper muss also die Stabilität liefern, so dass die volle Kraft auf das Sportgerät übertragen wird. Wenn Sie jedoch im Rhythmus Ihres Tritts auf dem Rad hin- und herwippen, ist das ein Zeichen dafür, dass Ihre Rumpfmuskulatur zu schwach ist, um der Kraft der Beine den nötigen Widerhalt zu geben. Ähnliche Effekte lassen sich auf nahezu jede Sportart und Disziplin übertragen, für die jeweils spezielle Übungen existieren, mit denen sich die Kraft optimal übertragen lässt – z. B. auf das Werfen, Springen oder Rennen.
Wieselflink und bärenstark mit Übungen aus der Sportgarage
In diesem Beitrag wollen wir Ihnen 3 Übungsvarianten vorstellen, die ergänzend zum 1. Teil unserer Serie die antagonistische Muskulatur trainieren. Zudem unterstützen diese Übungen aus funktioneller Sicht nahezu jede Sportart unmittelbar, und Sie können so Ihre Leistungsfähigkeit verbessern, da Ihr Rumpf stabil die Kräfte übertragen kann.
Bei einem allein maschinengestützten Krafttraining wird die stabilisierende Muskulatur in wesentlichen Teilen ausgeschaltet und somit nicht trainiert. Sie vernachlässigen so einen großen Anteil Ihrer Muskulatur und „verschenken“ Trainingsanpassungen und die Chance, Ihre Leistungsfähigkeit noch mehr zu verbessern. Erst ein freies Trainieren mit Übungen ohne Maschinen und ohne Unterstützung kräftigt auch Ihre Stützmuskulatur umfassend. Die von uns vorgestellten Zugübungen beanspruchen so die komplette Körperrückseite, inklusive der Funktionskette von den Beinen über den Rumpf in die Arme. Mit einem stabilen Körper sind Sie in der Lage, Ihre Kraft und Ihre Fertigkeiten auch effektiv in Bewegung umzusetzen. Dabei ist es egal, ob Sie auf einem Triathlonrad sitzen und über die Rumpfspannung Ihre Leistung auf den Vortrieb übertragen oder ob Sie als Handballspieler die Beschleunigung eines Balls über die Füße und den Rumpf auf den Wurfarm übertragen. Unsere Athletikübungen wirken in allen Bereichen.
Trainieren Sie Ihre komplette Rückseite
Nachdem wir Ihnen beim letzten Mal Übungen gezeigt haben, bei denen Sie die drückende und die stabilisierende Muskulatur der Körpervorderseite beanspruchen, wollen wir diesmal die Körperrückseite herausfordern. Wir starten mit einer einfachen Grundübung, die sich Inverted Row nennt und die man z. B. an der Spielfeldbegrenzung des Sportplatzes oder an einer Reckstange ausführen kann.
Wie in Abb.1a zu sehen ist, liegt man auf dem Rücken unter der Stange und zieht sich dann nach oben, bis die Brust das Geländer berührt. Wichtig ist dabei, dass Sie die Stange berühren. Dadurch ist es gewährleistet, dass Sie die Schulterblätter zusammenziehen, denn nur so kommen Sie auch tatsächlich ganz an die Stange heran. Ihr Körper bildet während des Zugs immer eine Linie vom Knöchel bis zum Ohr. Die Übung wird leichter, wenn die Stange höher ist und die Füße dichter an dem Festhaltepunkt sind. Sie können zusätzlich auch noch den Griff variieren.
Bei korrekter Ausführung bearbeiten Sie so die ziehende Muskulatur der Körperrückseite. Sie trainieren in der geschlossenen kinetischen Kette und damit auch sehr schön die Stabilisatoren Ihres Schulterblatts. Je nach Griffhaltung wird auch der Bizeps stark beansprucht.
Stabilisieren und gleichzeitig ziehen!
Für die nächsten Übungen benötigen Sie ein spezielles Gerät, um unsere Übungen nachturnen zu können. Wir arbeiten heute mit einem Zugwiderstandsband aus Gummi. Dabei handelt es sich aber nicht um ein aus der Reha bekanntes Gummiband, sondern um so genannte Predatorbänder, die eine Zugkraft von bis zu 120 kg entwickeln. Diese Bänder können Sie über spezielle Versender beziehen.
In der 1. Variante des einarmigen stehenden Ruderns mit dem Predatorband stehen Sie in einem leichten Ausfallschritt. Das hintere Bein ist etwas gebeugt. Geben Sie dann Zug auf das Band, wobei Sie in der Ausgangsposition den Arm gestreckt halten und die Schulter nach vorne rotieren. Beim Zug führen Sie den Ellenbogen eng am Körper nach hinten und nehmen auch die Schulter nach hinten. Durch den ansteigenden Widerstand des Bandes müssen Sie Ihren kompletten Rumpf stabiliseren! Vor allem die beschriebene Rotation sorgt dafür, dass der Körper diagonal vom rechten Arm zum linken Bein Kräfte entwickeln muss und so die Körpermitte stabilisieren lernt. Das ist die Grundlage für die Übertragung von Kräften in sämtlichen Sportarten.
Abschließend stellen wir Ihnen noch die erschwerte Variante des Ruderzugs vor. Dabei fangen Sie knieend mit leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper an. Mit beginnendem Zug stehen Sie auf und ziehen – wie oben beschrieben – mit engem Zug nach hinten. In der Endphase nehmen Sie das Bein nach oben, bis Sie Knie und Oberschenkel paralell zum Boden halten. Durch den Zug des Predatorbandes muss Ihr Körper extrem stabilisieren.
Dennis Sandig M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Doktorand an der Universität des Saarlandes, Mitbegründer der iQ athletik GmbH
Klaus Camann, Athletiktrainer zahlreicher Spitzensportler, Gründer der Sportgarage Heidelberg
Fachsprache
Stabilisierungsfähigkeit – beschreibt das Zusammenspiel von Nerv, Muskel und Sensoren, um das Gleichgewicht unter Belastung zu halten bzw. Kräfte auszuüben
Geschlossene kinetische Kette – Übungen, bei denen die distalen an der Übung beteiligten Extremitäten fixiert sind, wie z. B. bei der Kniebeuge
Offene kinetische Kette – Übungen, bei denen die distalen Extremitäten nicht fixiert sind, z. B. Beinstrecker
Predatorbänder – spezielle Zugbänder, die bis zu 120 kg Zug aufbauen können