Olympische Sporterkrankungen und Sportverletzungen

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Kurz vor den Olympischen Sommerspielen 2012 in London lohnt es sich, einen Blick auf die Sporterkrankungen und Sportverletzungen in den verschiedenen Disziplinen zu werfen. Am stärksten betroffen sind Kontaktsportarten wie Fußball, Handball, Teakwondo, Hockey und Boxen.

Die Erfassung von Erkrankungen und Sportverletzungen als Epidemiologie ist eine entscheidende Phase, um das Ausmaß eines Sporterkrankungs- bzw. Sportverletzungsproblems zu erfassen. Um später eine wirksame präventive Maßnahme für Sporterkrankungen bzw. Sportverletzungen zu implementieren, bedarf es eines mehrstufigen Procederes, welches van Mechelen in der folgenden Sport-Präventionssequenz vorgestellt hat(1):

– Sportepidemiologie, Erfassung der Sporterkrankungs-/Sportverletzungsrate pro 1000h Exposition: Wie groß ist das Problem?

– Entstehung der Sporterkrankung/Sportverletzung: Welche Risikofaktoren bedingen die Sporterkrankung/Sportverletzung?

– Basierend auf den Stufen 1 und 2 Konzeption eines sportpräventiven Programms als Intervention

– Erfassung der Sporterkrankungs-/Sportverletzungsrate in 1000h und Überprüfung der sportpräventiven Maßnahme.

Eine Analyse der letzten zurückliegenden olympischen Sommer- und Winterspiele zeigte, dass zwischen 7 % und 11 % aller Athleten während der olympischen Wettbewerbe mindestens eine Sportverletzung oder eine Sporterkrankung erlitten(2). Jedoch lagen deutliche Schwankungsbreiten sowohl in der Sporterkrankungsrate als auch der Sportverletzungsrate zwischen den unterschiedlichen olympischen Disziplinen vor.

 

Sportverletzungen bei den olympischen Sommerspielen 2008 in Peking

In eine Sportverletzungsanalyse der olympischen Sommerspiele 2008 flossen die Ergebnisse von 92 Nationalkadern, die 88 % der 10977 teilnehmenden Athleten betreuten, ein(3). Insgesamt 1055 Sportverletzungen wurden erfasst; mit einer Verletzungsrate von 96 Sportverletzungen pro 1000 registrierte Athleten. Jede zweite Sportverletzung führte zu einer Unterbrechung von mindestens einer Trainingseinheit oder des Wettkampfs. Am häufigsten wurden Umknickverletzungen des oberen Sprunggelenks und Muskelverletzungen der Oberschenkel beobachtet. Die Mehrzahl der Sportverletzungen (73 %) trat während der olympischen Wettkämpfe auf.

Ein Drittel aller Verletzungen trat infolge eines Gegnerkontakts auf, 22 % warenÜberlastungsschäden, 20 % Nichtkontaktverletzungen. Insbesondere bei den olympischen Disziplinen Fußball, Taekwondo, Hockey, Handball, Gewichtheben und Boxen traten Sportverletzungen während der Sommerspiele auf. In diesen olympischen Disziplinen verletzten sich jeweils mehr als 15 % der teilnehmenden Athleten. Das niedrigste olympische Sportverletzungsrisiko ging vom Segeln, Kanu, Kayak, Rudern, Synchronschwimmen, Kunstspringen, Fechten und Schwimmen aus.

 

Ultraschall in der olympischen Poliklinik in Peking 2008

Bei den olympischen Sommerspielen 2008 in Peking wurden in der olympischen Poliklinik 759 Patienten untersucht, darunter 484 Athleten, 101 Coaches, 88 Teamoffizielle und 86 freiwillige Helfer(4). Die Gründe für die Ultraschalluntersuchung waren:

– 42 % unklare abdominale Beschwerden

– 30 % muskuloskeletale Beschwerden

– 14 % gynäkologische Beschwerden

– 6 % kardiale Beschwerden

– 4 % vaskuläre Beschwerden

Positive, eine Sporterkrankung bzw. Sportverletzung nachweisende Befunde waren wie folgt:

– 46 % positive abdominelle Befunde

– 70 % positive muskuloskeletale Befunde

– 41 % positive gynäkologische Befunde

– 10 % positive kardiale Befunde 38 % positive vaskuläre Befunde

 

Physiotherapie bei den olympischen Sommerspielen 2004 in Athen

In der olympischen Poliklinik in Athen wurden 457 Patienten im Alter zwischen 15 und 72 Jahren behandelt(5). Dabei dominierten mit 47 % Überlastungsschäden als Indikation für die Physiotherapie. In 33 % waren Muskelprobleme die Indikation, bei 19 % Sehnenerkrankungen sowie Bandverletzungen. Am häufigsten waren die Oberschenkel mit 21 % betroffen gefolgt vom Knie (14 %) und der Lendenwirbelsäule 14 %.

 

Sporterkrankungen und Sportverletzungen bei den olympischen Winterspielen 2010

Eine detaillierte Analyse der IOC Medical Commission für die olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver berichtete von 11 % Wintersportverletzungen und 7 % Sporterkrankungen während der olympischen Wettbewerbe(6). Bei insgesamt 2567 Athleten wurden 287 Sportverletzungen und 185 Sporterkrankungen während der olympischen Wettbewerbe diagnostiziert. In Abhängigkeit der teilnehmenden Athleten war das Risiko für eine Sportverletzung beim Bob, Eishockey, Short Track, alpinen Freestyle und Snowboard Cross am höchsten mit 15-35 % Sportverletzungen in diesen Disziplinen.

Das niedrigste Sportverletzungsrisiko lag bei den nordischen Skiwettbewerben (Biathlon, Skilanglauf, Skispringen, nordische Kombination). Am häufigsten waren Kopf-, Halswirbelsäulen- und Knieverletzungen, wobei jede vierte Sportverletzung zu einem Trainings- bzw. Wettkampfausfall führte. Bei den Sporterkrankungen dominierten Erkrankungen der Atemwege mit 63 %, wobei Skeleton, Eiskunstlauf, Curling, Snowboard Cross und Biathlon mit jedem zehnten erkrankten Athleten betroffen waren.

 

Prof. Dr. Karsten Knobloch

 

Quellenangaben:

1. van Mechelen W., Hlobil H., Kemper HC. Incidence, severity, aetiology and prevention of sports injuries. A review of concepts. Sports Medicine 1992, Bd. 14 (2), S. 82-99.

2. Steffen K., Soligard T., Engebretsen L. Health protection of the olympic athlete. British Journal of Sports Medicine 2012, Bd. 46 (7), S. 466-470.

3. Junge A., Engebretsen L., Mountjoy M.L., Alonso J.M., Renström P.A., Aubry M.J., Dvorak J. Sports injuries during the Summer Olympic Games 2008. American Journal of Sports Medicine 2009, Bd. 37 (11), S. 2165-2172.

4. He W., Xiang D.Y., Dai J.P. Sonography in the 29th Olympic and Paralympic Games: a retrospective analysis. Clinical Imaging 2011, Bd. 35 (2), S. 143-147.

5. Athanasopoulos S., Kapreli E., Tsakoniti A., Karatsolis K., Diamantopoulos K., Kalampakas K., Pyrros D.G., Parisis C., Strimpakos N. The 2004 Olympic Games: physiotherapy services in the olympic village policlinic. British Journal of Sports Medicine 2007, Bd. 41 (9), S. 603-609.

6. Engebretsen L., Steffen K., Alonso J.M., Aubry M., Dvorak J., Junge A., Meeuwisse W., Mountjoy M., Renström P., Wilkinson M. Sports injuries and illnesses during the Winter Olympic Gamers 2010. British Journal of Sports Medicine 2010, Bd. 44 (11), S. 772-780.

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Karsten Knobloch

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