Die Massai-Barfuß-Technologie bei Schuhen

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Eine Betrachtung der Studienergebnisse für die Massai-Barfuß-Schuhtechnologie.

  • Schuhe nach der Massai Barfuß Technologie (MBT) sind schon seit einigen Jahren auf dem Markt. Neuerdings scheinen sie sich jedoch zu einem modischen Must-Have zu entwickeln. Die Herstellerfirma verspricht, dass der Schuh

  • – vernachlässigte Fußmuskeln aktiviert,

  • – Körperhaltung und Gangbild verbessert,

  • – den Körper strafft und formt,

  • – die Leistung verbessert,

  • – bei Rücken-, Hüft-, Bein- und Fußbeschwerden hilft,

  • – bei Gelenks-, Muskel-, Bänder- und Sehnenverletzungen hilft,

  • – Knie- und Hüftgelenke entlastet.

     

    Der internationale Medienhype um die MBT ging sogar so weit zu behaupten, dass sich durch diese Schuhe Zellulitis zurückbildet und eine Gewichtsreduktion bewirkt wird – eine These, die schon fast an Alchemie grenzt.

    MBT basiert auf einem ganz simplen Konzept: Der menschliche Fuß ist für das Barfußlaufen auf einem weichen Untergrund konzipiert, die meisten Menschen in den Industrieländern tragen jedoch beengende und unterstützende Schuhe und laufen auf harten, ebenen Flächen. Geistiger Vater dieser Schuhe ist Karl Müller, ein Schweizer Ingenieur, der durch die geringe Verletzungsrate auf dem afrikanischen Kontinent zu dieser Idee inspiriert wurde.

    Lässt man die offenkundigen Unterschiede zwischen den funktionalen Anforderungen eines Angehörigen des Massai Stammes und des durchschnittlichen Bürotätigen/Freizeitsportlers einmal beiseite, bleibt die Frage, ob dieses Schuhdesign nur eine technische Spielerei ist oder tatsächlich helfen kann, Verletzungen zu vermeiden.

    Normales Schuhwerk ist wenig geeignet, um einen schlechten Gang (Gangbild) zu korrigieren. Außerdem ist für die meisten Menschen Komfort oder modisches Aussehen wichtiger als bestimmte funktionale oder anatomische Aspekte – mit dem Ergebnis, dass wir einen passiven Gang entwickeln, bei dem Fuß, Knöchel und Beinmuskeln zu wenig arbeiten und folglich erschlaffen.

    Eine starke Binnenmuskulatur des Fußes ist jedoch wichtig, damit das Gewebe von Fuß und Knöchel wirksam und ohne Schädigung oder Verletzung den Belastungen standhalten kann, die sich durch die Instabilität ergeben. Die Feststellung, dass geschwächte Bereiche des Fußes ein Verletzungsrisiko bergen, ist daher durchaus realistisch. Bislang gibt es allerdings noch keine zuverlässigen Beweise dafür, dass bestimmte Muskeln durch das Tragen einer bestimmten Schuhform gekräftigt werden können.

    Der MBT-Schuh wurde als medizinischer Schuh entwickelt. Rein äußerlich ist er eher unansehnlich und klobig. Er hat eine recht dicke Sohle, die konvex von vorn nach hinten gekrümmt ist und den Fuß zwingt, richtig abzurollen. Die instabile Schaukelbewegung soll das Laufen über einen unebenen, instabilen Naturboden simulieren und zu einer Kräftigung der Muskeln beitragen.

     

    Die Studien

    Bislang liegen 3 wichtige internationale Studien über die Massai Barfuß Technologie und deren Auswirkungen auf das Gangbild des Menschen vor.

    Die 1. Studie wurde vom Human Performance Laboratory in Calgary, Kanada, durchgeführt. Darin wurde nachgewiesen, dass die MBT…

    – die Drehbeweglichkeit des Fußgelenks, und zwar insbesondere die Plantarflexion (Fußbewegung nach unten), und die Inversion des Fußes (Einwärtsverdrehung) steigert,

    – die Impulse des unteren Fußgelenks auf das Kniegelenk reduziert, sodass das Knie weniger wiederkehrenden Drehbeanspruchungen ausgesetzt ist (27 % weniger Belastung),

    – den Sauerstoffverbrauch des Schuhträgers um 2,5 % vermehrt,

    – die Bewegung im mittleren Belastungspunkt, dem „Center of pressure“ (COP), beim Stehen erhöht, wodurch die Kraft auf einen größeren Fußbereich verteilt wird. Eine starke Krafteinwirkung auf einen kleinen Bereich des Fußes führt bei wiederholtem Aufsetzen des Fußes über längere Zeiträume zu erhöhten Verletzungsraten.

      Aufgrund dieser Erkenntnisse melden die Wissenschaftler, dass die MBT-Schuhe die Muskeln im Fuß- und Gelenkbereich kräftigen, indem sie das Fußgelenk entlasten. Allerdings wurde diese Studie nur mit einer kleinen Gruppe von Teilnehmern (8 Personen) durchgeführt.

      Zudem erfolgte die Analyse bei einer geringen Laufgeschwindigkeit, sodass die Ergebnisse nur begrenzt von Nutzen sind.

       

      Die 2. große wissenschaftliche Untersuchung wurde von der Sheffield Hallam University durchgeführt und beschäftigte sich mit der Ganganalyse. Hier eine kurze Zusammenfassung der Studienergebnisse:

      – Der Schuh verhindert ein zu starkes Vorbeugen: Die MBT fördert eine aufrechte Haltung, was eine positive Wirkung auf die Belastung beim Auftreten hat.

      Je größer die Entfernung des Fußes beim Kontakt mit dem Boden ist, desto größer ist die Bremskraft, die auf den Körper wirkt. Den Autoren zufolge führt die MBT demnach zu einer Reduzierung der Bremskräfte, was aus mechanischer Sicht auch einleuchtend ist, denn alles, was einen aufrechteren Gang fördert, führt zu einer besseren Effizienz und Entlastung des gesamten Bewegungsapparats.

      – Größerer Beugewinkel der Knöchel: Durch die Schaukelbewegung des Schuhs wird der Fuß beim Gehen stärker gebeugt. Dies bewirkt ein Abrollen des Fußes, was für eine gleichmäßige Verteilung der Belastung im Fuß sorgt, sodass der Körper die einwirkenden Kräfte schnell und ohne Verletzung absorbieren kann.

      – MBT reduziert gelegentliche Belastungsspitzen: Temporäre Kräfte, die infolge der Stoßbelastung beim normalen Gehen und Laufen auf den Bewegungsapparat einwirken, sind eine Hauptursache für das Entstehen vieler Muskel-Skelett-Erkrankungen, wie Arthrose, Ermüdungsbruch (Stressfraktur) und plantare Fasciitis (Whittle, 1999).

      – MBT-Schuhe erhöhten die Muskelaktivität der Waden, hinteren Oberschenkelmuskulatur und der Gesäßmuskulatur, verminderten jedoch die Aktivität der Haltemuskulatur der Wirbelsäule. Dies kommt möglicherweise durch die aufrechtere Haltung und den größeren Vortrieb.

         

        In Edinburgh verglich ein 3. Forscher-Team die plantare Druckverteilung beim Gehen an 22 Probanden, die sowohl MBT- als auch normale Turnschuhe trugen. Für die Schuhe nach der Massai- Barfuß-Technologie sahen die Ergebnisse wie folgt aus:

        – Reduzierung des Drucks auf die Ferse (wahrscheinlich aufgrund des MBT-Designs, da im Fersenbereich keine Cutaway-Zone vorhanden ist),

        – Reduzierung des maximalen Drucks auf den Mittelfuß (21 % weniger Belastung) und die Ferse (11 % weniger Belastung),

        – Größerer durchschnittlicher Druck im Zehen- und Vorderfußbereich, im Mittelfuß und in der Ferse kleiner,

        – Breitere Verteilung der Kraft im Fuß durch eine Verschiebung des Centre of Pressure (COP).

           

          Fazit

          Bei Personen, die an Erkrankungen wie z.B. Arthrose oder anderen degenerativen Gelenkerkrankungen leiden, kann die verminderte Belastung der Gelenke infolge der Schaukelbewegung beim Tragen des MBT-Schuhs positive Auswirkungen haben. Da die Sohle jedoch über die gesamte Länge gekrümmt ist, eignet sich der Schuh hauptsächlich für Aktivitäten, die in einer Ebene stattfinden, z.B. Laufen oder Joggen auf einer geraden Strecke. Durch die große und wuchtige Sohle ist der Schuh für multidirektionale Sportarten (wie z.B. Squash, Tennis oder Mannschaftssportarten), bei denen es auf Griffigkeit, Leichtigkeit, Haltbarkeit etc. ankommt, weniger geeignet. Laut Hersteller zeigt der MBT-Schuh seine Wirksamkeit auch beim Joggen, nachweisbar sind diese Aussagen allerdings nicht. Für Sportler, die mehr mit dem Mittelfuß oder sogar Vorderfuß auftreten, dürfte diese Sohlenform sicherlich weniger interessant sein. Das Fazit: Kein technisches Gerät kann ein gut aufgebautes und ausgewogenes Konditionsprogramm mit Übungen zur Kräftigung der Fußmuskulatur ersetzen. Wer auf Nummer Sicher gehen will, sollte daher besser noch nicht alle Sportschuhe aussortieren und sich ganz der Massai-Barfuß-Technik verschreiben.
           

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