Wettkampfregeln: Wir wollen wieder mehr Judo sehen…

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Die ersten internationalen Wettkämpfe im Judo sind vorbei. Zeit, um über die Auswirkungen des neuen Regelwerkes nachzudenken, die ersten Schlüsse zu ziehen und Experten zu Wort kommen zu lassen.

Wie schon nach dem letzten Olympiazyklus gab es nun wieder Wettkampfregeländerungen der IJF. Und erneut entstehen dadurch viele Diskussionen, Unverständnis auf der einen Seite und Erklärungsversuche und positive Sichtweisen auf der anderen Seite. Aber was genau wurde nun verändert? Welche Folgen hat dies für unsere Sportart? Was bringen uns diese Regeln? Weshalb will die IJF diese Änderungen? Was will man damit bewirken? In den folgenden Artikeln werden die neuen Regeln einfach erklärt, Experten kommen zu Wort und erste Untersuchungsergebnisse werden aufgezeigt.

Judo ist eine moderne Sportart. Eine Sportart, die sich zeitgemäß entwickelt und dadurch für die Olympischen Wettbewerbe immer interessant bleiben wird, unter anderem auch wegen den sich dauernd ändernden Wettkampfregeln. Dies bestätigte auch Frank Wieneke als Kommentator vor ein paar Wochen beim Grand Prix in Düsseldorf.

Aber was wurde nun präzise verändert? Welche Regeln gelten nicht mehr? Welche Regeln sind neu? In der folgenden Grafik wird das neue Regelwerk, welches in einer Testphase seit 1. Februar diesen Jahres erprobt wird, kurz zusammengefasst und ergänzt mit einer Begründung der IJF:

Regel Veränderung Begründung
Technische Wertung „Ippon“ Der Uke muss mit einem Aufprall des Rückens auf der Tatami landen. Einen „gerollten“ Ippon gibt es nicht mehr, dieser wird mit Waazari bewertet. Das Ziel eines Kampfes oder eines Kämpfers sollte klar definiert sein und auch für die Zuschauer verdeutlicht werden.
Landung in der Brücke Landet Uke nach einer Technik in der Brückenlage, wird die Technik mit Ippon bewertet. Diese „Verteidigung“ wird als gefährlich betrachtet und soll in Zukunft vermieden werden.
Strafenregelung Nach wie vor werden Strafen verteilt, diese werden jedoch nicht wie bisher als Wertung für den Gegner gut geschrieben. Die Strafen sind nur entscheidend, wenn keine Wertungen erzielt werden, der Kampf im Golden Score endet oder jemand eine 4. Strafe erhält und damit disqualifiziert wird.

Die Wertung an sich soll dadurch mehr Bedeutung bekommen, da in der Vergangenheit zu viele Kämpfe ausschließlich durch Strafen entschieden wurden.

Hat ein Kämpfer z. B. 3 Bestrafungen auf seinem Konto, hat sein Gegner noch keinen Vorteil bezüglich einer Wertung. Mit einer Wertung kann er den Kampf noch für sich entscheiden.

Bestrafungen „Shido“

– wenn der Griff mit beiden Händen gelöst wird

– wenn bei „Cross grip“ (wie bisher mit Gürtelgriff oder einseitigem Griff) nicht sofort angegriffen wird

– wenn jemand den Griff verhindert

– wenn jemand nicht schnell seine Kumi-kata ergreift

– wenn jemand seinen Gegner beim Werfen umklammert (als „Bear hug“ bekannt)

Der Griffkampf soll aktiv und konstruktiv sein, mit dem Ziel wieder mehr „Judo“ und „Techniken“ zu sehen. Der Griffkampf nahm in der Vergangenheit vermehrt Überhand und aktives spektakuläres Judo wurde somit verhindert.

Bestrafungen „Hansoku-make“ Wenn im Stand mit einer oder beiden Händen unterhalb des Gürtels angegriffen oder geblockt wird.

Judo soll leichter bewertbar und somit der Öffentlichkeit auch näher gebracht werden. Der direkte Beinangriff wurde schon beim letzten Olympiazyklus gestrichen und die Folge war, dass einige Techniken verschwanden, jedoch auch spektakuläre Techniken wieder vermehrt beobachtet werden konnten. Der Beingriff als Verteidigung wurde nun verboten, damit diese Regel noch deutlicher und klarer wird, sowohl für die Schiedsrichter als auch für die Zuschauer.

Halte- und Würgegriffe, Armhebeltechniken

– Neue Osaekomi-Zeiten: 10 Sekunden Yuko, 15 Sekunden Wazaari und 20 Sekunden ergeben Ippon

– gelten auch außerhalb der Wettkampffläche, wenn sie innerhalb der Kampffläche erarbeitet wurden, bzw. ihren Anfang finden

Die Osaekomi-Zeiten werden gekürzt, damit der Kampf interessanter wird. Es wurde analysiert, dass sich höchst selten jemand nach 20 Sekunden noch befreien kann.

Zu oft wurden in der Vergangenheit durch Mattenflucht die Kämpfe bzw. erfolgreiche Bodentechniken abgebrochen. Die einzige Verteidigungsmöglichkeit, die bleibt, ist sich zu befreien.

Verbeugung

Die Kämpfer sollen gleichzeitig zum Eingang der Kampffläche gehen, gleichzeitig die Matte betreten und sich auch gleichzeitig zueinander verbeugen.

Die Kämpfer dürfen sich vor Kampfbeginn nicht die Hände schütteln.

Die Judowerte und das Zeremonielle in der Sportart Judo soll dadurch wieder an Wichtigkeit gewinnen und nicht verändert werden. Am Ende des Kampfes, nach der Verbeugung, ist es den Kämpfern erlaubt, sich die Hände zu schütteln und sich mit Respekt zu gratulieren.

Golden Score Es gibt kein Zeitlimit mehr für Golden Score und somit auch keine Hantei-Entscheidungen mehr.

Ziel eines jeden Judoka soll es bleiben, ein Ippon zu erreichen. In der Vergangenheit wurden zu viele Kämpfe per Hantei entschieden. Golden Score ist nun „offen“, bis ein Kämpfer einen Vorteil erzielt oder bestraft wird. Ein Kampf soll auf Grund der technischen Fertigkeiten eines Judoka entschieden werden.

Kampfrichter und Außenrichter Nur noch ein Kampfrichter leitet das Wettkampfgeschehen auf der Matte. Er oder sie wird durch einen Außenrichter per Funk assistiert. Unterstützt werden beide durch ein Mitglied der Kampfrichterkommission oder einen weiteren Kampfrichter. Ein Rotationssystem wird für die Kampfrichter eingeführt. Die IJF-Kommission wird nur dann eingreifen, wenn sie es für notwendig erachtet.

Noch immer leiten mit diesem System 3 Kampfrichter das Wettkampfgeschehen. Mit einem Kampfrichter auf der Matte soll der Kampf übersichtlicher für den Zuschauer werden. Das Ziel des Einsatzes der Videoanalyse ist es, dass der richtige Kämpfer als Gewinner die Matte verlässt. Eine Rotation wird unter den Kampfrichtern organisiert, um die Fairness zu den Kämpfern aufrecht zu erhalten und eine optimale Erholung der Kampfrichter zu gewährleisten.

Waage Die neue Regelung gilt nur bei den Senioren. Es wird am Vortag um 19 Uhr gewogen. Ein weiteres Wiegen findet am Morgen bei der Judogikontrolle statt, also direkt vor dem Kämpfen. Dieses neue Verfahren soll dazu beitragen, den Wettkampftag für die Athleten, Trainer und Ausrichter zu verkürzen. Es soll aber auch die Gesundheit der Athleten schützen. Die Organisation des Wiegens am Tag vor dem Wettkampf wird versuchsweise durchgeführt. Es wird festzustellen sein, ob es gut ist und den Athleten hilft, Verletzungen aufgrund zu großer Gewichtsabnahme zu vermeiden. Dieser Test wird von den Ärzten der IJF genau beobachtet werden. Er kann zu jeder Zeit gestoppt werden, falls die Beobachtungen nicht positiv sind.

 

Fazit

Es bleibt abzuwarten, wie das Regelwerk in der Testphase angewendet und interpretiert wird. Interessant sind die Reaktionen der Trainer und Athleten. Welche technisch-taktischen Anpassungen sind bei den Sportlern zu beobachten? Werden einige Athleten in einer neuen Gewichtsklassen starten, weil das Wiegen nun am Vorabend stattfindet? In den folgenden Artikeln kommen zu diesem Thema Trainer, Athleten, Kampfrichter und Funktionäre zu Wort und erste Beobachtungen werden mit Statistiken und wissenschaftlichen Untersuchungen ergänzt.

 

Karin Ritler Susebeek

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