Auch wer unter Zöliakie (oder „Gluten-Unverträglichkeit“) leidet, muss nicht auf Ausdauersport verzichten und kann so ein Stück Lebensqualität für sich gewinnen.
Unter der Bezeichnung „Gluten-Unverträglichkeit“ ist die Zöliakie vielen Menschen ein Begriff. Etwa 1 % der deutschen Bevölkerung ist davon betroffen. Die Zöliakie ist eine chronische entzündliche Erkrankung des Dünndarms und wird bei genetisch prädisponierten Menschen durch die Einnahme von glutenhaltigen Lebensmitteln ausgelöst. Durch die sehr unterschiedlichen klinischen Zeichen und einer oft nur gering ausgeprägten Symptomatik ist die Bestimmung der Krankheit erschwert. Betroffene müssen ihr Leben lang eine glutenfreie Diät halten. Damit lassen sich die Dünndarmveränderungen, die klinischen Symptome sowie die Langzeitfolgen der Erkrankung verhindern. Was beim Nichtsportler schon viel Wissen und Disziplin verlangt, stellt beim Sportler eine Herausforderung dar.
Wie einleitend beschrieben stellt die Zöliakie, auch Sprue oder Enteropathie genannt, eine durch Gluten ausgelöste entzündliche Dünndarmerkrankung dar. Bei den Betroffenen besteht eine Unverträglichkeit gegenüber den Klebereiweiß bzw. Gluten enthaltenden Getreidesorten Weizen, Roggen und Gerste sowie allen botanisch verwandten Sorten und allen Produkten mit deren Bestandteilen. Erstmals wurde die Erkrankung 1888 von einem englischen Kinderatzt namens Samuel Gee beschrieben. Lange Zeit erkannte man den Zusammenhang zwischen der Einnahme von glutenhaltigen Lebensmitteln und dem Ausbruch der Erkrankung nicht. Erst 1944/45 kam man der bestehenden Verbindung auf die Spur. (Lesen Sie auch: Das Reizdarmsyndrom: Der Bauch denkt mit)
Die Pathogenese
Bei Menschen mit bestimmten genetischen Voraussetzungen führt der Konsum von glutenhaltigen Lebensmitteln zu einer
Fehlregulation des mukosalen Immunsystems. Dies ist das Immunsystem des Verdauungstrakts. In den zuvor beschriebenen Getreidesorten ist Gluten ein sehr verbreitetes Protein. Es kann zur Schädigung der Darmschleimhaut beitragen. Die resultierende charakteristische Gluten-Unverträglichkeit, Zöliakie genannt, reicht von einer subtotalen bis hin zur totalen Zottenatrophie, bei der die Zotten der Dünndarmschleimhaut verkümmern. Auch eine Kryptenhyperplasie, bei der sich Zellen in der Darmschleimhaut vergrößern, kann die Folge sein. Zudem kann eine Einwanderung von T-Lymphozyten in die Darmschleimhaut beobachtet werden. Durch die krankhaft veränderte Darmschleimhaut können Nährstoffe schlechter aufgenommen werden, da die Resorptionsfläche verkleinert ist. Sie verbleiben unverdaut im Darm (siehe Abb.1).(1)
Genetische Faktoren sind entscheidend
Bei der Entstehung der Zöliakie, die familiär gehäuft auftritt, sind die genetischen Faktoren entscheidend. Neben gewissen HLA-DQ-Genen, denen eine Verantwortlichkeit zugeschrieben wird, sind vermutlich noch andere Gene involviert. Sie konnten jedoch zum heutigen Zeitpunkt noch nicht identifiziert werden. So wird außerdem postuliert, dass zusätzlich Umweltfaktoren wie zum Beispiel virale oder bakterielle gastrointestinale Infektionen eine Rolle bei der Entstehung spielen. Auch gewisse Medikamente können offenbar zur Auslösung einer Zöliakie beitragen. Häufig macht sich die Krankheit bei Säuglingen und Kleinkindern nach dem Einführen von glutenhaltigen Nahrungsmitteln bemerkbar. Entwickelt sich die Krankheit erst im Jugend- oder gar Erwachsenenalter, sind die Symptome oft weniger ausgeprägt und entwickeln sich eher schleichend.
Die Symptomatik
Bei Säuglingen und Kleinkindern kann es zu typischen Gedeihstörungen mit chronischen Durchfällen und Bauchschmerzen kommen. Die Symptomatik bei Jugendlichen und Erwachsenen ist vielfältig. Sie reicht von gastrointestinalen Beschwerden bis hin zu extraintestinalen Beschwerden wie Kleinwuchs, Untergewicht, Gelenkschmerzen, Blässe und Ödeme. Auch psychische Auffälligkeiten können im Zusammenhang mit einer unbehandelten Zöliakie auftreten. An Allgemeinsymptomen sind Müdigkeit und Erschöpfung aufgrund von Anämien und Eisenmangel zu nennen, sowie Folsäuremangel und andere Mangelzustände, diffuse Bauch- und Knochenschmerzen bis hin zu Spätfolgen wie der Osteoporose, Wachstumsretardierung, Zahnschmelzdefekte, Fertilitätsprobleme bei Frauen, Lebererkrankungen und psychische Störungen. Weiterhin ist die Zöliakie mit Autoimmunkrankheiten assoziiert. Diese treten bei Zöliakie-Patienten häufiger auf als in der Normalbevölkerung. Hierzu zählen hauptsächlich eine Hauterkrankung, Diabetes mellitus Typ 1 sowie andere neurologische Erkrankungen. Aufgrund erweiterter verbesserter Methoden in der Diagnostik hat sich das Erkennungsbild der Krankheit in den letzten Jahren noch einmal gewandelt. So wird zwischen einer „stillen Zöliakie“, einer „latenten Zöliakie“ und der „potentiellen Zöliakie“ unterschieden.(1)
Therapie der Zöliakie
Die einzige Möglichkeit, der Zöliakie entgegenzutreten, ist das Einhalten einer lebenslangen, strikten glutenfreien Diät. Es gibt keine Behandlungsmethode, die die Ursachen bekämpfen kann. Sollte die Erkrankung erst nach dem Eintreten verschiedener Komplikationen erkannt und mit einer dementsprechenden Ernährungsweise begonnen werden, ist bei Einhalten strikter Diät bei Jugendlichen und Erwachsenen erst nach 1–2 Jahren mit einer Regeneration der Darmschleimhaut und mit voller Belastbarkeit zu rechnen. Schon geringe Diätfehler beeinträchtigen das Allgemeinbefinden und die körperliche Leistungsfähigkeit. Intensive Trainingseinheiten können das unerkannte Krankheitsbild sogar verschlechtern. Dies macht es für Sportler besonders knifflig. Auf Wettkämpfen, die mehrere Tage andauern, im Trainingslager und immer dann, wenn Außerhausverpflegung angesagt ist, müssen betroffene Athleten besonders aufpassen. Oftmals wissen Gastronomen, obwohl glutenhaltige Getreide und daraus hergestellte Erzeugnisse immer auf Verpackungen deklariert werden müssen, selbst nicht, in welchen ihrer verwendeten Produkte Gluten enthalten sein könnte. Trotzdem, im Idealfall bei dauerhaft konsequenter Diät, gibt es nicht die geringste Einschränkung beim Sport. Wenn Sie als Sportler gewisse Dinge beachten und dementsprechend aufgeklärt sind, können Sie sportlich gesehen durchstarten. Mit dem Wissen, dass an Zöliakie erkrankte Menschen häufig einen niedrigeren Konsum an Kohlenhydraten und Ballaststoffen aufweisen als die allgemeinen Empfehlungen vorgeben, kann man in der Sporternährung gut arbeiten. Zumal eine fett-eiweißbetonte Basisernährung im Sport vielen Athleten gut bekommt. Außerdem ist es wichtig, bei Sportlern mit Zöliakie regelmäßig die Versorgung mit Mikronährstoffen mittels Blutanalyse zu checken. Gerade Eisen- und Folsäuremangel müssen aktiv gesucht und gegebenenfalls mit therapeutischen Dosen mithilfe von Supplementierungen behandelt werden. Auch die Lebensmittelindustrie zieht mit: so gibt es immer mehr Riegel, Gels und Getränke, die weder Laktose noch Gluten oder Fruktose enthalten.(2,3)
Für Zöliakiebetroffene gilt bezüglich ihrer Ernährung:
– Strikt zu meiden sind Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel, Grünkern, Kammut, Emmer, Triticale, Einkorn sowie alle daraus hergestellten Nahrungsmittel und Speisen wie Brot, Gebäck, Teigwaren, Flocken, Paniertes, Mehlsoßen etc.
– Erlaubt sind – da natürlicherweise glutenfrei – aus der Gruppe der Kohlenhydratlieferanten Kartoffeln, Reis, Mais, Buchweizen, Amaranth, Quinoa, Hirse und Hülsenfrüchte. Dazu kommen unverarbeitete Grundnahrungsmittel wie Milch, Fleisch, Fisch, Eier, Gemüse, Obst, Pflanzenöle und Zucker.
– Vorsicht ist geboten bei sämtlichen Fertigprodukten. Lesen Sie die Deklaration auf den Produkten sehr sorgfältig, um sicher zu gehen, ob das Produkt geeignet ist. An der Zutatenliste lässt sich erkennen, ob zur Herstellung rezepturmäßig glutenhaltige Zutaten verwendet wurden. Beispiele sind: Weizenmehl, Weizenstärke, Gerstenmalzextrakt, Sojasauce (mit Weizen), etc.
– Im Handel sind außerdem glutenfreie Spezialprodukte erhältlich. Somit existieren Alternativen zu glutenhaltigen Produkten wie Mehl, Brot und Teigwaren. Gekennzeichnet sind diese Produkte mit dem „glutenfrei-Symbol“.
– Wichtig ist es für Betroffene mithilfe von Ernährungsberatern in hohem Maße aufgeklärt zu werden und eine neue Ernährungsweise für sich zu entdecken. Mit möglichst wenig Verzicht und vielen leckeren Alternativen!
– Tipp: Nutzen Sie Internetnetzwerke, dort finden Sei zahlreiche Rezeptideen.
– Die meisten handelsüblichen Sportgetränke sind glutenfrei. Allerdings ist bei einem Aufenthalt im Ausland Vorsicht mit Fertiggetränken geboten.
– Im Trainingslager und auf Reisen sollten Sportler immer ausreichend Spezialprodukte wie Riegel, Toast oder Brot dabei haben und auch Maltodextrin, um Getränke anreichern zu können.
Achten Sie auf Ihren Darm!
Ihr Darm ist ein wichtiger Baustein in der Funktionsvielfalt Ihres Organismus. Eine funktionierende Darmflora ist für Ihr Immunsystem ebenso wichtig, wie für die Aufnahme wichtiger Nährstoffe und Energieträger. Gerade das ist aber für Sportler ein wichtiger Aspekt, so dass das Auftreten von Problemen wie eine Glutenunverträglichkeit zu Einbußen in der Leistungsfähigkeit führen kann! Ist eine Erkrankung erkannt, stellt dies den Sportler vor das Problem, dass Weizen, Roggen, Gerste und Hafer unverträglich sind. Gerade diese Getreidesorten stellen jedoch einen wichtigen Grundstock im Sichern des Kohlenhydratbedarfs dar! Gerade Ausdauersportler müssen also darauf achten Ihren Energiebedarf über Reis, Kartoffeln, Mais oder Hirse zu decken. In keinem Fall darf eine erkannte Zölliakie zu einem Abbruch der sportlichen Tätigkeit führen. Im Allgemeinen dürften sich Symptome wie eine allgemeine Müdigkeit bedingt durch Eisenmangel oder auch Schwindel und Bauchschmerzen im Rahmen einer Diät verbessern. Das Aufnehmen eines sportlichen Trainings kann insgesamt helfen, die Darmtätigkeit zu optimieren, das Immunsystem zu unterstützen und die Leistungsfähigkeit insgesamt zu verbessern!
Wenn Sie also die wenigen Ratschläge beherzigen, sind Sie durchaus in der Lage auch herausragende sportliche Leistungen zu verbringen. Das kann sogar ein Marathonlauf oder ein Langdistanz-Triathlon sein. Insofern keine akuten Probleme vorhanden sind, stellt eine Zölliakie nicht unbedingt eine Einschränkung dar. Allein Ihre Wettkampfnahrung und auch die Sportgetränke müssen auf eine Glutenunverträglichkeit ausgerichtet sein, so dass Sie während der sportlichen Betätigung ausreichend mit Nährstoffen und Flüssigkeit versorgt sind.
Literaturangaben:
1. Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin (2010), Bd. 8 (3), S. 7–10
2. Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin (2010), Bd. 8 (3), S. 11–15
3. Deutsche medizinische Wochenschrift (2007), Bd. 132 (4), S. 155–160
Fachsprache
Prädisposition – Fachausdruck für die ererbte, genetisch bedingte Anlage oder Empfänglichkeit für bestimmte Krankheiten
Mukosales Immunsystem – Immunsystem der Darmschleimhaut
Kryptenhyperplasie – Hyperplasie ist die medizinische Bezeichnung für die Vergrößerung eines Gewebes durch Zellteilung (in diesem Fall der Krypten in der Dünndarmwand)
Gastrointestinal – Das Verdauungssystem betreffend