Die ansteigenden Leistungen im Männer-Tennis, wie die donnernden Aufschläge des neuen Wimbledon-Champions Goran Ivanisevic veranschaulichen, können wahrscheinlich nicht mit der Einnahme von Kreatin erklärt werden. Dies besagen zumindest die Ergebnisse einer neuen Studie aus Belgien, der Heimat der Weltranglisten-Zweiten Justine Henin.Die Studie an 8 gut trainierten jungen Tennisspielern war darauf ausgerichtet, den Effekt akuter Kreatin-Einnahme auf die Schlagqualität während eines simulierten Wettkampfspiels zu untersuchen.
In den letzten 10 Jahren ist Kreatin einer der populärsten Nahrungszusätze im Sport geworden, und das auch im Tennis. Bei einer Einnahme über kurze Zeiträume hat sich gezeigt, dass sich dadurch der Kraftausstoß in verschiedenen Arten von kurzen Maximalsprintübungen, Wiederholungssprüngen und verschiedenen Widerstandsübungen verbessert. Außerdem lassen manche Ergebnisse schlussfolgern, dass die Leistungsvorteile bei kurzen, wiederholten Übungen mit maximaler Intensität am größten sind, so wie sie beim Tennis vorkommen.
Daher stellten die Forscher die Hypothese auf, dass die Versorgung mit Kreatin die Schlagleistung beim Tennis verbessern könnte, indem es direkt auf die Armkraft und –Energie einwirkt und/oder die stoßweise abzurufende Sprintleistung fördert, was eine bessere Positionierung zum Zeitpunkt des Schlags ermöglichen würde.
In der belgischen Doppelblind-Studie wurden die Probanden nach dem Zufallsprinzip 2 Versuchsprotokollen zugeordnet, die 6 Tage dauerten und von einer 5-wöchigen „Reinigungs“-Periode unterbrochen waren. In den ersten 5 Tagen jedes Protokolls erhielten die Probanden entweder Kreatin (20 g Kreatin-Monohydrat-Pulver täglich) oder ein ähnlich schmeckendes Placebo (inaktive Substanz). Am Tag 6 machten sie den Leuven-Tennis-Leistungstest, der darauf abzielt, die Schlagqualität von Wettbewerbs-Tennisspielern unter Match-ähnlichen Bedingungen zu bewerten. Dabei wurden 4 Spiele à 10 Ballwechseln durchgeführt.
Als die Ergebnisse der 2 Testreihen analysiert und verglichen wurden, fanden die Forscher heraus, dass die Kreatin-Zufuhr weder die Kraft noch die Präzision der Schläge von den Probanden signifikant beeinflusste. Sie schlossen daraus: „So demonstrieren die aktuellen Daten deutlich, dass durch eine akute, hoch dosierte Kreatin-Zufuhr keine Leistungssteigerung bei Elite-Tennisspielern erreicht wird.“
Allerdings schlossen sie nicht die Möglichkeit aus, dass eine langfristige Kreatin-Zufuhr, mit ihrem stimulierenden Effekt auf das Muskelwachstum, immer noch ein Faktor sein könnte, der die Schlagqualität und die Sprintkraft im Spiel fördert.
Isabel Walker
International Journal of Sports Medicine, 2001, Bd. 22 (1), S. 76–80