Laktat galt lange als typischer Parameter zur Bestimmung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Fixe Schwellenmodelle und eine einseitige Betrachtungsweise sind nach neuesten Erkenntnissen nur bedingt zur Analyse geeignet. Es gilt, die Rolle von Laktat differenzierter und detaillierter zu betrachten.
Leistungsdiagnostiker testen Sportler typischerweise mittels eines sportartspezifischen Stufen- oder Rampenprotokolls. Dies bedeutet: Der Athlet durchläuft nach einer Ruhemessung unterschiedliche Stufen mit steigender Belastung. Beispielsweise beginnt auf dem Laufband ein Protokoll mit einer Anfangsgeschwindigkeit von 8 Kilometern pro Stunde. Alle 3 bis 5 Minuten erhöht sich die Geschwindigkeit um 2 Kilometer pro Stunde. Die jeweilige Stufendauer ist so gewählt, dass sich der Stoffwechsel hinsichtlich der Laktatproduktion auf einem Plateau einpendelt. Am Ende jeder Stufe entnimmt der Diagnostiker an der Fingerkuppe oder dem Ohrläppchen einen Tropfen Blut, aus dem er später die Blutlaktatkonzentration bestimmt. An dieser Stelle sei angemerkt, dass sich Muskel- und Blutlaktatkonzentration wesentlich unterscheiden. Mit steigenden Intensitäten erhöht sich entsprechend die Laktatkonzentration und es ergibt sich ein Kurvenverlauf, der mit zunehmender Intensität überproportional ansteigt. Bei gut ausdauertrainierten Personen zeigt sich bei geringen Intensitäten vorerst ein Absenken des Ruhelaktatspiegels, der bei etwa einem Millimol pro Liter liegt. Grund dafür ist, dass ausdauertrainierte Personen bei geringen Intensitäten vermehrt Laktat zur Energiegewinnung nutzen können, Somit übersteigt in diesen geringen Intensitätsbereichen der Laktatabbau die Laktatproduktionsrate. Dieses Phänomen ist einer der Gründe dafür, warum Auslaufen oder Cool-down-Strategien zu einer beschleunigten Regeneration führen können.
Stufenmodell und Rampentest
Der Sportwissenschaftler interpretiert die aus dem Test resultierende Laktatkurve. Dabei spielen vor allem signifikante Punkte des Laktatanstiegs, in Verbindung mit den meist parallel erhobenen Herzfrequenzwerten, eine entscheidende Rolle. Je nach angewandtem Stufenmodell hat man so unterschiedliche Intensitätsbereiche und Trainingszonen sowie den aktuellen Leistungsstand des Athleten definiert. Diese Vorgehensweise ist in ihren Grundzügen nachvollziehbar und zielorientiert. Grundlage ist die Annahme, dass Laktat der finale Output der Stoffwechselkette und somit der Energiebereitstellung ist. Unter dieser Annahme dient die Beschreibung der klassischen „Übersäuerung“ als Erklärung für eine auftretende Muskelermüdung und Erschöpfung.
Dieser Sachverhalt wurde allerdings in den letzten Jahren um weitere Erkenntnisse ergänzt und teils sogar widerlegt. Aktuelle Studien zeigen nämlich, dass Laktat nicht nur leistungshemmende Eigenschaften hat, sondern auch der Energiebereitstellung dienen kann. Der Körper transportiert Laktat zwischen Geweben und Zellen im Rahmen steuernder und regulierender Prozesse. Zusätzlich berücksichtigen aktuelle Ansätze der Leistungsbestimmung neben dem reinen Blutlaktatwert weitere Aspekte. Auf Basis dieser Erkenntnisse sollte die Betrachtung des Metaboliten „Laktat“ wesentlich komplexer sein.
Weitere Faktoren sind zu beachten
Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit sind deshalb weitere Faktoren zu beachten:
• Die Laktatbildungsrate hängt, vereinfacht gesagt, mit der Ausdauerleistungsfähigkeit zusammen. Nachgewiesenermaßen produziert die Muskulatur von Ausdauersportlern bei gleicher Belastungsintensität im Regelfall weniger Laktat, als dies bei Untrainierten der Fall ist. Der Körper transportiert Laktat durch verschiedene Prozesse zu unterschiedlichen Geweben und Strukturen. Um die momentan benötigte Muskulatur möglichst zu entlasten, ist es vorteilhaft, wenn durch den erhöhten Blutfluss Laktat in Bereiche gelangt, wo es der Körper entweder puffert und später abbaut oder weiterverarbeitet. So kann beispielsweise in Herz und Leber Laktat verarbeitet werden. Dies ist aus physiologischer Sicht ein wesentlicher Aspekt der Leistungsfähigkeit und Belastungstoleranz bei mittleren bis hohen Intensitäten.
• Neben den rein physiologischen Aspekten spielt auch das subjektive Belastungsempfinden eine entscheidende Rolle. Beispielsweise ist die Toleranz hoher Laktatwerte schon rein aus Gründen der Disziplinspezifik bei Kurz- und Mittelstreckenläufern im Regelfall wesentlich besser ausgeprägt als bei Langstrecklern. Auch dieser Ansatz kann ein Teil der gesamten Trainingsstrategie sein und sollte nicht vernachlässigt werden.
Kohlenstoffdioxid-Sauerstoff-Verhältnis betrachten
In der Leistungsdiagnostik wird Laktat auch in Zukunft als Belastungsparameter dienen. Von kompetenten Diagnostikern muss es allerdings aus den genannten Gründen differenzierter betrachtet und bewertet werden. Eine aussagekräftige Interpretation einer Laktatkurve und Herzfrequenzkurve sollte man im Optimalfall in Verbindung mit einer Atemgasanalyse durchführen. Atemgasanalysen liefern zusätzliche Parameter wie Atemfrequenz und -volumen. Gleichzeitig lassen sich die unterschiedlichen Anteile der Energiebereitstellungswege des Athleten über das Kohlenstoffdioxid-Sauerstoff-Verhältnis von Einatem- und Ausatemluft bei der jeweiligen Belastung bestimmen.
Dieses Verfahren ermöglicht, in Verbindung mit der klassischen Laktatdiagnostik, zuverlässige Aussagen über den aktuellen Leistungsstand sowie eine individuelle und systematische Gestaltung des Trainings.
Lutz Herdener
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