Bei Laufverletzungen hilft Faszientraining

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Die Zahl der Laufverletzungen nimmt stetig zu! Krämpfe, Zerrungen, gereizte Sehnen und Bänder, Schmerzen in Knie-, Sprung-, Hüftgelenk oder Rücken sind leider keine Seltenheit mehr.

Die Zahl der Laufverletzungen nimmt stetig zu

Wie heißt es so schön, Laufen ist der Volkssport Nummer 1. Laufen ist beliebt, für jeden zugänglich und egal welche Statistik oder Umfrage herangezogen wird, Laufen ist immer unter den beliebtesten Sportarten. Dazu hat es großartige und wichtige Effekte auf das Herz- Kreislauf- System: Senkt den Blutdruck, reduziert das Risiko von Herzkrankheiten, senkt den Cholesterinspiegel, verringert den Ruhepuls… Die Liste ließe sich noch um einiges erweitern, aber die Zahl der Laufverletzungen nimmt stetig zu! Krämpfe, Zerrungen, gereizte Sehnen und Bänder, Schmerzen in Knie-, Sprung-, Hüftgelenk oder Rücken sind keine Seltenheit, denn das Laufen wird oft schlecht vorbereitet.

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Viele Läufer laufen mit schlechter Körperhaltung

Viele Läufer laufen mit schlechter Körperhaltung, ohne wirkliche Erwärmung und mit teilweise katastrophaler Lauftechnik. Man sieht kollabierende Sprunggelenke, sich beinahe berührende X- Beine, wankende Hinterteile und runde Rücken. Sie können sich selbst ausmalen, was es für unsere Gelenke bedeutet, wenn wir in dieser Haltung mehrere tausend Schritte absolvieren.

Dabei muss mehrere tausend Mal unser gesamtes Gewicht abgefedert werden. In guter Körperhaltung und bei richtiger Belastung, kein Problem! Wir sind zum Laufen geboren und alle für lebenslanges Laufen konzipiert (Starrett, 2014). Doch was bekommt man nun oft zu hören, wenn man mit Sprungelenks- oder Knieschmerzen beim Arzt sitzt: „Hängen Sie den Laufschuh an den Nagel“! Doch muss ich wirklich auf die tollen Effekte vom Laufen verzichten?

Oder gibt es einen anderen (sinnvolleren) Weg? Hier kommen wir das erste Mal auf unsere Faszien zu sprechen. Denn dieses erstaunliche Gewebe hat enormen Einfluss auf Schmerz, Bewegung und Lauftechnik. Das gezielte Training unserer Faszien stellt somit einen Schlüssel für schmerzfreies und effizientes Laufen dar.

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Was sind Faszien?

Aber was sind überhaupt Faszien? Kennen Sie bereits Faszien und ihren enormen Einfluss auf unseren Körper? Kennen Sie sie nicht, stehen Sie damit nicht allein. Faszien wurden oftmals recht stiefmütterlich behandelt und bestenfalls ignoriert oder bei Operationen seziert und entsorgt (R. Schleip, 2003). Jedoch würden wir unseren Faszien sehr unrecht tun, wenn wir sie lediglich als Muskelhülle oder Verpackungsorgan sehen.

Denn sie sind unser größtes Sinnesorgan und umhüllen und durchziehen jede Zelle, sind überall im Körper zu finden und haben weitreichende Einflüsse auf alle anderen Körpersysteme. Wichtig dabei ist, dass mit Faszien in unserer Definition das gesamte Netzwerk aus Faszien, Sehnen, Bändern, Sehnenplatten, Organ- und Gelenkkapseln gemeint ist. Ich spreche somit über das gesamte „systematische Bindegewebsnetz“ (T. Myers, 2016). Aufgrund der Vielseitigkeit würde es hier den Rahmen sprengen alle Eigenschaften genau zu betrachten.

Ich könnte allein mit den Eigenschaften der Faszien gesamte Artikel füllen, doch werde mich diejenigen konzentrieren, die den größten Einfluss auf Bewegung und Schmerz haben. Sie halten uns beweglich und geschmeidig! Werden Faszien allerdings fehlerhaft oder einseitig belastet, wird die Faszie verletzt. Sie können ausleiern, vertrocknen, verfilzen und adaptieren an Fehlhaltungen. Stellen Sie sich viel zu enge und verknotete Kleidung vor. Können und wollen sie sich so frei bewegen? Vermutlich nicht. Genauso ist es mit schlecht trainierten Faszien: Sie verlieren Ihre Beweglichkeit.

Faszien und Schmerzen

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Sie halten uns schmerzfrei! Faszien besitzen sehr viele Rezeptoren, darunter auch viele Schmerzrezeptoren. Kommt es zu Fehlbelastungen liefert unser Körper Rückmeldung in Form von Schmerzen und Verspannungen. Mit Sicherheit kennen Sie diese Probleme. Aber wussten Sie, dass oftmals gar nicht primär unsere Muskeln betroffen sind? Unsere Faszien besitzen rund 10 Mal mehr Rezeptoren als unsere Muskeln und es wird davon ausgegangen, dass sie bei rund 90% aller Rückenschmerzen (R. Schleip, 2015) direkt beteiligt sind.

Sie sind elastisch! Aufgrund ihrer Elastizität können sie Energie speichern und sehr schnell wieder abgegeben. Sie sind vergleichbar mit einem Gummiball oder einer Feder und sorgen dafür, dass wir uns nahezu ermüdungsfrei fortbewegen können. Diese fasziale Elastizität ist besonders beim Laufen von großer Bedeutung. Und das nicht nur beim Laufen, sondern bei allen Bewegungen die zyklisch und schnell ablaufen. (T. Myers, 2016). Darüber hinaus sind sie am Lymphsystem, dem Immunsystem, der Psyche, unserer Form und an der gesamten Reizweiterleitung im Körper beteiligt. Faszi(e)nierend oder?

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Schmerzen und Faszien

Häufige Laufverletzungen

– Verletzungen der Achillessehne: Entzündungen, Reizungen

Die Achillessehne ist Fasziengewebe.

– Knieschmerzen: Häufig liegt die Ursache in einem verklebten Tracuts Iliotibialis, welcher das Knie hohen Zugkräften aussetzt und Schmerzen verursacht. Dem sogenannten Läuferknie

Der Tractus Iliotibialis ist eine Verlängerung der großen äußeren Oberschenkelfaszie: Fascia Lata.

– Verletzungen der Bänder und Sehen: Überdehnungen & Risse, z.B. durch Umknicken

Bänder und Sehnen sind Fasziengewebe.

Schienbeinkantensyndrom: Bei diesem häufigen Überlastungssyndrom (bis zu 20% aller Trainingsausfälle bei Läufern) ist vor allem der M. Tibialis Posterior und der M. Soleus beteiligt. Aufgrund zu starker Pronation („Abknicken“ des Fußes nach innen) werden die Strukturen übermäßig stark belastet und geschädigt.

Zu den Schmerzen selber kommt es, weil der Sehnenansatz an der Knochenhaut (ebenfalls Fasziengewebe) überreizt ist.

-Muskelfaserrisse, Zerrungen und Verhärtungen: Reißt bei Muskelfaserrissen & Zerrungen wirklich die Muskulatur? Oftmals nicht! In vielen Fällen finden die Einrisse lediglich im umliegenden Fasziengewebe statt und die profunde Faszie (Muskelfaszie) wird geschädigt.

Was fällt auf? Das Fasziengewebe ist an allen Verletzungen, Überlastungen oder chronischen Schmerzen direkt oder indirekt beteiligt.

Die gute Nachricht: Wir können sie gezielt trainieren und den Urzustand des Körpers wiederherstellen.

Welche Strukturen sind beteiligt?

Ich werde mich bei den betroffenen Strukturen und später beim Faszientraining auf den Bereich des Sprunggelenks und des Unterschenkels konzentrieren. Mit Sicherheit sollte der Körper globaler betrachtet werden und die Hüfte und die gesamte Wirbelsäule nicht außer Acht gelassen werden.

Jedoch stellt der Unterschenkel beim Laufen einen wichtigen Schlüsselbereich dar und Themen wie Faszientraining für Hüfte und Wirbelsäule werden in späteren Artikeln und Videoreihen noch genauer betrachtet.

Plantarfaszie & Fascia Cruris

Als erstes betrachten wir die Plantarfaszie und die Fascia Cruris. Die Plantarfaszie ist eine dicke Faszienschicht, welche unter der Fußsohle verläuft und über das Fersenbein direkt in die Achillessehne verläuft. Diese wiederrum verläuft in die Fascia Cruris, eine derbe Faszienschicht, welche die Unterschenkelmuskulatur umhüllt. Die Fascia Cruris besitzt neben den Verbindungen zum M. Triceps Surae, auch welche zum M. Tibialis Posterior.

Dieser wirkt einer übermäßigen Pronation („Abknicken“ nach innen) eigentlich entgegen und ist somit entscheidend an der Fußhaltung beteiligt. Im Verbund sorgen diese Strukturen für eine gute Abfederung und Speicherung der Energie in der Fortbewegung. Somit ist die sog. Hysterese (Energieverlust) gering und wir können ermüdungsfrei gehen bzw. laufen. Durch verklebte und verletzte Strukturen wird jedoch die Hysterese erhöht, unsere Muskeln werden entgegen ihrer Funktion stärker belastet, unsere Energiespeicher (Glukosereserven) werden früher erschöpft und das Laufen wird weniger effizient.

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M. Tibialis Anterior & M. Peroneus Longus et. Brevis

Die Anzahl von Laufverletzungen nimmt stetig zu! Mit Faszientraining können Sie diese Probleme in den Griff bekommen.M. Tibialis Anterior & M. Peroneus Longus

Diese beiden Strukturen bilden im Verbund einen Steigbügel, welcher unter dem Fuß verläuft und entscheidend an der Fußposition beteiligt ist. Wie die Zügel eines Pferdes (T. Myers, 2010) bestimmen sie über Inversion und Eversion (nach innen oder außen kippen) des Fußes. Häufig sind besonders die Faszien & Muskelanteile des Peroneus Longus & Brevis konzentrisch (verkürzt) fixiert. In der Folge ist der M. Tibialis Anterior in der Exzentrik (Verlängerung) fixiert und das Fußgewölbe ist „eingefallen“. Zu erkennen ist das an einem „platten“ Fußgewölbe und schlechter Dämpfung beim Auftreten.

Training des Myofaszialen Gewebes

In der Folge werden wir Möglichkeiten aufzeigen, wie Sie Ihre Faszien gezielt auf das Laufen vorbereiten und nach der Belastung eine optimale Regeneration einleiten. Das wird den Zustand Ihrer Faszien verbessern und viele der oben genannten Überlastungserscheinungen, Verletzungen oder chronischen Schmerzen können therapiert oder schlichtweg vermieden werden!

Myo(muskel)fasziale Vorbereitung

Zur optimalen Vorbereitung der Faszien werden leicht federnde & wippende Bewegungen eingesetzt. Dabei werden Winkel und Geschwindigkeit möglichst häufig variiert. Denn Faszien reagieren vor allem auf das Spektrum an Variation und verschiedene Vektoren. Die Ausführung aller Übungen ist im Video zu sehen, sodass hier nur die Effekte beschrieben werden.

1.) Dynamischer Fersensitz: Bereitet alle Strukturen am Unterschenkel behutsam vor und sorgt dafür, dass die Sprunggelenke vorerst locker mobilisiert werden.

2.) Tiefe Hocke mit Bewegung der Knie: Die tiefe Hocke ist eine sehr effektive Position, welche Sprunggelenke, Knie, Hüfte und die Thorakolumbalfaszie mobilisiert. Diese natürliche Position haben wir als Kind allesamt perfekt beherrscht, doch mit ansteigendem Alter mehr und mehr „verlernt“. Durch die falsche Belastung (Stichwort Sitzen) gibt es oft beängstigende Einschränkungen und die Position muss nach weniger Zeit abgebrochen oder kann erst gar nicht eingenommen werden. Dann heißt es: „Ab runter in die Hocke und üben“!

3.) Ausfallschrittmatrix: Durch dreidimensionale Bewegungen werden viele Strukturen des gesamten Unterschenkels und der Hüfte angesprochen. Hierbei schlägt die Abwechslung die Wiederholungen und sie können ihrer Kreativität freien Lauf lassen.

4.) Aktivierende Sprünge: Die Sprünge im kurzen Dehnungsverkürzungszyklus (unter 200 ms) trainieren nochmals gezielt die Elastizität der Faszien. Ich empfehle für die Vorbereitung mindestens 7-10 Minuten einzuplanen. Sind ihre Sprunggelenke etwas eingerostet und immobil, sollten Sie sich etwas mehr Zeit nehmen.

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Myofasziale Regeneration

Als einleitende Regeneration eignet sich die myofasziale Selbstmassage mit Faszienrollen und Bällen. Streichen Sie sehr langsam das gesamte Gewebe aus und verharren Sie dabei auf druckhaften Knotenpunkten, bis der Druck etwas nachlässt. Auf diese Art und Weise werden verhärtete Knotenpunkte aufgebrochen und die „alte, verbrauchte“ Lymphflüssigkeit wird aus dem Gewebe gedrückt. In der Folge wird neue & frische Flüssigkeit eingelagert und die Regeneration wird nachweislich verbessert: weniger Ermüdung und Muskelkater (Mac Donald et al,2015; Pearcy, 2014).

Bei Schmerzen oder sehr festem Gewebe ist es ebenfalls empfehlenswert, die myofasziale Selbstmassage vor dem Sport oder an lauffreien Tagen anzuwenden. Vor dem Sport sollte man sich auf einzelne Knotenpunkte konzentrieren und nicht die gesamte Wade „ausrollen“. Dadurch wird wie beschrieben die Flüssigkeit aus dem Gewebe gedrückt und mit weniger Flüssigkeit sinkt die Elastizität der Faszien. Diese Federung ist beim Laufen allerdings essentiell und wird erst nach einiger Zeit zurückerlangt, wenn neue Flüssigkeit eingelagert wurde.

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Myofasziale Regeneration für Läufer

Fazit

Ja, Bewegung hält gesund! Ja, jede Form der Bewegung ist besser als wieder einmal den Nachmittag auf der Couch zu versauern! Aber, wir sollten mehr auf die Qualität der Bewegung achten. Faszientraining verbessert die Bewegungsqualität und die gesamte Körperhaltung. Die „echte Wende ist die Haltung“ (K. Starrett,2014), verbessert die gesamte Lauftechnik und sagt Verletzungen, Überlastungen und chronischen Schmerzen den Kampf an. Also hängen Sie bitte nicht ihren Laufschuh an den Nagel, sondern machen sie Faszientraining und kombinieren Sie es mit sinnvollen funktionellem Training.

Bestimmt auch spannend:Warum die Wiederherstellung der Faszienstruktur nach einer Verletzung unglaublich wichtig ist

Autor & Sportexperte: TIM AZALDO SCHWITTAY

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Quellen: (1) Kelly Starrett, Ready to Run. (2) FMT Heft (3) Robert Schleip Reportage Youtube (4) Thomas Myers. Anatomy Trains (5) MacDonald et al. (2014). Foam Rolling as a recovery tool after an intense bout of physical activity.Med Sci Sports Exerc. (6) Pearcey GE, Bradbury-Squires DJ, Kawamoto JE, et al. Foam rolling for delayed-onset muscle soreness and recovery of dynamic performance measures. J Athl Train. 2015;50(1):5-13.

 

Unser Tipp aus der Trainingsworld-Redaktion:

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