Halten „Wearables“ wirklich was sie versprechen?

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Die Marketingmaschinerie läuft perfekt: sogenannte „Wearables“ liegen derzeit voll im Trend. Immer mehr Freizeitathleten und Sportler nutzen die Fitnesstracker um sich zu motivieren und in Schwung zu kommen. Will man jedoch solide und realistische Ergebnisse, führt kein Weg am Brustgurt vorbei!

Allein 2015 verkauften sich weltweit 46 Millionen Geräte. Ziel ist die Erfassung und Auswertung von Daten. Das fängt z.B. bei der Anzahl der zurückgelegten Schritte an, geht weiter über die Messung von Herzfrequenz und Kalorienverbrauch bis hin zu den Schlafgewohnheiten.

Wie die Stiftung Warentest und Forscher um Peter Düking an der Universität Würzburg jetzt aber unabhängig voneinander ermittelt haben, gibt es noch einige Hürden für Wearables zu überwinden.

Lediglich zwei der zwölf von der Stiftung Warentest getesteten Fitnessarmbänder sind „gut“, zwei davon sind sogar „mangelhaft“. Einzig beim Laufen und Gehen liefern die Wearables wohl brauchbare Resultate! Aber schon bestimmte Armbewegungen, wie beispielsweise Schwimmen, Rudern oder Staubsaugen reichen aus, um die Ergebnisse zu verfälschen.

Die Messungen des Kalorienverbrauchs gleichen eher groben Schätzungen, und auch das Erfassen der Herzfrequenz am Handgelenk ist ungenau und kaum vertrauenswürdig. Zusätzlich konnte kein Produkt auch nur annähernd die Distanz einer Fahrradtour über zehn Kilometer ermitteln.

Zwei der Fitnessarmbänder von Jawbone sind im Test sogar stark mit dem Phthalat-Weichmacher DEHP belastet, der die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen kann!

Fairerweise möchten wir Ihnen die Stellungnahme von Jawbone nicht vorenthalten! 

Die genauen Testergebnisse der Stiftung Warentest erfahren Sie hier:

www.test.de/fitnessarmband

Das sagt der Experte von der Universität Würzburg

Trainingsworld hat mit Peter Düking von der Universität Würzburg über Einsatzmöglichkeiten und Limitation von Wearables im Sport gesprochen:

TW: Wearables boomen derzeit, was verstehen Sie darunter?

PD: Unter Wearables verstehe ich Geräte, die am Körper oder zumindest Körpernah getragen werden, welche verschiedene Parameter erfassen und analysieren können und dem Athleten eine Form von Feedback geben können. Dabei nehmen diese e auf dem Markt derzeit verschiedene Formen an: Es gibt sie als am Handgelenk getragene Uhr oder Armband, es gibt Wearables als Schmuck in Form von Ketten, als Kleidungsstück wie etwa eine Hose, ein Shirt oder ein Helm, sogar spezielle Ohrstöpsel gibt es mittlerweile. 

TW: Klingt ja als ob es eine ganze Menge gibt. Was können diese Geräte denn alles?

PD: Die Geräte versuchen ein weites Spektrum abzudecken. Einige Wearables versuchen verschiedene auf dem Herzschlag basierte Parameter wie die Herzfrequenz, oder die Herzratenvariabilität zu ermitteln. Andere versuchen etwa, die körperliche Aktivität, die Sauerstoffsättigung des Blutes, den Energieverbrauch, Muskelaktivitäten, Schlafparameter und die Körpertemperatur zu ermitteln. Es kommen auch immer mehr Wearables auf den Markt, die versuchen den Schweiß eines Athleten zu analysieren und die daraus gewonnenen Erkenntnisse nutzbar zu machen.

TW: Hört sich vielversprechend an. Wie ermöglichen die Fitnesstracker das denn alles?

PD: Dies kommt sicherlich durch die Fortschritte in der Technologie und das viele Sensoren immer kleiner und leichter werden. Dadurch stehen für die Erhebung vieler der eben aufgezählten Parameter bereits unterschiedliche Technologien zur Verfügung. Nehmen wir als Beispiel die Herzfrequenz: Zur Ermittlung dieses Parameters kann ganz klassisch ein Pulsgurt verwendet werden, allerdings setzen neuere Wearables häufig auf die Ermittlung der Herzfrequenz am Handgelenk. Bei Shirts hingegen können spezielle Fasern eingewebt werden, welche die Herzfrequenz detektieren. Allerdings bleibt hier anzumerken, dass alle diese Technologien ihre jeweiligen Vor-und Nachteile haben. So ist ein Pulsgurt vielleicht unkomfortabel, aber die daraus ermittelten Herzfrequenzen sind genauer als jene, die direkt am Handgelenk gemessen wurden, gerade beim Sport. Dies liegt schlicht und einfach daran, dass das Gerät am Handgelenk leicht wackeln kann, wodurch die Werte verfälscht werden.

TW: Bei der Auswahl an verfügbaren Wearables fällt es sich ja schwer zu entscheiden. Was empfehlen Sie denn dem Sportler, der im Sportgeschäft steht?

PD: Der Sportler kann direkt im Laden auf die verbauten Technologien achten. Nehmen wir das Beispiel der Herzfrequenz von eben: Legt der Sportler Wert auf genaue Ergebnisse, wäre eher ein Wearable mit Pulsgurt zu empfehlen. Ist dem Sportler aber eher der Komfort wichtig, wird er auf andere Wearables zurückgreifen müssen.

Ähnliches gilt beispielsweise auch für die Parameter „beim Sport zurückgelegte Distanz“ oder „Geschwindigkeit beim Sport“. Wearables verbauen zur Erfassung dieser Parameter Beschleunigungs- oder GPS Sensoren. Letztere liefern im Vergleich häufig bessere Ergebnisse, aber die Produkte sind auch meist teurer. Für welches Gerät sich der Sportler entscheidet, kann also auch eine Kostenfrage sein.

Da viele Personen sich ein Wearable zulegen vor dem Hintergrund, ihren Energieverbrauch zu ermitteln, sei hierzu noch kurz gesagt dass dies nur eine grobe Abschätzung sein kann, ob ich heute viel oder wenig Energie verbrannt habe. Sie müssen sich vorstellen, dass die meisten Geräte diesen Parameter schlicht über Beschleunigungssensoren und damit über die Bewegung der Person ermitteln (genauer: Bewegungen des Armes, da hier die meisten Wearables getragen werden), der Energieverbrauch aber nicht alleine von diesem Parameter beschrieben werden kann. Jeder Sportler sollte sich jedoch auch darüber bewusst sein, dass bei vielen derzeit erhältlichen Wearables nicht geklärt ist, mit welcher Genauigkeit und Zuverlässigkeit die angepriesenen Parameter im Einzelnen wirklich erhoben werden können. Hier ist also generell etwas Vorsicht geboten.

TW: Was wünschen Sie sich von zukünftigen Wearables?

PD: Was wir momentan auf dem Markt sehen sind Wearables, die zwar schon einiges, aber sicherlich noch nicht alles können. Beispielsweise gibt es nur wenige Geräte, die speziell im Hinblick auf eine Sportart entwickelt worden sind, obwohl verschiedene Sportarten unterschiedliche Anforderungen an den Athleten und damit auch an das Wearable stellen. Auch gibt es derzeit nur wenige Geräte die in der Lage sind, sportartspezifische Parameter zu erheben. Hier liegt noch großes Potential und weiterer Entwicklungsbedarf und ich würde mir wünschen, dass die Firmen hierfür eng mit der Wissenschaft zusammenarbeiten. Dadurch kann klar definiert werden, was die Bedürfnisse des Sportlers sind und die Hard- und Software des Wearable kann spezifischer entwickelt werden.

TW: Vielen Dank für das Interview

Peter Düking ist selbst aktiver Sportler, forscht am Institut für Integrative und Experimentelle Trainingswissenschaft an der Universität Würzburg und ist Editing Director für www.SportsandScience.de.

Er studiert an der Deutschen Sporthochschule und am Royal Melbourne Institute of Technology Sport- und Medizintechnik.

Weitere Interessante Links zu dem Thema Wearables im Sport: http://journal.frontiersin.org/article/10.3389/fphys.2016.00071/full

http://wiki.sportsandscience.de/wiki/wearables/

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