Plan B für das Schwimmtraining im überfüllten Becken

0

Das neue Jahr hat begonnen, viele Sportler starten mit guten Vorsätzen und hochgesteckten Zielen in die neue Saison. Wenn jedoch alle Ausdauersportler vor der kalten Witterung in die warmen Schwimmhallen flüchten, wird das individuelle Trainingsprogramm für den Einzelnen schnell zunichte gemacht.

Ambitionierte Schwimmer kennen die Situation: motiviert, mit ausgefeiltem Trainingsplan und einer genauen Vorstellung über die abzuspulenden Kilometer stehen sie vor der übervollen Sportschwimmerbahn einer örtlichen Badeanstalt. Nach einigen Bahnen im Wasser wird schließlich schnell klar, dass die anvisierte Trainingseinheit so nicht absolviert werden kann. Problematisch ist vor allem, wenn alle anderen Schwimmer auf der Bahn viel langsamer sind. Nicht selten schwimmen diese Brust, wenden raumgreifend und sind insgesamt so sehr abgelenkt, dass fortgeschrittene Athleten oft ausgebremst werden. Je inhomogener die Leistungsfähigkeit der Sportler auf einer Bahn ist, desto mehr Konfliktpotential birgt das. Schnell macht man sich als schnellerer Schwimmer unbeliebt. Vom Vereinstraining bekannte Verhaltensweisen, wie flottes Überholen (eventuell mit leichtem Körperkontakt) oder Rollwenden, können vor allem von Schwimmbadneulingen als aggressives Verhalten aufgefasst werden. Ein Trainingsprogramm mit hohem Umfang und damit mit vielen Überholmanövern wäre in diesem Fall kaum zu schaffen. Auch kurze Intervalle, die flottes Schwimmen und pünktliche Abgangszeiten voraussetzen, werden so nur schwer möglich. Machen Sie also aus der Not eine Tugend und fokussieren Sie sich auf andere Trainingsinhalte.

 

Schwimmen Sie langsamer

Passen Sie Ihre Geschwindigkeit den anderen Schwimmern an. Das geht natürlich nicht im Kraulstil. Beschränken Sie sich auf Teilabschnitte der Kraultechnik, um diese gezielt zu verbessern. Fokussieren Sie sich zum Beispiel auf den Beinschlag. Beinschlagtraining lässt sich durch verschiedene Variationen sehr herausfordernd gestalten. Sie kennen bestimmt das klassische Beinschlagtraining. Aber haben Sie es schon einmal mit Beinschlag in Rücken– oder Seitlage versucht? Probieren Sie es aus! Sie werden schnell merken, dass schon sehr kurze Strecken ausreichen, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Lassen Sie dabei ruhig das Brett als Hilfsmittel weg. Dieses verleitet ohnehin zu einer zu hohen und damit unspezifischen Kopfhaltung. Auch Technikübungen mit hohem Schwierigkeitsgrad eignen sich hervorragend, um aus den Gegebenheiten das Beste zu machen. Schwimmen Sie bewusst ungewohnte und neue Übungen, die Sie noch nicht oft absolviert haben. Einige haben wir Ihnen bereits vorgestellt:

Überwasserübungen

Einarmiges Kraulen

Doppelarmzug

– Scheibenwischer-Schwimmen.

  

Schwimmen Sie in Nebenlage

Zuletzt können Sie sich mal wieder Ihrer Nebenlage zuwenden. Auch wenn Sie in diesem Stil nicht im Wettkampf antreten werden, verbessert ein Training der Nebenlagen auch die Leistungen in der Hauptlage. So sollten Kraulschwimmer regelmäßig Rücken- oder Brustschwimmen integrieren und dies nicht nur als regeneratives Lockerungsprogramm in aktiven Pausen. So könnten Sie versuchen, über eine bestimmte Strecke im Bruststil an einem kraulschwimmenden Sportler dranzubleiben. So trainieren Sie wirksam, müssen den Vorausschwimmenden aber nicht überholen.

 

Schwimmen Sie intensiver

Nach einem Block mit dem Hauptaugenmerk auf Technikübungen oder den Nebenlagen kann wie gewohnt ein Training der spezifischen Ausdauer im Kraulschwimmen stattfinden. Auch auf sehr stark ausgelasteten Schwimmbahnen bieten sich immer wieder ausreichend große Lücken zwischen den einzelnen Sportlern, die eine oder zwei Bahnen am Stück ohne Auflaufen auf einen langsameren Schwimmer ermöglichen. Nutzen Sie diese Lücken für hochintensive Intervall, d. h. immer dann, wenn sich eine solche Lücke bietet, wird der zur Verfügung stehende Abschnitt im maximalen Tempo gekrault. Nach solch einem Intervall wird eine längere, nicht exakt vorgegebene Pause eingelegt. Sie schwimmen einfach immer dann los, wenn sich die nächste Lücke eröffnet. Die Belastung wird so hoch sein, dass die Wartepause bis zur nächsten Sprintgelegenheit willkommen und kurzweilig sein dürfte.

Eine weitere Trainingsalternative bietet das intensive Fahrtspiel. Hier liegt die Grundgeschwindigkeit sehr niedrig, also noch etwas unter der des gewohnten Dauerschwimmtempos. So können Sie ohne Eile auf langsamere Schwimmer Rücksicht nehmen und auch mal Ihr „Vorfahrtsrecht“ abtreten. Bietet sich jedoch eine Lücke, heißt es wieder: Vollgas. Nach dem Abschnitt in maximaler Geschwindigkeit folgt keine passive Pause, die Geschwindigkeit wird lediglich wieder auf Vorniveau abgesenkt, bis der nächste intensive Abschnitt beginnt. Die intensiven Anteile dieser Fahrtspielmethode wirken so stark ermüdend, dass das vergleichsweise langsame Grundtempo nicht unterfordernd sein wird. Wählen Sie für die intensive Fahrtspielmethode mittellange Strecken (400-600 Meter), die von kurzen passiven Pausen unterbrochen werden.

 

Trainingseffekt mit nur wenig Umfang?

Solch hochintensive Belastungen wirken sich äußerst positiv aus, auch wenn Sie im Wettkampf längere Strecken in niedrigen Belastungsbereichen schwimmen werden, zum Beispiel bei Ausdauerarten wie Langstreckentriathlon. Die positiven Effekte haben zwei Ursachen: Einerseits gelingt es bei solch hohen Geschwindigkeiten auf nur kurzen Teilabschnitten weit besser, die für eine effiziente Schwimmlage relevanten Technikcharakteristika (lange Gleitphase, kräftiger Abdruck und ausgeprägte Druckphase) zu „erfühlen“ und umzusetzen. Die langen Pausen garantieren, dass jede intensive Teilstrecke möglichst frisch angegangen werden und so immer eine hohe Technikqualität erreicht werden kann. Ebenso bedeutend sind die Trainingsreize, die Sie mit den maximalen Intervallen im konditionellen Bereich realisieren können. Direkt verbessern Sie hier die anaerobe Leistungsfähigkeit („Stehvermögen“), die Sprintfähigkeit (wichtig vor allem beim Start oder Tempowechseln), aber auch die aerobe Ausdauer, denn speziell intensive Belastungen fordern den gesamten Stoffwechsel und das Herz-Kreislauf-System maximal. Sie müssen also nicht immer hohe Umfänge im Grundlagenausdauerbereich zurücklegen, um eine Trainingseinheit als Grundlagentraining bezeichnen zu dürfen.

Beherzigen Sie die Tipps, wenn der ursprüngliche Plan einmal nicht umzusetzen sein sollte und passen Sie Ihr Training flexibel den Gegebenheiten an. Dann kann Sie auch das übervolle Schwimmbad am Jahresbeginn nicht aus der Ruhe bringen!

 

Daniel Kilb

Teilen

Über den Autor

Leave A Reply