Verletzungen im Frauenfußball

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In den letzten Jahren werden immer häufiger wissenschaftliche Studien zu Frauen- und Männersport durchgeführt. Ein großes Thema dabei sind Verletzungen. Folgender Beitrag zeigt, was im Frauenfußball als Verletzungsrisiko gilt und welche Trainingsempfehlungen sich daraus ergeben.

In den letzten Jahren werden immer häufiger wissenschaftliche Studien durchgeführt, die zeigen sollen, worin sich Frauen- und Männersport unterscheiden. Ein großes Thema dabei sind Verletzungen. Im Folgenden soll gezeigt werden, welche Verletzungsmerkmale sich tatsächlich unterscheiden und worin diese vermutlich begründet sind, welche Faktoren im Frauenfußball als Verletzungsrisiken gelten und welche Trainingsempfehlungen sich daraus ergeben.

Weltweit gilt Fußball als die Mannschaftssportart Nummer 1. Auch hierzulande sind über 6,7 Millionen Menschen im Deutschen Fußball-Bund (DFB) organisiert. Damit ist der DFB  der größte Sportverband im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Bemerkenswert dabei ist die stetig wachsende Zahl der fußballspielenden Frauen und Mädchen. Mittlerweile hat der DFB über 1 Million weibliche Aktive zu verzeichnen.

 

Fußballverletzungen im Fokus der Wissenschaft

Mit der steigenden Mitgliederzahl der Fußballverbände geht leider auch eine steigende Verletzungszahl einher. So stellen Fußballverletzungen den größten Anteil (ca. 35–40 %) der Sportverletzungen dar. Die Verletzungen im Männerfußball sind weltweit von wissenschaftlichem Interesse, Untersuchungen im Frauenfußball rücken erst in den letzten Jahren mehr und mehr in den Fokus der Wissenschaft. Um Daten aus verschiedenen Studien vergleichen zu können, benötigt man eine einheitliche Definition. So gilt eine Verletzung als ein Unfall, der den Spieler bzw. die Spielerin dazu zwingt, mindestens ein Spiel oder eine Trainingseinheit abzubrechen bzw. auszusetzen.

 

Verletzungshäufigkeit

Bei Untersuchungen der 1. Frauen-Fußballbundesliga wurde eine Verletzungsinzidenz von 2,5 Verletzungen je 1000 Stunden Spiel oder Training ermittelt. Anders formuliert: Es besteht für jede Spielerin eine 53 %ige Wahrscheinlichkeit, sich während einer Saison beim Fußball zu verletzen. Studien bei Männern ergaben eine höhere Verletzungswahrschein lich keit von ca. 69–75 %. Das kommt wahrscheinlich durch die athletischere und aggressivere Spielweise der Männer, was sich auch in den Verletzungsursachen zeigt. Bei beiden Geschlechtern ist der Zweikampf zwar die häufigste Ursache, bei Männern ist der Anteil der durch direkten Kontakt mit dem Gegner verursachten Verletzungen aber weitaus höher als bei den Frauen. Betrachtet man den Zeitpunkt der Verletzungen, sind keine geschlechtsspezifischen Unterschiede zu erkennen. Etwa 2 Drittel der Verletzungen finden während eines Spiels und nur 1 Drittel während eines Trainings statt. Insgesamt treten Verletzungen jeweils gegen Ende beider Halbzeiten gehäuft auf, wobei in der 2. Hälfte mehr Verletzungen zu beobachten sind. In der Trainingsplanung sollte dennoch berücksichtigt werden, dass vor allem bei Frauen häufig zu Beginn der Saison, oder sogar noch in der Vorbereitungsphase viele Verletzungen auftreten.(1)

 

Frauen erleiden häufiger schwere Verletzungen

Die Einteilung des Schweregrads einer Verletzung richtet sich nach der Dauer der anschließenden Verletzungspause. Fällt eine Spielerin für weniger als 1 Woche aus, handelt es sich um eine leichte Verletzung. Bei einer Rekonvaleszenzzeit von 1–4 Wochen ist es eine mittelschwere Verletzung. Kann die Spielerin erst nach mehr als 4 Wochen wieder am Training bzw. Spiel teilnehmen, spricht man von einer schweren Verletzung. Trotz der geringeren Verletzungshäufigkeit der Frauen weisen sie einen 5 % höheren Anteil von schweren Verletzungen auf.(1) Um eine Erklärung für diese Tatsache zu fi nden, muss man einen Blick auf die Lokalisation und Art der Verletzungen werfen. Dort zeigen sich erstaunliche Unterschiede.

 

Zu 80 % untere Extremitäten betroffen

Dass beim Fußball mit Abstand die meisten Verletzungen an den unteren Extremitäten auftreten, verwundert wohl niemanden. Das ist sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen so. Betrachtet man allerdings die genaue Lokalisation, zeigen sich Knie und Sprunggelenk an der Spitze bei den Frauen, wohingegen die Männer sich hauptsächlich am Oberschenkel verletzen. Auch die Hüfte/Leiste ist bei den Männern recht häufig betroffen, was bei den Frauen eine eher selten verletzte Region darstellt.(1) Mit Berücksichtigung der betroffenen Strukturen wird der Unterschied zwischen den Geschlechtern noch deutlicher.

 

Muskeln oder Bänder? – Der Geschlechtsunterschied

Bei Männern treten signifikant häufiger Muskelverletzungen auf. Diese betreffen dann, wie oben dargestellt, hauptsächlich den Oberschenkel oder die Leiste. Frauen hingegen erleiden häufi ger Bandverletzungen. Diese können von einer einfachen Bänderdehnung bis hin zum mehrfachen Bänderriss reichen. Am stärksten ist das Sprunggelenk (OSG) betroffen, aber auch im Kniegelenk sind sowohl das vordere Kreuzband (VKB) als auch die Seitenbänder (Innen- und Außenband) häufig betroffen. Gerade die Knieverletzungen, hier insbesondere der Kreuzbandriss, führen zu langen Verletzungspausen und können selbst nach Jahren noch andere Schädigungen nach sich ziehen. Daher sollte man herausfinden, warum 8 von 11 Kreuzbandrissen bei Fußballfrauen aus banalem „Hängenbleiben im Rasen“ resultieren.(1) Begünstigt etwa das Geschlecht das Auftreten dieser folgenschweren Verletzung?

 

Verletzung: Kreuzbandriss

In einer amerikanischen Studie wurde untersucht, ob es Hinweise im Verhältnis der Kraft von der vorderen zur hinteren Oberschenkelmuskulatur gibt, die eine Kreuzbandverletzung erklären. So konnte gezeigt werden, dass Frauen, die sich in einer Nicht-Kontaktsituation einen Riss des vorderen Kreuzbands zuzogen, bei vorangegangenen Tests einen geringeren Hamstring/Quadrizeps- Quotienten aufwiesen. Dieser H/Q-Ratio wurde durch isokinetische Krafttests der Kniestrecker und -beuger ermittelt und deutet auf neuromuskuläre Ungleichgewichte hin. Zudem wurde beobachtet, dass Frauen bei sportartspezifischen Bewegungsmustern wie Rennen und schnellen Richtungswechseln häufig mit einer größeren Valgusstellung (X-Bein) und einem geringeren Winkel im Kniegelenk agierten. Das hat eine veränderte Biomechanik zur Folge. Bezieht man noch die geringere Kraft der Hamstrings mit ein, kann man die Entstehung eines Kreuzbandrisses erklären. Denn in der beschriebenen Kniestellung zieht der relativ starke Quadrizeps (Kniestrecker) die Tibia nach vorn, wodurch es zu erhöhtem Stress auf das vordere Kreuzband kommt. Eine ausgleichende Co-Kontraktion der Kniebeuger könnte die Belastung auf das Kreuzband senken, diese Muskelgruppe kann aber durch das Missverhältnis nicht ausreichend aktiviert werden.(2) Um diese Ungleichgewichte zu reduzieren, genügt allerdings kein reines Krafttraining allein. Es muss mit plyometrischen Übungen oder Balancetraining kombiniert werden, um ein verbessertes Zusammenspiel der Muskulatur zu erreichen. Solche Erkenntnisse sind wichtig, bieten sie doch die Möglichkeit, gezielt diesen Risikofaktoren entgegen zu arbeiten und so vielleicht die Häufigkeit von Kreuz- bandverletzungen zu verringern. Wobei zu bedenken ist, dass die Bandbreite von Verletzungen allgemein von mehreren Faktoren abhängig ist. (Erfahren Sie mehr zum Thema unter: Stressreaktionen und Stressfrakturen im Fußball)

 

Der Menstruationszyklus

Der weibliche Organismus unterliegt aufgrund des Menstruationszyklus hormonellen Schwankungen. Die Dauer eines Zyklus kann interindividuell sehr verschieden sein und von 21 bis 36 Tage reichen. Die 1. Phase dient der Reifung des Follikels (später Eizelle). Im 2. Abschnitt, der Lutealphase, wird der Uterus auf eine mögliche Schwangerschaft vorbereitet. Viele Frauen nehmen diese Veränderungen durch mehr oder weniger stark ausgeprägte Symptome, wie z. B. Wassereinlagerungen, emotionale Labilität, Kopf schmerzen und Müdigkeit, wahr. Die Beschwerden treten besonders vor und während der Monatsblutung auf und werden als prämenstruelles Syndrom (kurz PMS) zusammengefasst.( 3) Untersucht man nun die Verletzungshäufi gkeit im Frauenfußball in Bezug zum Menstruationszyklus zeigt sich vor und während der Menstruation eine höhere Verletzungsrate. Diese steht in engem Zusammenhang mit dem Auftreten von Symptomen des PMS.

 

Die Pille gegen Verletzungen?

Einige Frauen nehmen die Pille nicht nur zur Empfängnisverhütung, sondern auch um die Beschwerden des PMS abzuschwächen. Außerdem wird dadurch die „beschwerliche Phase“ des Zyklus verkürzt. In diesem Zusammenhang weisen Spielerinnen, die die Pille nehmen, eine geringere Verletzungshäufigkeit auf. Damit soll der Pille aber keine verletzungs präventive Wirkung zugesprochen werden. Es wird lediglich vermutet, dass die Frauen aufgrund des besseren Allgemeinbefindens weniger verletzungsanfällig sind.(4)

 

Ergebnisse

Die Zahlen zeigen, dass Männer sich hauptsächlich Muskelverletzungen im Bereich der Oberschenkel und der Hüfte zuziehen. Frauen erleiden hingegen häufiger Bandverletzungen im Oberen Sprunggelenk und im Knie. Auch wenn sich Frauen insgesamt weniger verletzen, haben sie dennoch einen höheren Anteil an schweren Verletzungen. Ziehen Sie praxisrelevante Erkenntnisse aus diesen Zahlen und berücksichtigen Sie dies in Ihrer Trainingsgestaltung. Präventiv sollte das muskuläre Sichern im Fokus des Trainers liegen. Hier spielen insbesondere die komplexen Übungen im Krafttraining mit der Langhantel eine wichtige Rolle! Übungen wie die Reißkniebeuge oder auch das Umsetzen verbessern die Stabilität Ihrer Gelenke. Nehmen Sie auch Koordinationsübungen und Übungen auf instabilen Untergründen, die Ihre Gelenkrezeptoren trainieren in Ihr Trainings auf!

 

Trainingstipps

– Langsam steigender Trainingsaufbau zu Beginn einer Saison.

– Ausgeglichenes Krafttraining kombiniert mit propriozeptiven und plyometrischen Übungen zur Verbesserung der Gelenkstabilität.

– Technikschulung und Koordination verbessern das Zusammenspiel der Muskeln.

 

Fachsprache

Verletzungsinzidenz – meint die Häufi gkeit von Verletzungen während einer bestimmten Zeitspanne oder einer bestimmten Expositionszeit.

Rekonvaleszenzzeit – ist die Zeit, die ein Spieler nach einer Verletzung benötigt, um seinen Gesundheitszustand, der vor der Verletzung vorhanden war, wiederherzustellen.

Plyometrie – ist ein Schnellkrafttraining, das auf dem Dehnungsrefl ex der Muskeln beruht und häufi g durch Sprungübungen durchgeführt wird.

 

Literatur

1. Sportverletzung Sportschaden (2006), Bd. 20, S. 196–200

2. Clinical Journal of Sports Medicine (2009), Bd. 19 (1), S. 3–6

3. Platen (2002): Frau und Sport. In: Rost (Hrsg.): Lehrbuch der Sportmedizin. S. 633–648. Köln: Deutscher Ärzteverlag

4. Medicine and Science in Sports and Exercise (1989), Bd. 21 (2), S. 126–129

 

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