Wie effektiv sind Liniensprints?

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Sie sind brutal anstrengend und werden von allen gehasst: Liniensprints im Basketball. Doch wie effektiv sind „klassische“ Liniensprints eigentlich? Basketballexperte Ramy Azrak klärt Sie auf.

Liniensprints, auch Linienpendel genannt, werden im Jugendbasketball häufig als Bestrafung für Undiszipliniertheiten eingesetzt. Auch im Seniorbasketball ist der Liniensprint unter Trainern weit verbreitet und als basketball‐typische Trainingsübung bekannt. Ein „klassischer Liniensprint“, wie er im Amateurbasketball häufig eingsetzt wird, geht i.d.R. über einen Zeitraum von mehr als 40 Sekunden mit maximalem Sprint. Haben Sie schon mal einen Basketballer über 35 Sekunden mit maximalen Tempo über das Basketballfeld laufen sehen?

Bereits in der Jugend fühlte sich so ein „oldschool Liniensprint Marathon“, so wie ich diese Folterläufe zu nennen mag, immer so an, als würden sie nie aufhören wollen. Die schier unendliche Strecke, die mit „maximalem Tempo“ bewältigt werden sollte, war im letzten Drittel der Strecke nicht nur für mich nur noch ein einziges unkoordiniertes Rumeiern, denn ein kontrolliertes Sprinten.

 

Der „oldschool Liniensprint Marathon“

Diese Art des typischen Liniensprint vollzieht sich über das gesamte Basketballfeld. Im Folgenden stelle ich die längst mögliche Strecke (224 Meter) vor, mit der so manch ein Trainer schon seine Spieler quälte:

Auf Kommando wird an der Grundlinie gestartet. Die Spieler versuchen möglichst in maximaler Geschwindigkeit alle vorgegebenen Strecken zu laufen, die vorgegebene Linie (Markierung/Hütchen) zu berühren, sich schnellstmöglich zu drehen und zur nächsten Linie weiter zu sprinten.

Der 1. Sprint geht dabei zur 4‐Meter‐Markierung, wo mit Händen die Linie am Boden berührt und darauf folgend zur Grundlinie zurückgelaufen wird. Nach Nach dem Berühren der Grundlinie geht es dann im höchsten Tempo zur 8 Meter Markierung und wieder zurück zur Grundlinie, usw.

GL – 4m – GL – 8m – GL – 12m – GL – 16m – GL – 20m – GL – 24m – GL – 28m – GL

 

Bringt dieser Liniensprint überhaupt etwas?

Erst einmal sollte festgehalten werden, dass jede Form eines Reizes eine biologische Adaption mit sich bringt. Wenn ich beispielsweise einen Berg mit einem schweren Rucksack auf dem Rücken erklimme oder einen Marathon laufe, dann werden physiologische Prozesse in Form eines überschwelligen Reizes im Körper ausgelöst, denen sich der Körper anpasst. Auch das Stilllegen des Armes in einen Gips, als unterschwelliger Reiz, führt zu einer Anpassung, indem der Arm sichtlich dünner wird. Die entscheidende Frage, die sich demnach stellt ist eine andere: Wie effektiv ist die Reizsetzung?

Der Reiz, dem ein Spieler im Training ausgesetzt wird, sollte zielführend sein. Wenn die Verbesserung der Antrittsschnelligkeit und Explosivität eines Basketballers als Ziel vorgegeben wird, dann sollte der Basketballspieler keine 200‐Meter‐ oder 400‐Meter‐Sprintübungen auf der Laufbahn absolvieren. Ein Basketballer braucht für den Wettkampf kurze, schnelle Sprints mit häufigen Richtungswechsel, daher sollte genau das trainiert werden. Zwischen den einzelnen Sprints joggt oder steht ein Basketballer. Das oben beschriebene „Intervall“ stellt von der Belastung her keine optimale Reizsetzung für einen Basketballer dar.

 

Es gibt gute Alternativen zu dem „Suizidlauf“

Eine gute Alternaive ist das Trainieren von kurzen Sprints in mehrmaligen hochintensiven Intervallen, wie z. B. GL – 2m – GL – 4m – GL, seitliche Sprints mit Kommandowechseln, Reaktionsspiele und Übungen mit Slideschritten. Bei den Trainingssequenzen kann man ganz nach dem Motto „weniger ist mehr“ vorgehen. Eine hohe Dynamik und Intensität in den einzelnen Übungen erhöht die Effektivität für den Wettkampf. Natürlich ist auch die Kondition im Basketball elementar und Grundlagen‐Ausdauerläufe wichtig. Doch noch viel wichtiger für einen Basketballer sind Schnelligkeit, Schnellkraft, Kraft‐ und Sprungkraft. (Lesen Sie auch: Diagnostik der Sprint- und Sprungfähigkeit)

Einen Grundsatz für Trainer möchte ich noch zum Ende dieses Artikel noch darstellen. Nicht nur bezüglich eines Liniensprint, sondern bei allen Übungen, sollte von einem Trainer zunächst einmal bewußt durchdacht werden, was mit dieser Übung erreicht werden soll. Sehr gute Trainer beschäftigen sich sogar nicht direkt mit der Übung, sondern im Vorfeld mit dem Ziel der Übung oder des gesamten Trainings und überlegen im Anschluss, welche passende Übung zum Erreichen des Ziels geeignet ist.

 

Ramy Azrak

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