Schnelligkeitstraining im Judo

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Wie trainiere ich im Judo die Schnelligkeit? Kann ich diese überhaupt trainieren? Muss ich ein explosiver Typ sein, um im Judo erfolgreich zu sein? In den folgenden Artikeln wird das Thema „Schnelligkeit“ von mehreren Seiten beleuchtet und mit praktischen Trainingstipps für den Judoalltag ergänzt.

Beinahe jeder Hobbysportler weiß etwas über Kraft, Ausdauer oder auch die Beweglichkeit, aber wie man die Schnelligkeit trainieren kann, ob man sie überhaupt trainieren kann oder wenn ja, wann diese trainiert werden sollte, darüber wissen nur wenige wirklich Bescheid. Kann ich auch als Erwachsener noch meine Schnelligkeit verbessern? Oder muss ich mich einfach damit zufrieden geben, dass ich kein Schnelligkeitstalent bin? Welche Rolle spielen die Muskelfasern? Um es vorweg zu nehmen, jeder kann schneller werden, egal welche Anlage, welcher Muskelfaserntyp und auch egal in welchem Alter man sich befindet. Abläufe der Schnelligkeit sind höchst komplex und von verschiedenen Faktoren abhängig.

 

Was muss ich über die Schnelligkeit wissen?

Die Schnelligkeit zählt traditionell zu den konditionellen Fähigkeiten, obwohl die Schnelligkeitsprozesse nur teilweise energetisch ablaufen. Die Schnelligkeit wird vor allem aber auch durch Prozesse des zentralen Nervensystems und des neuromuskulären Systems gesteuert. Desweiteren setzt „schnell sein“ eine schnelle und genaue Informationsaufnahme und –verarbeitung und zusätzlich einen koordinierter Einsatz der Muskulatur voraus.

Unter Schnelligkeit versteht Hegner(7) die Fähigkeit,

‐ so schnell wie möglich auf ein Signal zu reagieren -> Reaktionsschnelligkeit

‐ den eigenen Körper oder ein Sportgerät möglichst schnell zu beschleunigen -> Beschleunigungsschnelligkeit

‐ mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit zu agieren -> Aktionsschnelligkeit

‐ komplexe Situationen zu erkennen, richtig einzuschätzen und darauf mit der richtigen Lösung schnellst möglichst zu agieren -> Handlungsschnelligkeit (Antizipationsfähigkeit)

 

Grosser (3) unterscheidet außerdem in Frequenzschnelligkeit: „Das ist die Fähigkeit, zyklische Bewegungen mit höchster Geschwindigkeit gegen geringe Widerstände auszuführen.“

 

Wie wichtig ist die Schnelligkeit im Judo?

Verschiedene Gewichtsklassen, eine große Vielfalt von Techniken und unterschiedliche Kampfstile geben jedem Judoka die Möglichkeit sich in unserer Sportart zu entfalten. Es gibt sehr explosive, schnelle, erfolgreiche Athleten, jedoch auch eher ausdauerende und langsamer agierende Judoka, die Erfolg haben. Es ist jedoch sicherlich von Vorteil, wenn ein Judoka ein gutes Reaktionsvermögen hat, gut antizipieren und eine Technik möglichst schnell und präzise ausführen kann.

Neumaier (2) spricht in seinem Buch „Koordinatives Anforderungsprofil und Koordinationstraining“ nicht mehr von Fähigkeiten im Allgemeinen, sondern von Informationsanforderungen und Druckbedingungen einer Sportart. Mit welchen Informationsanforderungen oder Druckbedingungen werden Athleten im Judo konfrontiert? In Bezug auf die Schnelligkeit ist in Lippmann/Ritler Susebeek (1, S. 20ff) Folgendes zu lesen:

Das Ziel eines Judoka ist es, eine Technik mit einer individuellen und optimalen Bewegungsgeschwindigkeit exakt auszuführen. Hierbei müssen zwei Zeitdruckanforderungen unterschieden werden. Erstens muss ein Athlet auf ein Signal oder eine gegnerische Aktion so schnell wie möglich reagieren können. Er hat dazu immer mehrere Möglichkeiten und muss sich für die optimalste Alternative entscheiden. Mit einem so genannten Entscheidungstraining kann diese Fähigkeit trainiert werden. Gekoppelt mit Erfahrung werden auch die Antizipationsfähigkeit und das für den Judosport so wichtige „Timing“ gefördert.

Zweitens geht es darum, eine Bewegung bzw. Technik so schnell wie möglich durchzuführen. Diese Aktionsschnelligkeit ist abhängig von der inter‐ und intramuskulären Koordination. Es ist also von großer Wichtigkeit, ob der Athlet die Fähigkeit hat, auch genügend Kraft und Schnelligkeit in der Muskulatur zu bilden, um eine Bewegung, auch gegen hohen Widerstand durchzusetzen. Die verfügbare Kraft kann hierbei eine leistungslimitierende Komponente sein.

 

Wann sollte die Schnelligkeit besonders gefördert werden?

Schnelligkeit kann grundsätzlich immer trainiert und gefördert werden, es gibt jedoch Phasen, in welchen ein Schnelligkeitstraining effektiver ist. Hierzu muss jedoch auch genau definiert werden, was man unter Schnelligkeit überhaupt versteht. Nach Eklov und Hirtz kann die Grundschnelligkeit bereits ab dem 7. Lebensjahr, am effektivsten jedoch im Alter von 10‐13 Jahren gefördert werden. Die maximale Schnelligkeit ist jedoch erst sinnvoll ab der puberalen Phase (also ab ca. 13 Jahren) zu trainieren.

 

Fazit

Explosiv und schnell zu sein, ist in unserer Sportart ein Vorteil. Es ist jedoch auch günstig über eine gute Ausdauer oder über hohe Kraftwerte zu verfügen. Die Schwierigkeit besteht darin, alle konditionellen Fähigkeiten optimal und keine dieser Fähigkeiten maximal zu trainieren – also eine Balance zu finden.

Das Schnelligkeitstraining gehört dazu und ist nicht einfach als anlage‐ oder talentbedingt zu betrachten. Neben dem Fördern der Grundschnelligkeit in den sensiblen Phasen, ist das Schnelligkeitstraining gerade in den Wettkampfphasen von großer Bedeutung. Wie dies geschieht, welche Einflussgrößen dabei eine Rolle spielen und praktische Beispiele sind Thema des nächsten Artikels.

 

Karin Ritler Susebeek

 

Lesen Sie auch: Schnellkrafttraining für Kampfsportler 

 

Quellenenangaben: 

1. Lippmann, R./Ritler Susebeek, K (2006). Koordinationstraining im Judo, Sportverlag Strauss Köln.

2. Neumaier, A. (2003). Koordinatives Anforderungsprofil und Koordinationstraining. Grundlagen‐Analyse‐Methodik. Training der Bewegungskoordination, Bd. 1. Sport und Buch Strauß Köln.

3. Grosser, M. (1991) Schnelligkeitstraining, blv Verlag München.

4. Gold, T. (2004). Schnelle neuromuskuläre Innervationsmuster bei azyklischen Bewegungen – Eine Analyse schneller Armzugbewegungen im Judo. Dissertation Universität Tübingen (unveröff.).

5. Held, L. (1995). Stufenmodell für einen systematischen Aufbau eines Handlungskomplexes im Rahmen der langfristigen technisch‐taktischen Entwicklung eines Judoka. Diplomarbeit DSHS Köln (unveröff.)

6. Lippmann, R. u.a. (1999). Trainer‐B‐Skript Köln.

7. Hegner, J.(2006). Training fundiert erklärt, Handbuch der Trainingslehre. Ingold Verlag Magglingen.

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