Techniktrainingsarten in der Praxis

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Wie gestaltet ein Trainer das Techniktraining bzw. die in Artikel 2 vorgestellten Stufen sinnvoll? Was muss dabei beachtet werden? Der folgende Artikel geht auf diese Fragen ein und gibt Tipps zur Umsetzung.

Trainingsarten können unterschiedlich formuliert oder auch anders eingeteilt werden, in der Praxis spielt dies jedoch eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist, wie sinnvoll eine Technik aufgebaut wird, wie kreativ ein Trainer bei der Übungsauswahl ist und letztendlich auch wie ein Trainer die Inhalte rüberbringen kann.

 

Sinnvolle Lernstufen

Hierzu ist ein methodisches Konzept notwendig, welches nicht nur die Trainingsarten anspricht, sondern vor allem auch auf beide Seiten bzw. den Trainer und die Sportler eingeht. Die Schweizer Breitensportorganisation „Jugend und Sport“ hat ein solches methodisches Konzept entwickelt, es geht auf die verschiedenen Lernniveaus, Lernstufen, die Lehrenden und Lernenden ein.

Lehr- und Lernstufen, Methodisches Konzept aus dem Kernlehrmittel Jugend+Sport (PDF)

 

So schaffen die Trainer auf Stufe 1 beim Technikerwerbstraining die Voraussetzungen und die Sportler erwerben und festigen eine Bewegung bzw. eine Technik.

Auf Stufe 2 ermöglichen die Leiter eine Bewegungsvielfalt, wobei die Lernenden anwenden und variieren lernen.

Kreativität fördern ist auf der letzten Stufe die Aufgabe der Trainer und die Athleten sind in der Lage, zu gestalten und ergänzen.

 

Technikerwerbstraining in der Praxis

Das Technikerwerbstraining wird in der Theorie in Bewegungslernen und die Automatisation unterteilt.

 

Bewegungslernen

Je nach koordinativen Fähigkeiten und Bewegungserfahrungen der Schüler können die Techniken im Judo unterschiedlich gut und auch unterschiedlich schnell erlernt werden. Jedoch auch spezifische Bewegungserfahrungen erleichtern das Erlernen einer Bewegung. Im Vorfeld muss also überlegt werden, welche Knackpunkte eine Technik hat und wie ich als Trainier die Sportler am besten auf die Bewegungsaufgabe vorbereiten kann.

Beim Bewegungslernen spielen jedoch nicht nur die motorischen Voraussetzungen eine Rolle, sondern auch die Wahrnehmungsfähigkeiten eines Schülers, die Motivation, die Umgebung, die Lernatmosphäre. Ein Lernender wird beim Bewegungslernen zum ersten Mal mit einer Bewegung konfrontiert. Für einen Trainer ist es wichtig, zu wissen, wie sein Schüler am besten wahrnimmt, also am besten lernt, deshalb sollte ein Trainer darauf achten, immer mehrere Wahrnehmungskanäle anzusprechen. Desweiteren ist es wichtig, für eine angenehme Lernatmosphäre zu sorgen und den Schüler für die Bewegung zu interessieren, ihn zu motivieren.

 

Automatisation

In dieser Phase des Trainings herrschen standardisierte Trainingsbedingungen und hohe Wiederholungszahlen zeichnen das Training aus. Die Kreativität und das pädagisch-didaktische Geschick des Trainers sind gefragt, um enorm hohe Wiederholungszahlen kreieren zu können, ohne dass die Sportler dies als langweilig empfinden.

Hierfür kommen natürlich die klassischen Uchi-komi- und Nage-komi-Formen in Frage, um die verschiedenen Phasen eines Wurfes zu automatisieren. Aber Uchi-komi ist nicht einfach Uchi-komi, dasselbe gilt für das Üben des Werfens einer Technik. Spielerische Partnersuche, unterschiedliche standardisierte Ausgangssituationen, kreative Partnerwechsel, geschicktes Verbinden bekannter Übungen, Übungserweiterungen durch aufbauende konditionelle Aufgaben können herkömmliche Nage-komi- und Uchi-komi-Formen spannend und immer wieder interessant machen.

 

Technikanwendungstraining in der Praxis

Das Technikanwendungstraining findet immer unter offenen Bedingungen statt. Der Partner verhält sich also nie kooperativ. Diese Beschreibung ist für die Praxis zu vage. Soll der Trainingspartner sich komplett unkooperativ verhalten oder soll er nur ein wenig Widerstand simulieren? Das Technikanwendungstraining ist ein Oberbegriff und muss in der Praxis differenziert betrachtet werden. Es macht Sinn, auch das Technikanwendungstraining noch einmal in Stufen zu unterteilen.

Auf einer ersten Stufe müssen Judoka lernen, auf Schrittmuster, Fußtechniken, Zug und Druck adäquat zu reagieren. Dies kann durch Aufgaben mit Einfach- und Mehrfachreaktionen trainiert werden. Der Uke variiert Auslage, Bewegungsrichtung und drückt oder zieht den Partner. Tori muss mit dem richtigen Schritt und der passenden Technik reagieren. Diese Übungen können unterschiedlich erschwert werden. Zum Beispiel durch das Schließen der Augen oder dadurch, dass Uke Widerstand gibt, verteidigt oder Tori mit Fußtechniken stört. Auch verschiedene Zweikampfspiele fördern das Gefühl, im richtigen Moment zu reagieren.

In einem weiteren Schritt müssen taktische Handlungen, Kumi-kata- und Verteidigungsstrategien und Handlungsketten in offenen Situationen entwickelt und übertragen werden. Dies kann durch das Werfen von Handlungsketten mit dosiertem Widerstand, Griffkampf-Nage-komi und diversen Randorisequenzen geübt werden. Das Verteidigungsverhalten, die eigene Kreativität und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten kann durch das Simulieren von „ausweglosen“ Situationen gefördert werden. Diese Übungen gehen schon auf die folgende Stufe ein, nämlich auf die Arbeit an der Virtuosität und Variabilität einer Zielbewegung. Üben mit unterschiedlichen Partnern und Kämpfertypen ist sinnvoll. Grundsätzlich muss die Situation für Tori immer schwieriger gestaltet werden. Der Tori darf zum Beispiel seine Auslage oder Lieblingsgriff im Randori nicht einnehmen. Oder aber er muss beim Randori auf verschiedene Techniken verzichten, ist also gezwungen für ihn neue und und ungewohnte Techniken zu entwickeln. Eine andere Möglichkeit, die Virtuosität zu steigern, könnte das alleinige Anwenden der Spezialtechnik sein. Egal mit welchem Partner Tori trainiert, auch die Reaktionen des Uke spielen keine Rolle mehr, Tori muss seine Spezialtechnik durchsetzen können. Bevor eine Spezialtechnik oder Handlungskette also im freien Randori angewendet werden kann, können mit spezifischen Übungen typische Wettkampfsituationen simuliert werden. Die letzte und höchste Stufe des Technikanwendungstrainings ist der Wettkampf bzw. auch Trainingswettkämpfe. Die Techniken müssen also unter schwersten Bedingungen ausgeführt werden können. Der Partner- bzw. der Gegnerwiderstand ist maximal, hinzu kommt, dass der Athlet mit unterschiedlichen Einflüssen zurechtkommen muss. Wie geht er mit psychischem Druck um? Wie reagiert der Sportler auf eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters? Mit solchen und anderen Fragen müssen sich Trainer und Athlet auseinandersetzen, wenn sie optimale Leistung im Wettkampf erbringen wollen.

 

Ausblick

Der nächste Artikel zu diesem Thema geht auf eine andere Sichtweise des Koordinations- und Techniktrainings ein. Das Modell von Neumaier, welches vorgestellt wird, ist einfach in die Praxis umzusetzen. Desweiteren wird das theoretische Modell mit einigen Praxisbeispielen verdeutlicht.

 

Karin Ritler Susebeek

 

Literaturangaben:

1. Kernlehrmittel Jugend+Sport (Oktober 2000), Bundesamt für Sport Magglingen

2. Lippmann, R. u.a. (1999). Trainer-B-Skript Köln.

3. Lippmann, R./Ritler Susebeek, K (2006). Koordinationstraining im Judo, Sportverlag Strauss Köln.

4. Praxisunterlagen des Unterrichts mit Ralf Lippmann an der Trainerakademie Köln 2001-2003.

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