Innerhalb des Sports geht man davon aus, dass mit Rahmentrainingsplänen von Verbänden mehr erfolgversprechende Leistungen erreicht werden können. stellt Ihnen die wichtigen Hintergründe zu diesen allgemeinen Trainingsvorgaben vor und hinterfragt sie kritisch.
Viele Sportverbände olympischer Sportarten formulieren in ihren Konzepten bestimmte Rahmentrainingspläne. Darin sind die Inhalte für das Training der Sportler vorgegeben, und zum Teil werden auch ganz konkrete Inhalte beschrieben. Den Trainern soll eine Hilfestellung beim Steuern des Trainings gegeben werden.
Lernen Sie, Planungsvorgaben kritisch zu hinterfragen, und bauen Sie auf Ihre Individualität. So können Sie die Trainingsplanung noch effektiver auf Ihre persönlichen Erfordernisse ausrichten und Ihre Leistung auf dieser Basis verbessern.
Nur die Medaillen zählen – fürs Geld!
Es liegt auf der Hand, dass die Sportverbände vom erfolgreichen Abschneiden ihrer Sportler abhängig sind. Nur so können lukrative Verträge mit Sponsoren abgeschlossen werden. Dazu kommt, dass der Deutsche Olympische Sportbund die Sportfördermittel des Bundes anhand von Bewertungen der Erfolge verteilt. Dabei wirken sich die Platzierungen der Sportler bei Welt- und Europameisterschaften sowie den Olympischen Spielen maßgeblich auf die Höhe der Zuwendungen aus. Vor allem die Top-Ten-Platzierungen im Finale einer Disziplin sind der Schlüssel zum Geld.(1) Große Erfolge auf internationaler Ebene sichern so die Existenz eines Sportverbandes.
Auswirkungen hat das alles ebenso auf den Breiten- und Amateursport, da auch diese Gelder entsprechend verteilt werden. Die Sportverbände versuchen daher mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen ihre Sportler zu motivieren und anzuspornen. Man will möglichst früh geeignete Talente sichten und fördern. So sollen die jungen Sportler recht lange in einer Sportart trainieren können. Und mit den Rahmentrainingsplänen werden den Trainern ganz konkrete Inhalte vorgegeben, die in bestimmten Abschnitten wichtig sein sollen. Auf diese Weise behält der Verband die Ausbildung der Sportler in der Hand. Ob ein solches Vorgehen wirklich erfolgversprechend ist, können wir aber infrage stellen. Unser Ziel ist es, Ihnen auf der Basis von Studien das aktuell erfolgversprechendste Vorgehen in der Trainingssteuerung zu schildern und Sie zu dessen Umsetzung anzuregen. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass Sportler und Trainer individuell agieren müssen, das heißt, dass sich die Planungen immer an den Bedürfnissen des Einzelnen ausrichten müssen. Das gilt für Leistungssportler ebenso wie für Freizeitsportler.
Warum Rahmentrainingspläne?
Mithilfe der Rahmentrainingspläne kann ein Verband direkt Einfluss auf die Arbeit seiner Trainer nehmen – und das bis hin zu den Nachwuchssportlern. Gerade auf die zielen nämlich solche Maßnahmen ab. Man möchte vermeiden, dass die jungen Sportler zu wenig trainieren, ausgehend von der Annahme, dass vor allem der jeweilige Trainingsumfang wichtig für die Entwicklung der Leistungsfähigkeit sei. Allerdings beruhen diese Annahmen nicht auf Studien. Wenn man sich die Wirklichkeit anschaut, zeigt sich ein anderes Bild. Es gibt in den verschiedensten Sportarten jene Sportler, die ihre Ziele mit einem relativ großen Trainingsumfang erreichen, und solche, deren Trainingsumfang eher kleiner ist. Das Ziel der Rahmentrainingspläne besteht nun darin, anhand von Trainingskennziffern bestimmte Vorgaben zu Trainingsumfang und -intensität zu machen. Diese Form der Trainingsplanung wurde in der ehemaligen DDR entwickelt und orientierte sich an deren politischen Strategien. Ob sich deshalb ein solches System auf unseren Sport heute – unter modernen freiheitlichen Rahmenbedingungen – übertragen lässt, sei dahingestellt.
Die Funktion solcher Rahmenvorgaben ist die, möglichst Unsicherheiten auf Trainerseite zu beseitigen. Die Verbände wollen so im Kern die Richtung für das Training weisen, schränken aber gleichzeitig die Wahlmöglichkeiten für Sportler und Trainer ein. Das Training orientiert sich dabei sehr oft an Erfahrungen aus der Arbeit mit erfolgreichen Spitzenathleten. Weniger Vorgaben können aber manchmal mehr sein – das betrifft auch direkt die Trainer- Sportler-Beziehung. Wichtiger ist als Pulsmesser oftmals die subjektive Einschätzung des jeweiligen Sportlers. Setzen Sie z. B. als Sportler einfach ungefragt die Vorgaben Ihres Trainers um, kann es zu Problemen bei der adäquaten Trainingsbelastung kommen; denn jeder Mensch hat ganz bestimmte Anpassungsmöglichkeiten hinsichtlich der Trainingsbelastung. Je nach persönlicher Ausprägung gibt es Ressourcen, die eher auf Kraftreize, und solche, die mehr auf bestimmte Ausdauerreize reagieren. Und was die Ausdauerreize angeht, können selbst dadurch manche Sportler eher von einem Grundlagentraining profitieren, während andere ihre Leistungen besser mithilfe von intensiven Trainingsprogrammen steigern. Insgesamt gesehen ist die Regenerationsfähigkeit des jeweiligen Sportlers ein wesentlicher Faktor bei den Anpassungsreaktionen. Sie werden also dann Ihre Leistung erheblich steigern können, wenn Sie hinsichtlich der Trainingsinhalte und der entsprechenden Intensität Ihre persönlichen Voraussetzungen berücksichtigen. Dass diese pauschal gehaltenen Empfehlungen angebracht sind, lässt sich auch mit einigen Studien belegen.
Ich habe Ihnen bereits davon berichtet, dass der Trainingsumfang bei international erfolgreichen Sportlern nicht größer ist als bei Sportlern, die „nur“ auf nationaler Ebene aktiv sind. Dazu kommt, dass die leistungsstärkeren Sportler häufiger von den Rahmentrainingsplänen abweichen, sich also weniger an die kollektiven Vorgaben halten. Das zeigt sich mittlerweile bei verschiedenen Sportarten.(2) Wenn man sich die Daten von Sportlern im Detail ansieht, wird einem vor allem eines klar: Unter Spitzensportlern finden sich sehr viele Individualisten. Und das wiederum erkennt man, wenn man die erwarteten Kaderstrukturen mit der Wirklichkeit vergleicht. Innerhalb der Sportverbände nimmt man an, dass eine breite Basis junger D-Kader-Sportler auf Landesebene eine geradlinige Entwicklung nehme: Vom DKader entwickelten sich die besten zum C-Kader. Daraus kämen dann die B- und die A-Kader bis an die Weltspitze. Aber so einfach geht es eben nicht. Es gibt Sportaussteiger und Sportler, die die Sportart wechseln und dort erfolgreich sind. Andere fliegen aus dem C-Kader raus und steigen aufgrund guter Leistungen direkt in den B-Kader auf.(3) Es gibt keine klaren Entwicklungstendenzen, sondern individuelle Entwicklungsverläufe.
Wenn Athleten ihre hauptsächlich betriebene Sportart wechseln, können sie noch nie nach einem Rahmentrainingsplan trainiert haben. Da aber recht viele Spitzensportler nicht nach den Rahmenvorgaben im Nachwuchsbereich trainiert haben, scheint die Annahme, dass das notwendig sei, falsch zu sein. Die beruht auf althergebrachten mechanistischen Trainingsmodellen, die zunehmend von der physiologischen Vielfalt der Anpassungen eingeholt werden.(4)Weder pauschale Herzfrequenzformeln noch pauschale Rahmentrainingspläne bilden die Basis dafür, ein erfolgreicher Sportler zu werden. Noch viel mehr gilt dies in unserer freien und modernen Gesellschaft. Ich denke, dass gerade das individuelle und auf Interaktion zwischen Sportler und Trainer angelegte Training Sie in Ihrer persönlichen Entwicklung weiterbringen wird. Wir müssen lernen, den Trainingsprozess neu zu verstehen. Das gilt für Freizeitsportler ebenso wie für ambitionierte Sportler. (Vorsicht bei vereinfachenden Trainingsprinzipien)
Quellenangaben
1. Leistungssport Bd. 6 (35), S. 8–12
2. Leistungssport Bd. 1 (38), Sonderbeilage
3. Lange, H. (2007), Optimales Walking. Balingen: Spitta Verlag
Fachsprache:
Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) – Dachverband aller olympischen Sportverbände, aber auch von nichtolympischen Sportverbänden
Kader – Talentierte Sportler mit bestimmten Erfolgen werden als Kader geführt. D-Kader werden dabei auf der Landesebene geführt. C-, B- und A-Kader sind Nationalmannschaften vom Nachwuchs bis zur Elite.