(Wolfgang Güllich (1960–1992) deutscher Sportkletter-Pionier, 1. Mensch im 11. UIAA-Schwierigkeitsgrad)
Klare Ansage eines der besten Kletterer, die es je gab. Wolfgang Güllich stieß mit der Erstbegehung der berühmt-berüchtigten Route Action Directe, 11. UIAA-Schwierigkeitsgrad, im deutschen Frankenjura am 14. September 1991 in neue, unglaubliche Dimensionen vor.
Die Action Directe, zwar mittlerweile von einigen wenigen Nachfolgern ebenfalls bezwungen, ist 20 Jahre später nach wie vor eine Benchmark des Hochintensitäts-Sportkletterns am Fels, obwohl mittlerweile einige wenige Routen als noch schwieriger gelten und ebenfalls erfolgreich abgehakt worden sind.
Aufbruch in ein neues Zeitalter: Sportwissenschaft und Sportklettern
Mit Spaßklettern allein hat Güllich die Action Directe natürlich nicht geschafft. Noch nie hat sich ein
Kletterer so systematisch mit Hilfe eigens entwickelter spezifischer Trainingsmethoden auf ein Projekt vorbereitet wie er. Das hieß Zusatztraining in der Kraftkammer, an Spezialgeräten und Fingerbrettern, einarmige Klimmzüge – die er einmal auch bei Thomas Gottschalk in „Wetten dass“ demonstriert – Spannungsübungen und reaktiv-dynamische Züge an einem mittlerweile legendären, damals neuen Gerät, dem Campus-Board.
Komplexe Sportart Sportklettern
Visualisieren Sie einen Sportkletterer am Ende eines erfolgreichen Durchstiegs oben am Top, die Arme hebend, halb winkend, halb die Milchsäure aus den Unterarmen schüttelnd. Wie ist der da raufgekommen, welche trainier- wie auch nicht trainierbaren, beeinfluss- und nicht beeinflussbaren, äußeren und inneren Faktoren spielen eine Rolle, welche sportmotorischen, mentalen und psychischen Fähigkeiten? Sportwissenschaftler fühlen sich hier in ihrem Element. Hier können sie abwägen, fein-messen, forschen, Faktorenanalysen durchführen, Trainingspläne und Theorien entwickeln und so weiter. Keine Frage, so entsteht Fortschritt, individuell und in der Sportart.
Doch bevor wir verkopfen und verkrampfen, uns fragen, wo wir ansetzen können, um uns zu verbessern, sollte für den Kletterneuling anfangs nur Eines im Vordergrund stehen:
Routen sammeln und „Fun, Fun, Fun!“
Kehren wir zum Ausgangszitat von Wolfgang Güllich zurück. Am Anfang des Kletterns, auch an dem einer Sportkletter-Karriere,
steht die Freude am Tun – das Analysieren kommt früh genug, und der Fun-Faktor sollte beim Klettern ohnehin möglichst immer oberste Priorität genießen. Freuen Sie sich an der Bewegung, der (umgebenden und eigenen) Natur, in netter Gesellschaft mit Gleichgesinnten unbeschwerte Stunden zu genießen, zu werken, zu basteln und auch mal zu scheitern – immerhin ist das oft notwendig um langfristig Erfolg zu haben, der Auslöser zum entscheidenden step to the next level.
Training zum Erfolg
Klettern Sie so oft und variabel wie möglich. Reisen Sie (das muss ja nicht weit sein, denn das Gute liegt oft so nahe) zu verschiedenen Kletterparadiesen, -gärten und -hallen. Nehmen Sie mit allen Sinnen auf, jeder Ort hat seine eigenen Wandneigungen, Griffformen, kurzum seinen eigenen Charakter. Lernen Sie, flexibel zu werden, nicht immer den alten Stiefel zum x-ten Male zu wiederholen, sondern sich dem Neuen zu stellen. Sammeln Sie unterschiedliche Klettererfahrungen wie andere Briefmarken. Die Technik, die Kraft und die Ausdauer verbessern sich quasi im „Vorübergehen“ oder besser im „Darüberklettern“, nebenbei, zumindest beim Einsteiger. Sie haben ein niedriges Ausgangsniveau? Sehen Sie’s genau umgekehrt: Sie sind mit (fast) unendlich viel Raum zur Steigerung gesegnet!
Beginnertraining in der Sportkletterdisziplin „Lead“
Als erstes, wie in jeder ernsthaft betriebenen Sportart üblich, gilt auch hier: Aufwärmen ist
angesagt! Am besten zuerst ca. 10 Minuten den Kreislauf aktivieren und mit leichter Gymnastik den Körper für das Bevorstehende startklar machen. Anschließend folgen 2-3 sehr leichte Aufwärmrouten. Dann klettern Sie, wie eben beschrieben, so variantenreich wie möglich in anspruchsvolleren Routen. Am besten immer mit der 80 %-Chance, die Route auch „Top“ zu steigen – also nicht zu schwer. Die Pausen ergeben sich automatisch durch abwechselndes Klettern und Sichern des Partners.
Bei Ermüdung unter subjektive 70 % der maximalen Leistungsfähigkeit, was bei Einsteigern bereits nach drei bis vier Touren sein kann, heißt es Schluss, aus, Ende… Lieber am nächsten oder übernächsten Tag wieder klettern. Denn: Um Kraft zu entwickeln und zu trainieren, muss man bei Kräften sein!
Somit wünsche ich Ihnen einen Klettereinstieg mit Fun, Fun und noch mehr … FUN!
Ihr Jürgen Reis (mit Nikolai Janatsch)
Fotos: Kurt Hechenberger und Archiv Jürgen Reis (www.juergenreis.com), Chris Noble (www.noblefoto.com)