In den Mannschaftssportarten tritt die Schnelligkeit immer wieder in Form kurzer Sprints auf, die linear über das Spielfeld ausgeführt werden. Viel häufiger noch sind schnelle Läufe mit Richtungswechseln, um den Gegner vom Ballgewinn abzuhalten. Aus diesem Grund sind Trainingsinhalte mit spontanen Wechseln der Laufgeschwindigkeit ein wichtiger Bestandteil des Trainings. Vielfältige Hilfsmittel erleichtern dabei das Trainieren durch das Generieren von Bewegungsaufgaben. Ich möchte Ihnen in diesem Beitrag die Koordinationsleiter vorstellen, mit der Sie neue Trainingsinhalte generieren können.
Um die Auswirkungen eines Koordinationstrainings verstehen zu können, müssen wir uns zunächst einmal einen Überblick über die Struktur und die Funktionsvielfalt Ihres Nervensystems verschaffen. Mithilfe einer modellhaften Beschreibung wollen wir Ihnen die komplexen Abläufe vereinfacht beschreiben.
Das Modell des hierarchischen Niveaus
Im Laufe der Evolution hat sich das menschliche Nervensystem unter ganz bestimmten Voraussetzungen entwickelt. Dessen Strukturen wurden im Laufe der menschlichen Entwicklung nicht verändert oder angepasst. Stattdessen wurden die entwicklungsgeschichtlich jüngeren Strukturen den älteren Strukturen hinzugefügt. So bildete sich ein System mit hierarchischem Aufbau, bei dem die jüngeren Strukturen regulierend auf die Älteren wirken. Die Wirkweise kann dabei z. B. hemmend, verfeinernd oder bremsend sein. Viele Funktionsweisen im Nervensystem basieren auf dieser Tatsache und die Entwicklung des Nervensystems über Jahrtausende mündete in dem hochkomplexen System, das Ihre koordinativen Leistungen in Sport und Alltag maßgeblich beeinflusst.
Die Phasen der Anpassungen durch Koordinationstraining
Die Ziele eines Koordinationstrainings sind vor allem das Training des Gehirns und der neuromuskulären Ansteuerung. Das wiederholte Ausführen von Bewegungen und Bewegungsabläufen verbessert die neuronale Verarbeitung von Bewegungshandeln und die Reaktionen auf die sportliche Umwelt. Dabei werden Anpassungen auf spinaler, supraspinaler und kortikaler Ebene angestrebt. Beim Verwenden von Hilfsmitteln wie der Koordinationsleiter kommt zudem die Reaktionsschnelligkeit als zusätzlicher Faktor hinzu, in dem Signale von außen Richtungswechsel zur Folge haben oder komplexe Bewegungsformen nachgemacht werden müssen. Ein Koordinationstraining in Form von instabilen Unterlagen zielt hingegen eher auf das Zusammenspiel von Rezeptoren in Muskeln und Gelenken und die effektorische Reaktion ab.
Um die möglichen Anpassungen eines Koordinationstrainings erfassen zu können, ist es hilfreich die verschiedenen Phasen eines Trainings zu kennen:
Erste Phase
Neue Bewegungsaufgaben und deren Steuerung werden kortikal und bewusst ausgeführt. Dabei kommen häufi g Neben- und Ausgleichsbewegungen sowie Spannungszustände vor. Die Bewegungsabläufe sind hier noch sehr unökonomisch.
Zweite Phase
Ein motorisches Programm im Kortex sorgt dafür, dass die Bewegungen nun bekannt sind und das muskuläre Zusammenspiel verbessert abläuft. So werden die Bewegungsabläufe zunehmend ökonomisiert.
Dritte Phase
Die Bewegungen laufen automatisiert ab. Nur bei veränderten Bedingungen greift der Kortex ein und modifi ziert die Bewegungsprogramme, um den Bewegungslauf anzupassen.(1)
Trainieren Sie Ihr Nervensystem!
Ihr Nervensystem ist ähnlich trainierbar, wie Ihre Muskulatur oder Ihr Herz-Kreislauf- System. Dabei ist die Ausprägung Ihres Nervensystems u. a. von den Anforderungen, die es meistern muss, abhängig. Die Lernfähigkeit ist enorm, denn Ihr Nervensystem ist in der Lage auf sensorische „Erkenntnisse“ zu reagieren und mit Anpassungen darauf zu antworten. Insbesondere in der Zeit vor der Pubertät lassen sich wichtige Grundlagen legen, da dies eine günstige Zeit für das motorische Lernen ist. Wenn Sie als Trainer mit jungen Sportlern arbeiten, sollten Sie daher in dieser Zeit einen Schwerpunkt auf das Koordinationstraining legen und hier auch mit unterschiedlichen Hilfsmitteln sportartspezifi sch und unspezifi sch arbeiten. Gerade in der Phase der funktionellen Reifung des zentralen Nervensystems scheint das Kombinieren mit systematischem Bewegungslernen sehr effektiv zu sein. Der Grund dafür ist, dass das sich entwickelnde Nervensystem ein höheres Maß an Lernfähigkeit im Vergleich zu den Strukturen eines Erwachsenen aufweist.(2) Trotzdem ist das motorische Lernen bis ins hohe Alter möglich und Trainingseffekte können auch bei älteren Menschen zu wichtigen Anpassungen führen.
Hilfsmittel für Ihr Koordinationstraining
Wie bereits eingangs erwähnt sind Anpassungen des Koordinationstrainings sehr auf Bewegungsmuster ausgerichtet. Ein leichtes Abweichen von einstudierten Übungen kann schon in veränderten motorischen Reaktionen resultieren. Dennoch kann das Schulen koordinativer Grundlagen zu einer schnelleren Reaktionsfähigkeit führen. Insbesondere in Ballsportarten sind Richtungswechsel, Finten und anderes koordinativ anspruchsvolles Handeln wichtige Bestandteile des Beanspruchungsprofils. Mithilfe von Hütchen, Koordinationsleitern und Sparq-Hürden können allgemeine Fähigkeiten wie das schnelle Drehen um eine Körperachse und das Reagieren auf Zuruf geschult werden. Dazu erstellen Sie am besten einen Parcours mit verschiedenen Anforderungen und bauen auf Signal entsprechende Bewegungsaufgaben ein. Auch technische Aspekte wie das Absenken des Körperschwerpunkts durch eine tiefe Position der Hüfte, um die Richtungswechsel zu beschleunigen, sind mögliche Zielgrößen beim Training, die sich mit solchen Hilfsmitteln gut trainieren lassen. Hinzu kommt, dass Richtungswechselläufe davon abhängig sind, wie schnell ein Athlet die hohe Geschwindigkeit abbremsen kann, um die Richtung zu ändern.
Trainingstipps
– Variieren Sie die koordinativen Anteile im Training permanent.
– Akustische Signale wie ein Pfiff mit gleichzeitiger Bewegungsaufgabe schulen zusätzlich das Reaktionsvermögen.
– Nutzen Sie die Koordinationsleiter regelmäßig im Aufwärmtraining, um koordinative Elemente im ausgeruhten Zustand trainieren zu können.
Quellenangaben
1. Journal of Physiology, 2006, 15, (3), S. 901–911
2. Performance Training Journal, 2009, Bd. 8 (4), S. 12–16
Fachsprache
spinale Ebene – zur Wirbelsäule gehörende Bereiche
supraspinale Ebene – bedeutet oberhalb des Rückenmarks und beschreibt so das Gehirn
kortikale Ebene – beschreibt die Großhirnrinde
Kortex – die so genannte Hirnrinde besteht aus mehr als 200 Feldern, von denen nur wenige Funktionen bekannt sind. Den größten Anteil bildet die motorische Rinde, die bewusste Bewegungen steuert. Eine Hälfte des Gehirns steuert dabei die gegenüberliegende Körperhälfte.