Sportlich fit und aktiv – So steigen Sie wieder ein nach Schwangerschaft und Geburt

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Mitunter sehr divergent sind die Meinungen zum Thema Sport nach der Schwangerschaft. Hanna Sandig informiert zum Thema Rückbildung und gibt Tipps, wie Sie Ihre sportliche Leistungsfähigkeit zurück erlangen!

Ein Kind zu erwarten, die Schwangerschaft und Geburt zu erleben und es dann in den eigenen Armen zu spüren, ist wahrlich ein Wunder der Natur. Was für Sie mitunter eine emotionale Reise darstellt, bedeutet für Ihren Organismus Arbeit auf Hochtouren. Nach der Geburt steht erneut eine Phase des Umbruchs an, denn die Zeit zuvor hat Ihrem Körper einiges abverlangt. Doch genau hier gilt es einzusteigen und sich mit der neuen Situation vertraut zu machen. Lesen Sie im Folgenden, wie Sie auch nach einer Geburt wieder den Zugang zum Sport finden – fit und vital werden!

Schwangerschaften und Geburten verlaufen bei jeder Frau anders und sind so individuell wie unser Fingerabdruck. Selbst wenn Sie schon Mutter sind und ein weiteres Kind erwarten, stellt dies wieder eine kleine Reise ins Ungewisse dar.

 

Ihr Körper verändert sich

Je nach

– Alter

– Gesundheitszustand

– Größe des Kindes

– genetischen Einflüssen oder

– Lebenswandel

haben Frauen nach einer Geburt in unterschiedlichem Maße mit den körperlichen Veränderungen zu kämpfen. Ein paar Pfunde zu viel auf den Rippen, veränderte Proportionen, ein schlaffes Bindegewebe, Verspannungen und Rückenschmerzen sowie ein angeschlagener Beckenboden sind einige Beispiele. Gut zu wissen, dass das keinen unveränderbaren Zustand darstellt. Eine positive Einstellung und Bewegung in Form von Spaziergängen an der frischen Luft zählen zu den ersten Schritten in die richtige Richtung. Schon im Wochenbett können Sie beginnen unter Anleitung Ihrer Hebamme sanft Ihren Beckenboden zu erspüren und anzuspannen. Lassen Sie sich dabei viel Zeit und seien Sie nicht enttäuscht, es dauert oft lange bis die Muskulatur wieder voll ansteuerbar ist. Nach der Geburt steht aus sportlicher Sicht tatsächlich erst einmal Ihr Beckenboden im Fokus. Er bildet die Basis für die spätere körperliche Belastungsfähigkeit. Wird er übergangen und nicht entsprechend rückgebildet und trainiert, können noch Jahre später Probleme auftreten. Rückbildungskurse werden für jede junge Mutter von der Krankenkasse übernommen und sollten als nützliche und schöne Pflichtveranstaltung angesehen werden. Viele Frauen lernen Ihren Beckenboden häufig dort überhaupt das erste Mal näher kennen. Theoretisches Hintergrundwissen über die Anatomie und Aufgaben des Beckenbodens erleichtern später zusätzlich das Üben. Auch wenn eine oder mehrere Geburten schon viele Jahre zurückliegen – es ist nie zu spät Ihrem Beckenboden Aufmerksamkeit zu schenken und ihn zu trainieren. Die Muskulatur des Menschen ist in jedem Alter trainierbar und muss nicht zwangsläufig im Alter geschwächt sein!

 

Was ist der Beckenboden überhaupt?

Der Beckenboden besteht aus drei übereinanderliegenden Muskelschichten, welche sich im unteren Teil des knöchernen Beckens aufspannen. Im Gegensatz zu anderen Teilen der Skelettmuskulatur wie beispielsweise dem Musculus Bizeps, dem Armbeuger, zieht die Muskulatur des Beckenbodens über kein Gelenk. Bei Aktivierung dieser Muskulatur erfolgt also keine von außen sichtbare Bewegung des Skelettes. Ansatz und Ursprung der Beckenbodenmuskulatur sind vorne am Becken, das Schambein, rechts und links die beiden Sitzbeinhöcker, die Knochen am Gesäß, auf denen wir sitzen, und hinten das Steißbein. Um einen ersten Zugang zum Beckenboden zu finden, ist es ratsam, zunächst diesen knöchernen Rahmen wahrzunehmen und zu ertasten. (1)

 

Die untere Beckenbodenschicht

Die untere längsverlaufende Muskelschicht des Beckenbodens befindet sich direkt unter der Haut und wird auch als Schließmuskelschicht bezeichnet. Sie ist wie eine Acht geformt und verläuft zwischen Schambein und Steißbein. Ein Bogen der Acht umschließt Scheide und Harnröhre, der hintere Bogen verläuft um den After. An der Stelle, an der sich die Bögen der Acht kreuzen, befindet sich der Damm. Hauptfunktion dieser äußersten Beckenbodenschicht ist das Verschließen und Öffnen von Harnröhre, Scheide und After. Auch für eine erfüllte Sexualität ist diese Schicht wichtig: sie reagiert sehr empfindsam auf Berührungen und schwillt bei sexueller Erregung an. Erspüren können Sie diese Schicht indem Sie sich hinstellen und mit der einen Hand die Steißbeinspitze hinten und mit der anderen Hand das Schambein vorne anfassen. Ziehen Sie nun sanft beide Punkte mit den Händen auseinander, so dass der Abstand zwischen ihnen größer wird. Versuchen Sie nun auf die Dehnung zu reagieren und von innen beide Punkte einander anzunähern. Stellen Sie sich vor dabei alle drei Schließmuskeln (Harnröhre, Scheide, After) sanft nach innen zu ziehen. (1)

 

Mittlere Beckenbodenschicht und ihre Funktion

Die mittlere Muskelschicht verläuft quer und ist zwischen den Sitzbeinhöckern und den Schambeinästen aufgespannt. Die Fläche gleicht einem Dreieck und besteht aus einer Muskelplatte mit Bindegewebsanteil und einem Muskelstrang. Diese Schicht ist die Stütze für die inneren Organe wie Blase und Gebärmutter. Sie zieht sich außerdem zusammen und verengt das Becken bei aufkommendem Druck wie es beispielsweise beim Niesen der Fall ist. Dadurch kann dem Druck der Bauchorgane natürlich leichter standgehalten werden. Diese Muskelschicht nehmen Sie am besten im Sitzen wahr. Wenn Sie mit dem ganzen Gesäß auf dem Stuhl sitzen, legen Sie beide Hände unter Ihren Po an die Innenseiten der Sitzknochen. Ziehen nun wieder die beiden Knochen sanft auseinander. Stellen Sie sich nun die querverlaufenden Muskeln dazwischen vor, als wären sie ein Band und ziehen Sie die Sitzknochen damit leicht zusammen. (1)

 

Innere Beckenbodenschicht und ihre Funktion

Die innere Muskelschicht ist die größte und kräftigste Schicht. Sie verläuft wieder längs, geht vom Steißbein aus und ist unter anderem mit dem Schambein verbunden. Aufgrund Ihrer Optik wird sie auch Fächermuskel genannt und zieht sich durch das ganze Becken. Sie schwingt bei jedem Atemzug und jeder Bewegung mit. Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehört die Sicherung der Lage der Beckenorgane. Vor allem wirkt sie auch bei der Aufrichtung des gesamten Körpers mit und beeinflusst so die Haltung. Die innerste Schicht lässt sich am schwierigsten wahrnehmen. Es funktioniert am besten im Stehen. Berühren Sie mit Ihrem Mittelfinger Ihr Steißbein und versuchen Sie es mit den Muskeln nach unten zu schieben. Manchen Frauen erleichtert es die Übung, wenn sie sich vorstellen, sie hätten am Steißbein einen schönen buschigen Eichhörnchenschwanz befestigt. Lassen Sie den Schwanz in Gedanken langsam nach oben steigen bzw. durch Ihre Beine in Richtung des Bauchnabels sinken. Dies ist nicht einfach und erfordert einige Übung. (1)

 

Wofür es sich zu üben lohnt

Die Beckenbodenmuskulatur hat nun also mehrere Funktionen: Sie trägt die inneren Organe, sichert ihre Lage an der richtigen Stelle und gewährleistet auch die Kontinenz, also die Fähigkeit Urin, Stuhl oder Winde zu halten. Zusammen mit der umgebenden Muskulatur stabilisiert der Beckenboden das Becken im Stehen und beim Gehen. Das Baby wird in der Schwangerschaft von ihm gehalten. Außerdem werden Drucksteigerungen im Bauchraum wie Husten oder Niesen von der Muskulatur reflektorisch bzw. reaktiv abgefedert. Harnröhren- und Afterschließmuskel können reagieren und sich zuschnüren, wenn Blase oder Darm gefüllt sind. Andererseits lässt der Beckenboden es zu, bei sexueller Stimulation das Glied oder Finger einzuführen. Der Scheideneingang kann sich willkürlich verengen, was beim Orgasmus unwillkürlich geschieht. Umgekehrt öffnet sich der Beckenboden zum Wasserlassen und für den Stuhlgang. Er ist unter den Umständen einer Geburt sehr dehnbar. Im Fazit ist es beachtlich, wie der Beckenboden diese zum Teil sehr gegensätzlichen und bedeutenden Aufgaben gut hinbekommt! (2) Führen Sie sich vor Augen für welche Ziele es, im Kontext einer Rückbildung, sich lohnt aktiv zu werden:

Ein aktiver Beckenboden bewirkt:

– Vermeidung oder Linderung von Senkungsproblemen

– Kontrollierter Abgang von Harn, Winden, Stuhlgang

– Reduzierung von Rückenbeschwerden und Verspannungen des Schultergürtels, Entlastung der Hüft- und Kniegelenke

– Eine aufgerichtete, aber auch entspannte Körperhaltung

– Stärkere Belastbarkeit

– Eine schöne Ausstrahlung

– Eine erfülltere Sexualität

– Eine positivere Einstellung zu sich selbst und zum Leben

 

Schritt für Schritt zu neuer Kraft

Wichtig für den Wiedereinstieg ist, dass Sie sich nicht überfordern. Wenn Ihnen der wöchentliche Rückbildungskurs und das Üben zu Hause zu wenig erscheint, können Sie anfangen, sich draußen zu bewegen und Ihre Ausdauerleistungsfähigkeit zu trainieren. Ein Trend aus England hat auch in Deutschland Einzug gehalten. Sogenannte „Buggyfit“ oder „Mamifit“ Kurse werden mittlerweile in vielen deutschen Städten in Parks angeboten. Es handelt sich dabei um einen Fitnesskurs mit Baby und Kinderwagen oder Buggy. Ausdauereinheiten mit strammem Walking und Gymnastikeinheiten mit Kräftigungsübungen wechseln sich hierbei ab. Und das Beste ist: Ihr Baby ist immer dabei, sie sind beide an der frischen Luft und können sich mit anderen Müttern austauschen. (3) Dabei schlagen Sie mehrere Fliegen mit einer Klappe. Schön ist, dass bei den Kräftigungsübungen die Muskulatur des ganzen Körpers angesprochen wird, denn für die Kontinenz benötigen Sie eine rundum funktionierende Rumpfmuskulatur. Das Trainieren der vorderen und seitlichen Bauchmuskulatur und der Rückenmuskulatur gehört so ebenfalls mit zum Rückbildungsprogramm. Sie als Sportlerin können so einen Mamakurs als weiteren kleinen Schritt zum Wiedereinstieg sehen. Sie werden merken, wenn Sie sich wieder in der Lage fühlen, Laufen zu gehen oder eben Ihre eigentliche Sportart auszuüben. Achten Sie auch hier auf einen langsamen Einstieg und fühlen in Ihren Körper hinein. Unterstützend und als optimal anzusehen ist dann ein 1- bis 2-mal wöchentlich ausgeführtes Krafttraining im Freihantelbereich.

 

Hanna Sandig

 

Literatur: 1 Carrière, B. (2012). Beckenboden. Physiotherapie und Training. Stuttgart: Thieme Verlag. 2 Schweizer Zeitschrift für Gynäkologie (2010). Bd. 15 (2), S. 5-8 3 Habring, J. (2010). Buggyfit – Fitness die Spaß macht. Das ideale Training für Mütter. Wien: Ecofit Verlag

 

Fachsprache leicht gemacht

 Wochenbett – beginnt mit Beendigung der Entbindung und dauert ca. 6-8 Wochen. In dieser Zeit erfährt die Mutter einige physiologische und psychologische Veränderungen durch die Rückbildung der schwangerschaftsund geburtsbedingten Veränderungen.

– knöcherne Becken – Das Becken verbindet den Rumpf mit den Beinen und sieht aus wie eine Schale, die nach unten hin offen ist. Bestehend aus den beiden Hüftbeinknochen, den Darmbeinschaufeln hinten, den Sitzknochen und den Schambeinknochen trägt es die inneren Organe und die ganze von oben kommende Last.

 

Lesen Sie auch: Sport und Schwangerschaft (Teil 1)

 

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Hanna Sandig

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