Gerade bei heißen Temperaturen hört man immer den Rat, man solle beim Laufen trinken, trinken und nochmal trinken. Grundsätzlich ist das nicht falsch. Allerdings gibt es bei der aufgenommenen Flüssigkeit ein „Zuviel des Guten“. Wer es mit dem Trinken übertreibt, kann sogar mit seinem Leben spielen.
Der Fall eines 30-jährigen Briten, der beim Triathlon in Frankfurt nach dem Zieleinlauf ums Leben kam, sorgte erst im Juli 2015 für Aufsehen. Denn im Gegensatz zu der Annahme, dass der Ausdauersportler bei Temperaturen über 40 Grad zu wenig getrunken hatte, war nicht Flüssigkeitsmangel die Todesursache, sondern mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit das Gegenteil der Fall. Wie Leo Latasch, Leiter des ärztlichen Rettungsdienstes beim Frankfurter Gesundheitsamt, gegenüber t-online.de erklärte, war wohl ein Hirnödem Schuld am Tod des Triathleten. Grund für das Ödem war eine zu hohe Flüssigkeitsaufnahme im Wettbewerb oder anders ausgedrückt, ist der Brite gestorben, weil er zu viel getrunken hat.
Zu wenig Natrium
Aus Angst vor einem Flüssigkeitsmangel trinken viele Ausdauersportler mehr als gut für sie ist. Nach einer amerikanischen Studie kann man bei rund der Hälfte aller Teilnehmer bei einem Ultramarathon oder einem Langdistanz-Triathlon Spuren für eine so genannte belastungsbedingte Hyponatriämie (EAH, Exercise-associated hyponatremia) feststellen. Dies kann sogar lebensgefährlich werden, wie die Forscher im Clinical Journal of Sport Medicine (2015; 25: 303-320) berichten. Daher gilt direkt der Rat an alle Ausdauersportler: nicht über den Durst trinken.
Das Gefährliche an der belastungsbedingten Hyponatriämie ist dabei nicht die Flüssigkeit, sondern der gestörte Elektrolyt-Haushalt. Vereinfacht gesagt wird durch das Wasser zu viel Natrium aus dem Körper geschwemmt, bzw. die Natrium-Konzentration im Körper nimmt so stark ab, dass es für den Organismus gefährlich wird, da der osmotische Druck im Blut sinkt. Als Folge wird Flüssigkeit von den Zellen sozusagen aufgesaugt und es kommt zu Wasseransammlungen in den Zellen. Das ist besonders im Gehirn gefährlich, da sich die Zellen hier nicht ausdehnen können. Typische Symptome für eine Hyponatriämie sind Benommenheit, Übelkeit, Kopfschmerzen oder auch Krampfanfälle als Folge eines Hirnödems.
Kontraproduktive Behandlung
Da die Symptome bei der Hyponatriämie ähnlich wie bei einem Flüssigkeitsmangel sind, ist die Behandlung direkt nach dem Zieleinlauf oft schwierig. So gab es in der Vergangenheit Fälle, in denen ein Sportler zusätzlich Infusionen mit Flüssigkeit bekommen hat, nachdem er im Ziel zusammengebrochen war, da die Ärzte von einem Flüssigkeitsmangel ausgegangen waren. Tatsächlich lag ein Fall von Hyponatriämie vor, sodass die Infusionen kontraproduktiv waren.
Die so genannte Wasservergiftung betrifft dabei aber nicht nur Extremsportler. Auch Hobbyläufer oder Wanderer können davon betroffen sein. So berichtet das Ärzteblatt, dass Untersuchungen bei Besuchern des Grand Canyon ergeben haben, dass rund 16 Prozent der Wanderer, die eine erste Hilfe Station aufgesucht hatten, erste Anzeichen einer Hyponaträmie aufwiesen.
Da die EAH nicht an körperliche Erschöpfung gebunden ist, ist eine Diagnose schwierig. Erschwerend kommt hinzu, dass angebliche Experten und vor allem die Werbung uns immer wieder glauben machen will, dass man nicht genug trinken kann. Als Folge schütten wir vor allem bei längeren Belastungen Unmengen Wasser in uns hinein und schwemmen so das Natrium aus unserem Organismus hinaus. Ein weiteres Problem ist, dass die Symptome direkt nach dem Rennen oder auch erst 24 Stunden nach der sportlichen Betätigung auftreten können. Trinkt man in dieser Zeit noch einmal mehr als der Durst es verlangt, kann sich das Risiko für eine EAH noch verstärken.
Richtig trinken beim Sport
Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung braucht unser Organismus weit weniger Flüssigkeit. Ein gesunder Körper kann Belastungen von 45min bis einer Stunde problemlos ohne Flüssigkeitsaufnahme bewältigen. Auch von der Empfehlung, schon vor dem Durst zu trinken, nehmen die Forscher um Tamara Hew-Butler von der Oakland University in Rochester im US-Staat Michigan Abstand. Ihre Empfehlung lautet vielmehr, auf den Körper zu hören und nur so viel zu trinken, bis der Durst gestillt ist.
Das gilt auch für so genannte isotonische Getränke. Diese enthalten zwar mehr Natrium als Leitungswasser, doch mit einem Gehalt von 10 bis 38mmol/l ist dieser immer noch um ein Vielfaches geringer als die Konzentration im Blut (ca. 140mmol/l).
Viel wichtiger als die Flüssigkeitsaufnahme ist daher, schon beim Sport auf eine ausreichende Natriumzufuhr zu achten. Daher werde bei den großen Rennen auch immer Salz oder zumindest salzige Lebensmittel wie Salzstangen oder salzige Kekse gereicht. Hier sollte jeder Sportler zugreifen, besonders wenn man wegen des heißen Wetters mehr getrunken hat. Ansonsten gilt es, auf den Körper zu hören und wenn man trotz ausreichende Flüssigkeitszufuhr unter Schwindel, Benommenheit oder Übelkeit leidet, einen Arzt aufzusuchen. Ein typisches Merkmal für eine EAH ist auch eine Schwellung im Bauch oder gar eine Gewichtszunahme. Spätestens wenn es zu Erbrechen, Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörungen und Krämpfen kommt, sollte man das Rennen abbrechen und sich in ärztliche Behandlung begeben. So hätte auch der Brite beim Frankfurt Triathlon möglicherweise sein Schicksal verhindern können.
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