Das Gewicht von Kettlebell geht weit auseinander und ist stark abgestuft. Welche Kettlebell ist die richtige für Sie? Pavel Tsatsouline erläutert, worauf Sie bei Ihrer Trainings-Kettlebell achten müssen.
Was ist eine Kettlebell? Es ist eine Kanonenkugel mit einem Griff. Ein kompromissloses, kompaktes Sport- gerät. Das Statement: »Ich habe die Nase voll von euren metrosexuellen Fitnessstudios! Ich bin ein Mann und will auch wie ein Mann trainieren!« Ein Kettlebell-Workout wirkt befreiend und ist so martialisch wie ein Schwertkampf. Es ist ein Sinnbild für das, was Ori Hofmekler als »Kriegerinstinkt« bezeichnet.
Viele Zeitgenossen geben ihren Kettlebells Namen, so wie sie auch ihrem Gewehr oder ihrer Pistole einen Namen geben. Sie versehen sie mit dem Wappen ihrer Militäreinheit. Sie lassen sich eine Kettlebell tätowieren. Die russische Kettlebell ist die Harley Davidson unter den Hanteln.
Mit der Kettlebell kann man seine Fitness rigoros und umfassend verbessern. Man erlangt Ganzkörperkraft, Ausdauer und Beweglichkeit und kann sein Körperfett reduzieren, ohne entwürdigende Aerobic-Kurse besuchen zu müssen. Alles das lässt sich mit nur ein oder zwei Stunden Training pro Woche erreichen – und mit einem kompakten und nahezu unzerstörbaren Hilfsmittel, das man überallhin mitnehmen kann.
Klassisch wird das Gewicht in Pud gemessen
Russische Kettlebells werden normalerweise in der Gewichtseinheit Pud angeboten. Das Pud ist eine alte russische Maßeinheit und entspricht etwa 16 Kilogramm oder zirka 35 amerikanischen Pfund. Die gängigste Kettlebell in Russland wiegt 1 Pud und eignet sich ideal für Einsteiger männlichen Geschlechts. 11⁄2 Pud bzw. 24 kg ist die Standardgröße, die beim Militär Verwendung findet. Dann gibt es noch die »Doppelte«, wie die 2-Pud- bzw. 32-kg-Kettlebell auch heißt, auf die vor allem fortgeschrittene gireviks zurückgreifen.
Schwere Kettlebells werden auch »Bulldoggen« genannt. »Schwer« liegt natürlich im Auge des Betrachters. Wir meinen damit in der Regel Kettlebells über 32 kg. Traditionelle Kettlebells wiegen maximal 48 kg, aber es gibt noch massivere Modelle. Der legendäre Gewichtheber Juri Wlasow beispielsweise besaß Spezialanfertigungen, die stolze 56 kg auf die Waage brachten. Als ihm diese eines Tages gestohlen wurden, war er zu Tode betrübt. Dragon Door stellt erstklassige gusseiserne Kettlebells im klassischen russischen Stil her, die zwischen 4 und 48 kg schwer sind.
Doch welche brauchen Sie nun?
Beginnen Sie zunächst mit nur einer Kettlebell. Wenn Sie über das nötige Kleingeld verfügen, können Sie sich aber auch gleich ein Set von drei oder vier Kettlebells zulegen (siehe Tabelle für die geeigneten Größen). Brauchen Sie zwei Kettlebells derselben Größe? Nein – noch nicht. Übungen mit zwei gleich schweren Kettlebells sind eine tolle Sache (schauen Sie sich nur einmal Senior RKC Mike Mahler an), aber nichts für Anfänger. Lernen Sie zunächst, eine zu beherrschen, gleichen Sie eventuell vorhandene Kraftdysbalancen aus, arbeiten Sie daran, die am Ende des Buchs beschriebenen Anforderungen für Snatches und Presses (Reißen und Drücken) zu erfüllen, dann sehen wir weiter. Ein durchschnittlicher Mann sollte mit einer 16-kg-Kettlebell anfangen. Was bedeutet »durchschnittlich«? – Wenn man das Bankdrücken als typische, wenngleich fragwürdige Messlatte betrachtet, sollten Männer, die hierbei weniger als 90 kg stemmen, mit einer 16 kg schweren Kettlebell beginnen. Wenn Sie mehr als 90 kg schaffen, eignet sich eine 20-kg-Kettlebell, die so viel wiegt wie eine große Hantelscheibe. Sie sollten keinesfalls mit 24 kg anfangen, es sei denn, Sie sind bereits Gewichtheber oder üben eine andere Form von Kraftsport aus.
Greifen Sie eher zu leichteren Kettlebells
Ich weiß, diese Gewichtsangaben klingen nicht nach viel, aber eine Kettlebell liegt wesentlich schwerer in der Hand, als ihr Gewicht suggeriert! Zur Veranschaulichung folgendes Beispiel: Einige Jahre lang veranstalteten wir an unserem Stand auf der Arnold Fitness Expo einen Wettbewerb, bei dem die Teilnehmer mit einer 40-kg-Kettlebell Military Presses ausführen sollten. Die Regeln waren denkbar einfach: Die Faust musste sich in der Ausgangsposition unterhalb des Kinns befinden und die Knie mussten durchgedrückt bleiben. Dabei musste die Kettlebell nicht einmal umgesetzt werden, denn ich wollte kein »Das ist alles Technik«-Gejammer« hören.
Seien wir einmal ehrlich: Einarmiges Überkopfdrücken mit einer 40-kg-Hantel ist nicht unbedingt eine Meisterleistung. Schon gar nicht für einen über 110 kg schweren Mann, der im Bankdrücken an die 180 kg schafft. Dennoch gelingt es den meisten mit der Kugelhantel nicht. Greifen Sie daher eher zu leichteren Kettlebells, wenn Sie welche bestellen. Das ist keine Schande. Selbst bärenstarke RKC-Männer wie Donnie Thompson und Marc Bartley, die Kniebeugen mit 450 kg schweren Langhanteln bewältigen, können mit 16 und 24 kg schweren Kettlebells schon eine Menge auf die Beine stellen.
Eine durchschnittlich trainierte Frau sollte mit 8 kg beginnen. Eine kräftige Frau dagegen kann mit 12 kg starten. Die meisten Sportlerinnen arbeiten langfristig auf ein Gewicht von 16 kg hin. Einige besonders athletische Frauen verwenden sogar noch schwerere Modelle. Catherine »Steel Kate« Imes, RKC, kann eine 32-kg-Kettlebell mehrmals in Folge drücken und stellt damit so manchen Mann in den Schatten.
Abstufungen bei Kettelbells relativ groß
Sie haben mittlerweile sicher bemerkt, dass die Gewichtsabstufungen bei den Kettlebells – im Gegensatz zu Kurzhanteln – relativ groß sind. Kleinere Abstufungen sind auch gar nicht nötig. Erfinderische gireviks benötigen keine Berge von Hanteln, um sich und den Trainingswiderstand zu steigern. Außerdem spart man so eine Menge Geld und Platz.
Greifen Sie nicht einfach aus Prinzip zu schweren Kettlebells, sondern orientieren Sie sich stets an Ihren Zielen. Anatoli Taras, ehemaliges Mitglied einer Spezialeinheit und führender Nahkampfexperte in der Sowjetunion, ist davon überzeugt, dass es ausreicht, wenn ein Kämpfer mit einer 24-kg-Kettlebell 50 Snatches pro Arm schafft. »So manch einer fragt sich wahrscheinlich, was dagegenspricht [noch mehr Wiederholungen zu machen]«, sagt Taras. »Das ist natürlich möglich, wenn man Zeit und Lust dazu hat; aber wenn man nicht gerade einen neuen Rekord aufstellen möchte, ist das nicht notwendig. Rekorde helfen einem Soldaten in einer Kampfsituation auch nicht weiter.«
Pavel Tsatsouline
Quelle
Pavel Tsatsouline: „Kettlebell-Training – Das Fitnessgeheimnis der russischen Spezialeinheiten“, Riva Verlag 2012