Auf dem Functional Training Summit in München referierte am vergangenen Wochenende der amerikanischen Pionier des funktionellen Trainings, Michael Boyle. Zudem zeigte er in praktischen Einheiten, wie Übungen aussehen können. Die Kernbotschaft: Functional Training sieht für jeden Athleten anders aus!
Vor rund 15 Jahren änderte Michael Boyle, schon damals erfolgreicher Coach von zahlreichen Profi-Sportlern, seine Sichtweise auf das Training. Wurden bisher Muskeln – mehr oder weniger – separat trainiert, wollte er nun Funktionen, also Bewegungen trainieren. Die Idee kann man an einem Beispiel erläutern: Gemeinhin wird die Ischiocrurale Muskulatur in Bauchlage durch eine Beinbeugung, also Anfersen gegen Gewicht trainiert. „Wie oft“, fragt Boyle während seines Vortrages, „liegen Sie auf dem Bauch und ziehen die Ferse an?“ Die Frage ist natürlich rhetorisch. Letztendlich arbeitet die Ischiocrurale Muskulatur in der Bewegung – wie alle anderen Muskeln auch – gegen die Schwerkraft, wirkt also als Beinstrecker. Hierin wird die geänderte Sichtweise gut deutlich.
Das Training muss dem Athleten gerecht werden
Im Training bedeutet dies, dass die Kraft-und Stabilisationsübungen meist im Stehen durchgeführt werden. Hierdurch werden sowohl Gleichgewicht, Stabiliät, als auch Kraft effektiv und sportspezifisch trainiert. Boyle: „Meine Idee war nicht: ‚Heute entwickele ich Functional Training’. Ich wollte ein Training entwickeln, dass dem Athleten indivduell gerecht wird und auf seine Bedürfnisse angepasst ist. Die wichtigste Frage, die sich ein Trainer oder Sportler stellen muss ist: Warum mache ich diese Übung?“ Gibt es hierauf keine Antwort, kann man diese auch streichen. (Lesen Sie auch: Bringen Sie Funktionalität in Ihr Training!)
Letztendlich meint „funktionell“ also eher „spezifisch“ und „bewegungsbezogen“. Isoliertes Muskeltraining entspricht nicht den Anforderungen, die einen Sportler im Wettkampf gestellt werden, so Boyle. „Das bloße verwenden einer Kettlebell, eines SlingTrainers oder eines Therabandes ist noch kein funktionelles Training. Wer das glaubt ist dumm.“ Klare Worte des Pioniers. Letztendlich kann funktionell auch sehr unterschiedlich sein. Für einen Ruderer machen beispielsweise beidbeinige Kniebeugen Sinn, während für Fußballer oder Basketballer eher einbeinige Übungen zielführend sind. Ein weiterer wesentlicher Faktor in der Planung des Trainings ist für Michael Boyle der Aspekt Sicherheit. Wie kann ich eine Übung so gestalten, dass der Sportler einem möglichst geringen Verletzungsrisiko ausgesetzt ist.
Functional wird häufig missinterpretiert
Beidbeinige Kniebeugen mit hohen Gewichten auf dem Nacken (z.B. einer Langhantel) können – vor allem falsch ausgeführt – problematisch für den Rücken sein. Die Verwendung einer Kurzhantel oder Kettlebell im sogenannten Goblet-(Kelch) oder Front-Squad hingegen vereinfacht die Ausführung, da der Trainierende automatisch aufrechter agiert. Dies nur als ein Beispiel. Der Begriff „Functional Training“ wird heutzutage also leider oft völlig missinterpretiert. Wir werden uns daher in den kommenden Wochen konkrete Umsetzungsvarianten und Hilfestellungen für Ihr Training zu geben. Damit Sie dieses so individuell und effektiv wie möglich auf Ihre Bedürfnisse anpassen können.
Thomas Spöring