Die Stressreaktionen zeigen sich in individuellen Unterschieden letztlich im gesamten Organismus. Einige wichtige und ausgewählte körperliche Anpassungsprozesse in einer Stresssituation seien in diesem Artikel vorgestellt.
Die Stress-Reaktion ist evolutionsbiologisch sinnvoll
In den vergangenen Artikeln wurden bereits einige wichtige Facetten des Stressgeschehens beschrieben. Dabei wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass kurzfristiger Stress an sich nichts Schlechtes ist, sondern evolutionsbiologisch betrachtet, eine sehr sinnvolle Reaktion darstellt. Die Stress-Reaktion versetzt den Organismus blitzartig in einen Aktivierungszustand, der das Lebewesen dazu befähigt, einer herausfordernden Situationen oder Gefahr angemessen zu begegnen. Dieser Aktivierungszustand ermöglicht es dem Lebewesen dann die Situation zum Beispiel durch Flucht oder Angriff zu bewältigen.
Die Uhr der Evolution tickt immer noch
Dieses „evolutionäre Stressprogramm“ läuft heute in uns noch genau so ab wie in der Urzeit. Nur die Art des Stresses ist heute anders. Trainings- und vor allem Wettkampfsituationen können heute beispielsweise typische Stress-Reize für den Sportler bedeuten und die Stress-Reaktion auslösen. Gerade in Bezug auf sportliche Herausforderungen lässt sich einfach nachvollziehen, wie sinnvoll es ist, den Organismus durch eine Aktivierungsreaktion auf das Kommende vorzubereiten. Ein adäquater Spannungszustand und Energiefluss sind in der Regel notwendig, damit der Sportler leistungsbereit ist und sein Leistungspotenzial abrufen kann.
Typische Stressreaktionen im Überblick
Die Stressreaktionen zeigen sich in individuellen Unterschieden letztlich im gesamten Organismus. Einige wichtige und ausgewählte körperliche Anpassungsprozesse in einer Stresssituation seien hier nun kurz vorgestellt:
1. Herz-Kreislauf-System/Atmung
Die Bronchien werden erweitert, die wird Atmung beschleunigt. So kann mehr Sauerstoff aufgenommen werden. Blutdruck und Herzfrequenz nehmen zu. Die Durchblutung der nun wichtigen Organsysteme wie Herz, Gehirn und Arbeitsmuskulatur steigt. Derartige Veränderungen zum Normalzustand lassen sich häufig deutlich wahrnehmen (zum Beispiel an der beschleunigten Atmung und Herzfrequenz, an einem erröteten Kopf, an kalten Händen und Füßen und Ähnlichem).
2. Stoffwechsel
Zucker und Fettsäuren werden für die vermehrte Arbeit von Gehirn beziehungsweise Arbeitsmuskulatur bereitgestellt, während die Verdauung gedrosselt wird. Spürbar ist das möglicherweise am reduzierten Speichelfluss, der als Trockenheit im Mund wahrgenommen wird.
3. Arbeitsmuskulatur (Skelettmuskulatur)
Die Arbeitsmuskulatur wird für die möglicherweise bevorstehende hohe Aktivität besser durchblutet. Dadurch ist die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen sichergestellt. Die Anspannung der Muskulatur erhöht sich (für viele deutlich spürbar – „Verspannungen“!?). Ebenso wird die Geschwindigkeit motorischer Reflexe erhöht.
4. Immunsystem
Die Immunkompetenz wird für begrenzte Zeit gesteigert, indem zum Beispiel die Anzahl der körpereigenen „Killerzellen“ zunimmt. So können Fremdkörper, die möglicherweise bei einem Zweikampf über offene Wunden in den Körper eindringen können, unschädlich gemacht werden.
5. Verschiedene weitere körperliche Reaktionen
Beispielsweise weiten sich die Pupillen, um die Gefahr besser erkennen zu können. Auch nimmt die Blutgerinnungsfähigkeit zu, um möglicherweise entstehende Wunden schneller verschließen zu können. Die Empfindlichkeit gegenüber Schmerzen wird hormonell gesenkt. Die Schweißproduktion steigt, um den möglicherweise auf Hochtouren gebrachten Körper zu kühlen. Das sexuelle Verlangen ist im Moment unwichtig und wird gedrosselt.
Ausblick
Vielleicht nehmen Sie in der nächsten Zeit ja nun einmal bewusster und genauer wahr, welche körperlichen Anzeichen bei Stress Sie bei sich selbst entdecken!? Das hilft Ihnen bei Ihrem Mental Training.
Es soll abschließend noch einmal betont werden, dass die beschriebenen Umstellungsprozesse des Körpers als Reaktion auf eine akute Stressbelastung biologisch gesehen, erst einmal normal und sinnvoll sind. Die Gesundheit eines intakten Organismus wird erst gefährdet, wenn Stressbelastungen sehr lange auf ihn einwirken. Über die auch psychologischen Folgen von chronischem Stress wird in einem der nächsten Artikel berichtet.
Jörg Schönenberg