Erkrankungen und Todesfälle bei Sportlern – der plötzliche Herztod

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Sollte es Vorsorgeuntersuchungen geben, um den plötzlichen Herztod zu verhindern? Dieser Beitrag untersucht das Phänomen des plötzlichen Herztods.

Querschnitt des Herzens

Querschnitt des Herzens   © trainingsworld

Stadion von Olympique Lyonnais, Lyon, 26. Juni 2003. In der 71. Minute des Halbfinalspiels um den Confederations Cup zwischen Kamerun und Kolumbien brach der 28-jährige Kameruner Mittelfeldspieler Marc-Vivien Foe plötzlich zusammen. Obwohl das Spiel gleich unterbrochen und Foe innerhalb weniger Minuten medizinisch versorgt wurde, erlitt er einen Herzstillstand und verstarb. Bei einer später durchgeführten Autopsie wurde eine hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie (HOCM oder HCM) nachgewiesen, eine angeborene Erkrankung, die bis zu diesem Abend unentdeckt geblieben war.

Das Entsetzen über Foes Tod wird am besten durch einen Fan wiedergegeben, der schrieb: „Ich war und bin immer noch tieftraurig und schockiert über die Nachricht von Marcs Tod. Wie konnte dies einem so jungen, trainierten und starken Mann wie Marc passieren? Wie konnte er einfach umfallen und sterben?“

Obwohl der Sport bei jungen Menschen in der Regel eine Menge körperlicher und psychischer Vorteile bringt, ist ein rigoroses Training für eine kleine Minderheit von ihnen eine lebensbedrohliche Aktivität. Die meisten Todesfälle bei jungen Menschen werden durch „vererbte oder angeborene strukturelle oder funktionelle Anomalien“ des Herzens verursacht, die Herzrhythmusstörungen auslösen und zu einem plötzlichen Herztod(1) führen können.

Barry Maron, ein US-amerikanischer Arzt und führender Forscher über den plötzlichen Herztod, hat die häufigsten Todesursachen bei jungen Menschen untersucht(2) und war maßgeblich an der Veröffentlichung von Richtlinien für diese Erkrankungen und deren Bedeutung im Wettkampfsport beteiligt(3,4).

 

Todesursache

Häufigkeit (% aller plötzlichen Herztode)

Empfohlene Intensität/Sportart

Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) und Erkrankungen, die auf HCM hinweisen

33,9

Nur Sportarten mit geringer Wettkampfintensität (z. B. Bowling)

Commotio Cordis („Herzerschütterung“)

19,9

keine

Anomalien der Koronararterie

13,7

Wettkampfsportarten erst wieder 6 Monate nach der chirurgischen Korrektur, vorausgesetzt, die Nachuntersuchungen erbrachten normale Werte

Myokarditis (Herzmuskelentzündung)

5,2

6 Monate keine Wettkampfsportarten und ein Wiedereinstieg nur dann, wenn eine ärztliche Untersuchung normale Werte ergibt

Rupturiertes Aortenaneurysma

3,1

Risikopersonen können an leichten Wettbewerbssportarten teilnehmen, vorausgesetzt, es gibt in der Familie keine Häufung von plötzlichem Herztod und der Durchmesser der Aortenwurzel liegt im Normalbereich

Tab. 1: Hauptsächliche Ursachen für den plötzlichen Herztod von jungen Sportlern und Empfehlungen für deren sportliche Betätigung

Hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie (HOCM)

HOCM ist die häufigste Ursache für den plötzlichen Herzstillstand bei jungen Sportlern und tritt in der Bevölkerung bei einem von 100 Menschen auf. Die Erkrankung zeichnet sich durch eine deutliche Verdickung (Hypertrophie) der Muskelzellen (Myokardium) des linken Herzventrikels aus. in 90 % der Fälle ist auch die Wand zwischen den Herzkammern betroffen.

Dies hindert das Blut daran, den linken Ventrikel zu verlassen und den normalen Weg durch die Aorta zu nehmen. Die Kombination einer Abflussbehinderung und der Verdickung führt zu einer umfassenden elektrischen Instabilität und kann zu einem deutlichen Anstieg ventrikulärer Arrhythmien und zum plötzlichen Herztod führen.

Zur Zeit sterben jedes Jahr 3 % der Erwachsenen und 6 % der Kinder an HCM. In Großbritannien wurde die breite Öffentlichkeit im Jahr 1992 durch den Tod von Daniel Yorath, einem viel versprechenden Juniorfußballspieler und Sohn von Terry Yorath, dem damaligen Manager der walisischen Fußballmannschaft, auf HCM aufmerksam. Daniels Fall verweist auf zwei wichtige Probleme, die eine Diagnose von HCM erschweren:

 

– Daniel, der kurz vor seinem Tod einen Vertrag bei Leeds United unterzeichnet hatte, war ein junger Profifußballer, der körperlich fit und in einer ausgezeichneten gesundheitlichen Verfassung war. Obwohl sich HCM durch Symptome wie Brustschmerzen, Kurzatmigkeit und Bewusstlosigkeit (was manchmal zu Krampfanfällen führt) bemerkbar machen kann, sind die meisten Jugendlichen symptomfrei und führen ein normales, aktives Leben.

– HCM kann durch bereits davon betroffene Eltern vererbt werden, aber in den meisten Fällen gibt es keine diesbezügliche familiäre Belastung. Daniels Familie gab keine Hinweise auf HCM – Terry Yorath war sogar jahrelang selbst ein erfolgreicher Profifußballer gewesen.

 

Daniel Yoraths Fall macht deutlich, dass eine sorgfältige Familienanamnese nicht ausreicht, um alle Fälle von HCM erkennbar zu machen. Weiterführende Untersuchungen schließen in der Regel eine ärztliche Untersuchung und ein Elektrokardiogramm (EKG) sowie eine Echokardiografie ein. Genetische Tests können zwar durchgeführt werden, stehen aber bislang nicht flächendeckend zur Verfügung.

 

Commotio Cordis („Herzerschütterung“)

Hierbei wird der plötzliche Herztod durch einen häufig unabsichtlichen, stumpfen Schlag gegen den Brustkorb ausgelöst. In einer im Jahr 2002 veröffentlichten Studie wurden 128 US-amerikanische Fälle von Commotio Cordis bei jungen Sportlern aus einem Zeitraum von 5 Jahren untersucht. Die Studie ergab, dass die meisten Opfer männlich (95 %)und jünger als 18 Jahre (72 %) waren und noch vor Ort verstarben (82 %)(5).

Während sich die meisten Fälle (68 %) bei organisierten Sportveranstaltungen ereigneten, u.a. Baseball und Eishockey, stellten die Autoren fest, dass die restlichen Fälle auf Spielplätzen, in Parks oder Gärten infolge von unabsichtlichen Schlägen gegen den Brustkorb auftraten. Man geht davon aus, dass verbesserte Schutzeinrichtungen und ein besserer Zugang zu tragbaren Defibrillatoren dazu beitragen würden, diese Todesursache auszuschalten

 

Anomalien der Koronararterien

Normalerweise erfolgt die Blutzufuhr des Herzens über die rechte und linke Koronararterie. Diese zweigen an 2 einzelnen Stellen von der Aorta ab, die sich unmittelbar über der Aortenklappe befinden. In seltenen Fällen kann die linke Koronararterie an der Seite sein, an der normalerweise die rechte Koronararterie zu finden ist. Das führt zu einem deutlich erkennbaren Knick am Anfang der Arterie, der während des Trainings eine Kompression der Blutgefäße zwischen der Aorta und den Pulmonalgefäßen verursacht.

Die Folge sind ein plötzlicher Abfall in der Blutzufuhr des linken Ventrikels und die Zerstörung großer Teile des Herzmuskels. Obwohl man dieses Krankheitsbild durch eine Operation beheben kann, ist eine Diagnose schwierig und häufig nur mittels invasiver Verfahren, wie z. B. einer Koronarangiografie, feststellbar.

 

Myokarditis (Herzmuskelentzündung)

Bei der Myokarditis handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung, die eine Zerstörung der Herzmuskelwand zur Folge hat und sowohl zu Herzversagen als auch einem plötzlichen Herztod führen kann. Harmlose Virusinfektionen mit den Symptomen einer Grippe oder einer üblichen Erkältung sind die häufigsten Ursachen für Myokarditis. Man geht davon aus, dass bis zu 5 % der Patienten mit einer akuten Viruserkrankung bis zu einem gewissem Grad auch an einer Myokarditis leiden.

Obwohl diese schnell abklingt und keine Langzeitschäden verursacht, kann es bei einer Minderheit zu einer raschen Verschlechterung oder einer schwereren Erkrankung kommen (chronische aktive Myokarditis), die Monate, wenn nicht sogar Jahre braucht, um auszuheilen. Beide Erkrankungen können Arrhythmien und einen plötzlichen Herztod auslösen.

Es ist daher durchaus sinnvoll für junge Sportler, während einer Viruserkrankung mit dem Training auszusetzen und den Arzt aufzusuchen, wenn sie Herzsymptome, wie z. B. Brustschmerzen, unerklärliche Kurzatmigkeit oder Bewusstlosigkeit, erleben.

 

Rupturiertes Aortenaneurysma

Jugendliche mit dem Marfan-Syndrom bilden die größte Risikogruppe für ein rupturiertes Aortenaneurysma. Diese ausgeprägte Erkrankung wird direkt von einem Elternteil vererbt und verursacht Anomalien bei der Bildung des Bindegewebes. Infolgedessen ergeben sich eine Reihe klinischer Merkmale (siehe Kasten), die bei einer ärztlichen Untersuchung festgestellt werden können, sowie ein hohes Risiko von Anomalien an der Aorta. Vorausgesetzt, dass die Maße der Aorta innerhalb der Normalgrenzen liegen, können Menschen mit dem Marfan-Syndrom unbesorgt an einer großen Bandbreite von Wettkampfsportarten teilnehmen.

 

Merkmale des Marfan-Syndroms:

– hochgewachsen mit disproportional langen Beinen

– ungewöhnlich lange und schlanke Finger und Zehen

– Hyperlaxizität der Gelenke, Überstreckbarkeit der Gelenke

– Verbiegung der Wirbelsäule, wie z. B. Skoliose und Kyphose

– hoher Gaumen

– Sehstörungen, wie z. B. Kurzsichtigkeit und Blindheit

 

Weitere Ursachen für den plötzlichen Herztod

Für den plötzlichen Herztod junger Sportler kann auch eine Reihe anderer Krankheiten und Bedingungen verantwortlich sein. Obwohl vererbte Anomalien für die meisten Todesfälle verantwortlich sind, gibt es auch andere Ursachen, wie z. B. Asthma und Hitzschlag. In den letzten Jahren mehren sich die Hinweise, dass Stimulanzien wie Amphetamine und Kokain ebenfalls eine Rolle spielen können. Hierfür fehlen jedoch noch schlüssige Beweise. Bei ca. 2% aller Fälle eines plötzlichen Herztods können keine herzbedingten Ursachen gefunden werden.(1)

 

Identifizierung von Risikopatienten

1982 verabschiedete die italienische Regierung das Gesetz zum medizinischen Schutz bei sportlichen Aktivitäten, um sicherzustellen, dass alle jungen Sportler, die im Verein Sport treiben wollen, sich regelmäßig Voruntersuchungen unterziehen.

Die Untersuchung besteht aus 3 Teilen:

– einer umfassenden Anamnese

– einer körperlichen Untersuchung

– einem Elektrokardiogramm

 

Die Ergebnisse sind beeindruckend: Während die Häufigkeit von HCM in der italienischen Bevölkerung mit der in den USA vergleichbar ist, gibt es in Italien keine auf HCM zurückzuführenden plötzlichen Todesfälle.(7) Die American Heart Association hat dies bestätigt und erklärt, dass „vor Aufnahme der sportlichen Aktivität eine kardiovaskuläre Voruntersuchung bei High-School-Schülern und College-Studenten aufgrund ethischer, rechtlicher und medizinischer Grundlagen gerechtfertigt und zwingend sei.“(8)

Wie sollte man also vorgehen? Die 3 Komponenten der italienischen Voruntersuchung scheinen ein geeigneter Start zu sein.

 

– Anamnese
Die kleine Anzahl jener Personen, die besonders gefährdet sind, lässt Rückschlüsse auf diese Erkrankung zu. In den USA empfiehlt die Sudden Arrhythmia Death Syndrome Foundation einen 9-Fragen-Katalog (für die Eltern) für den 1. Teil der Untersuchung zum plötzlichen Herztod.

ja

nein

Wurde Ihr Kind WÄHREND des Trainings, aufgrund heftiger Gefühlsregungen oder wenn es sich erschreckt hatte, jemals ohnmächtig oder bewusstlos?

Wurde Ihr Kind jemals NACH dem Training ohnmächtig oder bewusstlos?

Hat Ihr Kind in Verbindung mit einem Training jemals extreme Müdigkeit erlebt (anders als andere Kinder)?

Wies Ihr Kind während des Trainings jemals eine ungewöhnlche oder extreme Kurzatmigkeit auf?

Hat Ihr Kind während des Trainings jemals über Unwohlsein, Schmerzen oder über ein Druckgefühl in der Brust geklagt?

Wurde bei Ihrem Kind jemals ein unerklärlicher Krampfanfall diagnostiziert?

Gibt es Mitglieder in Ihrer Familie, die vor dem Erreichen des 50. Lebensjahres einen unerwarteten, unerklärlichen Tod erlitten haben (inkl. plötzlicher Kindstod, Autounfall, Ertrinken)?

Gibt es Familienmitglieder, die vor dem Erreichen des 50. Lebensjahres an Herzproblemen verstorben sind?

Gibt es Familienmitglieder, die an unerklärlichen Ohnmachtsanfällen oder Krampfanfällen leiden?

Tab. 2: Fragebogen der Sudden Arrythmia Death Syndrome Foundation 

Körperliche Untersuchung

Diese sollte von einem qualifizierten Arzt durchgeführt werden und das Hauptaugenmerk auf das Herz-Kreislauf-System legen.

Elektrokardiogramm (EKG)

Das 12-Punkte-EKG weist bei 95 % der Patienten mit HCM Anomalien auf und zeigt auch häufig Unregelmäßigkeiten bei anderen lebensgefährlichen Koronaranomalien. Leider sind bei einer Reihe von gut trainierten jungen Sportlern Abweichungen bei den Aufzeichnungen keine Seltenheit, wie z. B. ein langsamer Herzschlag oder andere Formen des Herzblocks, wohingegen sie bei älteren, bewegungsärmeren Menschen auf eine Störung hinweisen. Nichtsdestotrotz sollten abweichende Werte immer kontrolliert werden.

 

Der nächste Schritt im Diagnoseverfahren ist die Echokardiografie. Das Echokardiogramm liefert eine sehr präzise Sicht auf die strukturellen Anomalien des Herzens und gilt als „Goldstandard“-Test für den Nachweis von HCM, Aortenwurzelerkrankungen und Veränderungen der linken Ventrikelfunktionen, die auf schwere Fälle von Myokarditis verweisen.

 

Schlussfolgerung

Es hat sich als unglaublich schwierig erwiesen, ein standardisiertes Untersuchungsverfahren für den plötzlichen Herztod zu erstellen. Mit Ausnahme von Italien gibt es in Westeuropa kein einziges Land mit einem nationalen Programm zur Identifizierung von gefährdeten Personen. Selbst in den USA, von wo die meisten Impulse zur Einführung von Vorsuchungen kommen, haben bisher nur 17 Bundesstaaten eine Strategie verabschiedet, die der American Heart Association als „geeignet“ erscheint.

Allein in den USA nehmen 4 Millionen Jugendliche regelmäßig an Sportwettkämpfen teil. Dies bedeutet, dass mehr als 8.000 Personen HCM haben könnten und jedes Mal ihr Leben riskieren, wenn sie das Basketballspielfeld oder den Fußballplatz betreten. Sollten wir da nicht lieber aktiv werden?

 

Jeremy Windsor ist Anästhesist am North Middlesex Hospital und Forschungsassistent am Institute of Human Health and Performance des University College London. Als Teilnehmer der Xtreme Medical Expedition bestieg er im Mai 2001 den Gipfel des Mount Everest.

 

Quellenangaben:

1. Maron B.J. Sudden death in young athletes, The New England Journal of Medicine, Bd. 349, S. 1064-1075

2. Maron B.J. et/al. Sudden death in young competitive athletes: clinical, demographic and pathological profiles, The Journal of the American Medical Association, 1996, Bd. 276, S. 199-204

3. Glover D.W., Maron B.J. Profile of preparticipation cardiovascular screening for high school athletes, The Journal of the American Medical Association, 1998, Bd. 279, S. 1817-1819

4. Firoozi S., Sharma S., McKenna W.J. Risk of competitive sport in young athletes with heart disease, 2003, Heart Bd. 89, S. 710-714

5. Maron B.J. et/al Clinical profile and spectrum of commotion cardis, The Journal of the American Medical Association, 2002, Bd. 287, S. 1142-1146

6. See SIB44, November 2004, “A heart rate out of control” by W.J. McKenna and S. Sen-Chowdhry

7. Pelliccia A. et/al. Evidence for efficacy of the Italian national pre-participation screening programme for identification of hypertrophic cardiomyopathy in competitive athletes, 2006, Bd. 27, S. 2196-2200

8. Maron B.J., Pellicia A., Spirito P. Insights into methods for distinguishing athlete’s heart from structural heart disease with particular emphasis on hypertrophic cardiomyopathy

 

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