„Ich bereue es keine Sekunde, dass ich hierhergekommen bin…“

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An 41 Eliteschulen des Sports werden aktuell in Deutschland mehr als 11.000 sportliche Talente gefördert. Eines dieser Talente ist die Judoka Anna-Maria Wagner, die in diesem Jahr verschiedene nationale und internationale Erfolge feiern konnte und seit Kurzem in Stuttgart wohnt und trainiert.

Das Haus der Athleten in Stuttgart

Im Haus der Athleten in Stuttgart gibt es mehrere Etagen. Eine Etage bildet das Sportinternat. Auf einer anderen Etage

Anna-Maria Wagner beim Judo-Training

wohnen Athleten, die schon älter als 18 sind und selbständig ihren Alltag gestalten. Neben den Judokas sind prioritär Turner, Leichtathleten und Wasserballer im Internat untergebracht. Die Internatsathleten haben die Wahl zwischen 6 naheliegende Partnerschulen des OSP. Diese Schulen bilden als Verbund die Eliteschule des Sports und erfüllen mehrere Kriterien. Neben den üblichen Freistellungen für Wettkämpfe und Trainingslager, Stütz- und Nachhilfeunterricht, werden Athleten zum Beispiel auch vormittags für diverse Trainingseinheiten freigestellt. Des Weiteren sind Unterrichtsbefreiungen für einzelne Fächer möglich und die Planung des Stundenplans wird auf die sportlichen Anforderungen abgestimmt.

 

Anna-Maria Wagner, die Ehrgeizige

Diese Vorzüge kann auch Anna-Maria Wagner genießen. Die 17-Jährige kommt aus Ravensburg und wohnt seit September 2012 im Sportinternat. Die 1,82 m große Athletin konnte im März dieses Jahres den Deutschen Meistertitel in der Jugendkategorie gewinnen und etwas später wurde sie sogar Vizemeisterin bei den Juniorinnen. Sie gehört seit Kurzem dem C- Kader an und hat laut Trainer Mirko Grosche sehr viel Potential. Sie befindet sich in ihrem letzten Jugendjahr, könnte dort in ihrer bisherigen Gewichtsklasse viele Erfolge feiern, doch sie und die Trainer haben sich für einen Gewichtsklassenwechsel entschieden und planen damit langfristig in die Zukunft. Dies heißt jedoch für Anna-Maria, dass sie in diesem letzten Jugendjahr +70 kg kämpfen muss, da es international keine Kategorie -78 kg gibt. Im bereits angebrochenen Jahr ist das Ziel, die konditionelle Basis zu legen, das Wichtigste. „Es wäre verantwortungslos gewesen, Anna-Maria weiterhin -70 kg starten zu lassen. Wir unterstützen viel „Gewicht machen“ im Jugendbereich generell nicht und sie hätte damit auch ein Jahr Aufbau verpasst“, meint ihr Trainer am Sportinternat Mirko Grosche. Die Hauptaufgabe in den nächsten Trainingsjahren liegt also vor allem darin, physisch die Voraussetzungen zu schaffen, damit Anna-Maria mit ihrer Größe auch so verletzungsfrei wie möglich trainieren und Leistungssport betreiben kann. Diesbezüglich war sich das ganze Trainerteam, mit Mirko Grosche, Jenny Schmidt und den Landestrainern Rok Kosir und Janos Bölcskei einig. Mit diesen Grundgedanken geht das Trainerteam auch die technische Entwicklung an.

Ziel ist es, Anna-Maria zu einer kompletten Athletin zu entwickeln, so dass sie bei den Frauen -78kg international konkurrenzfähig wird. Mirko Grosche sagt dazu: „Meine Aufgabe ist es vor allem vorsichtig mit ihr umzugehen, sie Schritt für Schritt langfristig aufzubauen, kurzfristige Erfolge sind vorerst unwichtig“. Mirko Grosche freut sich auf diese Teamarbeit, ist die Zusammenarbeit mit Frauen für ihn doch nicht gerade Alltag. Er ist neben der Aufgabe als Internatstrainer seit mehreren Jahren Landestrainer für die Männer U21. Die Situation ist jedoch nicht ganz neu, waren in der Vergangenheit auch schon mal Frauen in seiner Trainingsgruppe. Die Erfahrung hat ihm gezeigt, dass die Trainingseinstellung der Frauen oft engagierter und zuverlässiger ist, wenn sie sich für den Leistungssport entschieden haben. Und genau dies beobachtet Mirko Grosche auch bei Anna-Maria. Anna-Maria trainiert sehr fleißig und ist eine Athletin, die sich auch mal selber Gedanken macht und sich ins Training mit einbringt. Sie akzeptiert jedoch auch Entscheidungen, die nicht immer ganz ihren Vorstellungen entsprechen und kann damit professionell umgehen. Diese Art schätzt Mirko sehr.

Vorbilder hat Anna-Maria keine. Sie bewundert natürlich die Leistung anderer Sportler, möchte jedoch ihren eigenen Weg gehen. Sie zählt ihren Ehrgeiz und Willen zu ihren größten Stärken und denkt, dass diese Eigenschaften sie auch in anderen Sportarten hätten weitbringen können. Doch Judo ist die richtige Sportart, da ist sich die Nachwuchsathletin sicher. Zum Judo gekommen, ist Anna-Maria über eine Schul-AG in der 2. Klasse. „Von Beginn weg hatte ich viel Spaß. Technik, Kraft, Koordination, Ausdauer, mentale Stärke usw. alle Bereiche sind wichtig und müssen trainiert werden und diese Vielseitigkeit spricht mich an“, meint Anna-Maria. Aber auch die anderen Judokas regelmäßig zu sehen, zusammen zu trainieren, also das ganze Umfeld gefallen ihr.

 

Anna-Maria, die Fleißige

Anna-Maria steht frühzeitig auf, frühstückt manchmal alleine, ab und zu auch mit den anderen Athleten des Internats. Danach geht es zum Training. Das Training findet derzeit leider noch nicht auf dem Gelände statt. Die weitauseinanderliegenden Trainingsstätten sind ein Nachteil, doch noch in diesem Jahr soll auf dem OSP-Gelände eine Trainingsmöglichkeit geschaffen werden, damit die ohnehin schon knappe Trainingszeit optimaler genutzt werden kann. Nach dem Training geht Anna-Maria zur Schule. Mittags kocht sie sich selbst etwas, weil sie die angebotene Mahlzeit des Internats am Abend meistens nicht in Anspruch nehmen kann. Danach ist Zeit für Hausaufgaben, Lernen und um den versäumten Unterrichtsstoff nachzuholen. Hierzu kann auch Hilfe in Anspruch genommen werden, doch diese hatte Anna-Maria bisher nicht nötig. Sie regelt alles selbständig und hat alles im Griff. Abends fährt Anna-Maria mit den anderen Judoka des Internats zu einer der geplanten Trainingseinheiten in der Region. Müde vom langen Tag fällt sie meist schnell in den Schlaf und träumt gerne von weiteren Erfolgen. Bald wird bekannt gegeben, wer zu den Nominierten der Großanläße (EM, EYOF oder WM) in diesem Jahr gehört. Gerne wäre sie an einer der Meisterschaften dabei und würde dort gerne zeigen, was alles in ihr steckt. „Ansonsten will ich einfach immer Schritt für Schritt weiterkommen, nicht stehenbleiben, dann ergibt sich schon alles“, meint Anna-Maria mit viel Selbstvertrauen

 

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Karin Ritler Susebeek

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Karin Ritler Susebeek

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