„Versagen unter Leistungsdruck“, dieser Ausdruck wird häufig gebraucht, wenn Sportlerinnen oder Sportler, von denen man eigentlich mehr erwartet hätte, nur unterdurchschnittliche Leistungen bringen. In diesem Zusammenhang hat ein Experte das Wort „Druck“ definiert als „ein Faktor oder die Kombination mehrerer Faktoren, die dazu führt, dass ein gutes Abschneiden aus einem bestimmten Grund extrem wichtig wird“. „Versagen“ beschreibt er als „Leistungsabfall in Drucksituationen“.
Laborexperimente liefern beständige Anhaltspunkte dafür, dass „Versagen unter Leistungsdruck” ein reales Symptom ist. Aber wie verbreitet ist es wirklich unter hoch qualifizierten Sportlern? Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind widersprüchlich: einige unterstützen das Konzept, andere wiederum nicht.
Um weiteren Aufschluss über die Kontroverse zu geben, hat der texanische Psychologe Russel D. Clark im Jahre 1999 eine weiträumige Studie unter US-Profigolfspielern während dreier Golfturnier-Serien durchgeführt: der Professional Golfers’ Association (PGA) Tour, der Senior PGA Tour und der Damen PGA Tour mit insgesamt 114 Turnieren. Bei jedem Turnier wurden in der Endrunde die Ergebnisse der Turnierführenden bzw. -zweiten (mit 1 Schlag Rückstand auf den Führenden) mit den Ergebnissen der Spieler verglichen, die 2, 3, 4 oder 5 Schläge von der Führung entfernt waren.
Clark überprüfte die folgende Hypothese: Der höchste Druck – und somit auch die größte Versagensangst – lastet auf den Spielern, die nur 1 Schlag hinter dem Führenden liegen. Die Führenden selbst verspüren marginal weniger Druck. Auf jeden Fall würden diese beiden Spieler mehr Druck verspüren als diejenigen Spieler, die mit 4 oder 5 Schlägen zurückliegen, da deren Gewinnaussichten geringer sind. Sollten Profi-Golfer wirklich unter Druck versagen, so müssten der Führende und der Zweite in der Wertung höhere (d.h. schlechtere) Endrundenergebnisse erzielen als die Spieler, die 2 oder mehr Schläge von der Führung entfernt sind.
Eine 2. Hypothese ging davon aus, dass der Druck – und somit die Wahrscheinlichkeit zu versagen – bei den hochrangigen Turnieren höher sein müsste als bei den weniger prestigeträchtigen Turnieren. Die Ergebnisse der Studie haben jedoch keine der beiden Hypothesen gestützt. Die Endrundenergebnisse zeigten, dass die Mehrheit der Spieler mit niedrigen Scores (d.h. mit weniger Schlägen und somit führend im Wettbewerb) nicht unter Druck versagen. Sowohl bei den hoch- als auch bei den zweitrangigen Turnieren aller 3 Serien konnten keine Unterschiede bei den Endrundenergebnissen der Turnierführenden bzw. -zweiten zu den Spielern mit 2–5 Schlägen Rückstand festgestellt werden. Zudem haben die Spieler, die auf dem ersten Platz in die Endrunde eingezogen sind, zum großen Teil auch die einzelnen Turniere gewonnen – und dies serienübergreifend.
Der Autor räumt ein, dass die Studie insofern limitiert ist, als dass sie auf Archivdaten basiert und daher keine direkte Beurteilung der Spieler und deren psychischer Verfassung möglich war. Dennoch folgert er: „Der mangelnde Rückhalt, den die Hypothese des „Versagens unter Leistungsdruck“ durch die vorliegende Studie erfährt, lässt darauf schließen, dass diese unter Profigolfspielern durch Ergebnisse der Laborstudien überbewertet werden.“
Percept Mot Skills, 2002, Bd.94, S.1124-1130