Als große Gefahr für Sportler wurde lange Zeit das Übertraining betrachtet, das als Zustand der Überlastung und Übermüdung des Organismus angesehen wurde. Einige aktuelle Entwicklungen und Aspekte sollen in diesem Beitrag diskutiert werden.
Übertraining?
Lange Zeit wurden Leistungsminderungen als „Übertraining“ bezeichnet. Dabei unterschied man addisonoides von basedowoidem Übertraining, die dadurch gekennzeichnet sind, dass eher hemmende bzw. erregende Faktoren wirken.( 2) Ersteres wurde beispielsweise mit einem geringerem Ruhepuls in Verbindung gebracht während bei der „erregenden“ Form ein gesteigerter Ruhepuls die Folge sein sollte. Unschwer erkennbar ist hier, dass derselbe Zustand ganz unterschiedliche körperliche Reaktionen hervorruft.( 2) Hinzu kommt, dass der Begriff „Übertraining“ im Grunde genommen falsch und verwirrend ist. Schließlich resultiert jede Form der Trainingsanpassung in einem „Übertraining“, denn erst ein Trainingsreiz, der über dem Ausgangswert liegt, kann überhaupt einen Trainingseffekt hervorrufen.
UUPS
Aufgrund der problematischen Zuordnung wird der Zustand der Leistungsstagnation oder -reduktion im Zusammenhang mit der Trainingsbelastung in der aktuellen sportmedizinischen Literatur als „Unexplained Under-Performance Syndrome“ (UUPS) bezeichnet. Dies mag zunächst nach Haarspalterei klingen, wird aber im Zuge der diagnostischen Zugänge und der trainingspraktischen Konsequenzen sehr wichtig. Letztendlich kann die Existenz von Übertraining angesichts des notwendigen „Overreaching“ grundlegend hinterfragt werden.
Reparatur und Energiespeicher
„In der Pause wächst der Muskel“ – dieser aus dem Krafttraining entlehnte Merksatz trifft auch auf Sportler in Ausdauer- oder Spielsportarten zu. Das Erholen von einem Trainingsreiz ist jedoch ein sehr komplexer Vorgang. Dabei müssen die Energiespeicher in den Muskeln ebenso wieder aufgefüllt werden wie die Nähr- und Baustoffe, die an den Ort des Bedarfs transportiert werden müssen. Hinzu kommt, dass auch Reparaturprozesse in der Muskulatur eingeleitet und möglichst schnell abgeschlossen werden müssen. Neben den Muskeln und möglichen Anpassungen Ihres Energiestoffwechsels ist Regeneration auch für Ihre passiven Strukturen von Bedeutung. Ihre Knochen, Sehnen und Bänder verfügen nur über sehr geringe Stoffwechselaustauschraten und benötigen viel längere Regenerationszeiten um bei Gesundheit zu bleiben. Wenn Sie Entzündungen und Überlastungen vermeiden und gleichzeitig Ihre Leistung steigern wollen, brauchen Sie Mut zur Pause.
Ursachen und Definition
Wiederholte Trainingsintensitäten im intensiven und hochintensiven Bereich gelten als Hauptursache für UUPS. Auch eine zu große Anzahl von Wettkämpfen oder zu große Trainingsumfänge sind mögliche Auslöser. In der Folge fällt die Leistungsfähigkeit ab und geht teilweise mit ausgeprägten Befindlichkeitsstörungen einher.(3) Die Ursachen lassen sich dabei kaum einzeln betrachten, da das Auftreten häufig multifaktoriell bedingt ist.
Über Jahrzehnte wurde an diagnostischen Maßnahmen gearbeitet. Nach aktuellem Stand der sportwissenschaftlichen Forschung existiert jedoch kein valides Verfahren, mit dem Hinweise auf ein möglicherweise vorliegendes Übertrainingssyndrom zu erkennen wären. Lange Zeit wurde der Ruhepuls als eine einfache diagnostische Maßnahme angesehen, um Hinweise auf eine Überlastung zu erhalten. Allerdings sind die Ergebnisse hier sehr uneindeutig, da es Sportler mit erhöhtem, mit erniedrigtem und mit unverändertem Ruhepuls und gleichzeitig auftretendem UUPS zu geben scheint.(3) Immer wieder wird von Herstellern entsprechender Messgeräte auch der Abstand zwischen den einzelnen Herzschlägen als mögliches diagnostisches Instrument genannt.
Welche Aussagen liefert die Herzfrequenzvariabilität (HRV)?
Hinsichtlich der Trainingssteuerung wurden in einer Studie die auf der HRV basierenden Trainingsempfehlungen untersucht. Dabei wurden 18 männliche Probanden 3 individuell gesteuerten Dauerbelastungen unterzogen, die sich an der so genannten „OwnZone-Grenze“ orientierten. Das Stoffwechselverhalten wurde in Bezug zur Laktatkinetik mit den Vorschlägen der Pulsuhren verglichen.(4) Eine Trainingssteuerung mittels der OwnZone bzw. der Herzfrequenzvariabilität scheint insbesondere in höheren Belastungsbereichen nicht möglich zu sein, so dass hier auch kein Schutz vor Überlastungen gegeben ist.(4) Zudem scheint die HRV auch keinerlei Aussagen zum Regenerationszustand zuzulassen. In Untersuchungen bei Läufern zeigte sich, dass im Saisonverlauf große intraindividuelle Variationen auftreten, die sich nicht in kausalen Zusammenhang mit den Trainingsumfängen bringen lassen. Vielmehr scheinen Einflussgrößen wie Stress und Alltagsbelastungen einen großen Einfluss zu haben. Faktisch können anhand der Herzfrequenzvariabilität aufgrund der aktuellen Kenntnislage keine Überlastungen im Training erfassbar gemacht werden.(3)
Blutparameter
In der sportmedizinischen Praxis wurden Substrate wie Ammoniak, Harnstoff oder Enzyme wie die Creatinkinase lange Zeit über Blutanalysen bestimmt, da Zusammenhänge zum Übertraining vermutet wurden.(5) Allerdings scheint die Bedeutung in Verbindung mit Übertraining überschätzt worden zu sein. Bereits alltägliche Einflussgrößen wie eine eiweißreiche oder -arme Ernährung können Parameter entscheidend beeinflussen. Unter standardisierten Bedingungen und unter Berücksichtigung von individuellen Zeitreihenmessungen könnten zumindest kurzfristig akute Überlastungen erfasst werden. Grundlegend erfordert die Diagnostik im Zusammenhang mit UPPS Informationen zu den individuellen Basisverläufen verschiedener Parameter.
Fazit
Wenn Sie sich dauerhaft müde fühlen und eine geringere Belastbarkeit oder gar einen Leistungsabfall feststellen, sollten Sie eine ausgedehnte Regenerationsphase in Erwägung ziehen, da eine Überlastung oder gar ein UUPS naheliegen. Dabei sollten jedoch immer erst organische Ursachen oder Infekte ausgeschlossen werden. Typische Laborwerte können bei Verdacht eines UUPS nicht bei der Diagnostik helfen, es sei denn es existieren individuelle Verlaufsmessungen mit Kenntnis zu den jeweiligen Laborwerten. Der Ruhepuls ist im Falle eines UUPS nicht verändert und kann somit keinerlei Hinweise liefern. Ausdauersportler können von Längsschnittinformationen zur Laktatkinetik profitieren. Liegen jährlich 1–2 Ergebnisse einer Laktatdiagnostik vor, können Veränderungen hinsichtlich der Kinetik und der Schwellenwerte auf Überlastungen oder falsches Training hindeuten. Allgemein sollten Sie als Sportler immer mal Mut zur Pause beweisen und Ruhetage beachten. Sie sollten unbedingt einmal im Jahr eine Übergangsphase einplanen, in der Sie sich ausgiebig erholen.
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Literaturangaben:
1. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 1990, Bd. (4), S. 1–8.
2. Sports medicine, 2004, Bd. 34 (14), S. 967–981.
3. Schulz, H., A. Horn, A. Geiger, P. Arning, S. Fröhlich, H. Heck: Evaluation der Intensitätssteuerung mit der Polar OwnZone™ bei Laufbelastungen; Abstracts: dvs-Symposium, Sektion Trainingswissenschaft, 19.–21.6.2003, München.
4. Sports medicine, 2002, Bd. 32 (2), S. 95–102.