Schnelligkeit als leistungslimitierender Faktor

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In nahezu jedem Wettkampfsport spielt auch die Schnelligkeit eine gewisse Rolle. Unklar ist jedoch häufig, aus welchen Komponenten eine schnelle Bewegungsausführung resultiert.

Die Frage, wie man effektiv schneller werden kann, ist auch von der Bewegung selbst abhängig. Sie können Ihre Schnelligkeit daher auf unterschiedliche Weise optimieren. Limitiert sind Sie dabei jedoch von Ihrer genetischen Veranlagung und den Voraussetzungen, die Sie mit in das Training bringen. Nicht aus jedem Athleten lässt sich ein Sprinter machen und daher ist die Anzahl der Sprinter, die schneller als 9,8 Sekunden laufen, nach wie vor eher klein.

Im Vergleich zu Tieren ist der schnellste Mensch mit ca. 44 km/h um 25 km/h langsamer als ein gallopierendes Pferd und um 80 km/h langsamer als ein Gepard in vollem Lauf. Unglaubliche 120 km/h schafft diese Raubkatze über eine Strecke von ca. 400 m. Bei den meisten Sportarten ist die Schnelligkeit einer Bewegung zudem vom Material abhängig. Schuhe wurden dabei ebenso biomechanisch optimiert, wie Laufbahnen oder Wurfgeräte. Eine Tartanbahn ist so aufgebaut, dass bei den kurzen Bodenkontaktzeiten der Sprinter der Kraftstoß des Körpers unterstützt werden kann. Der Fuß des Sprinters ist dabei nur ca. 10 msec auf der Erde, während bei einem Langstreckenläufer der Bodenkontakt bis zu 100 msec betragen kann. Ein Sprint am Ende eines 10.000-m-Laufs oder eines Radrennens ist nicht zu vergleichen mit dem eines Bahnsprinters auf dem Rad oder zu Fuß. Schnelligkeitsleistungen sind meistens eine Sammlung verschiedener konditioneller Voraussetzungen und technischer Fertigkeiten. Aber auch das jeweilige Material spielt eine große Rolle. So ist der Aufbau der Schuhe eines Sprinters die wichtige Grundlage für das Übertragen der Kraft.

 

Was ist Schnelligkeit?

Die Bedeutung der Schnelligkeit kann innerhalb einer Sportart unterschiedliche Ausprägungen annehmen. So ist bei Triathleten auf der Langdistanz ein Endspurt in Form eines Sprints doch eher selten, während auf der Olympischen Distanz im Zieleinlauf gute Schnelligkeitswerte durchaus von Vorteil sein können. Auch anhand der Spielsportarten oder im Rückschlagsport ist die Schnelligkeit eine wichtige Grundfertigkeit. Oftmals muss man dabei feststellen, dass eine sehr gut ausgeprägte Schnelligkeitsleistung und eine maximale Grundlagenausdauer sich gegenseitig ausschließen. Für jede Sportart ist deshalb eine genaue Analyse des Belastungsprofils und der Fähigkeiten des Sportlers notwendig, um das Training in Bezug auf die Schnelligkeit optimieren zu können. Dabei ist ein Problem, dass Definitionen sich zum Teil je nach Sportart und Anwendungsgebiet unterscheiden. Die Schnelligkeit wird dabei einmal als konditionelle Fähigkeit gesehen, so dass die Kraft und energetische Aspekte im Vordergrund stehen. Auf der anderen Seite können auch konditionell-koordinative Aspekte die Schnelligkeitsleistung bestimmen. Cristiano Ronaldo ist bei linearen Sprints mit eher durchschnittlichen Leistungen gesegnet. Kommen jedoch Richtungswechsel und koordinative Anforderungen in einem Schnelligkeitstest zusammen, sind bei ihm überdurchschnittliche Leistungen messbar.

 

Die Komponenten der Schnelligkeit

Unterschiedliche Komponenten der Schnellkraft fallen auf, wenn man die Fähigkeit differenziert betrachtet. Je nach Autor werden diese Komponenten unterschiedlich betrachtet. Dabei werden neben den konditionellen und koordinativen Aspekten häufig weitere Elemente defi niert. Beispielsweise ist die Reaktionsfähigkeit auf einen Ball, eine Situation oder ein Signal ein komplexes System. Neben dem Erfassen und analysieren eines Rahmens sind hier koordinative und psychologische Effekte beteiligt. Bei der Beschleunigung hingegen sind eher konditionelle Aspekte wie die motorische Fähigkeit Kraft ein leistungslimitierender Faktor. Die maximal zu erreichende Geschwindigkeit ist von der Beschleunigung des Körpers oder eines Teils abhängig. Für eine optimale Trainingssteuerung der Schnelligkeit sollten jedoch in erster Linie die leistungsphysiologischen Grundlagen der Muskulatur betrachtet werden. So können die Trainingsinhalte auf das Steigern der Schnelligkeit, bezogen auf die Leistungsfähigkeit des neuromuskulären Systems, isoliert betrachtet werden. Hier müssen die Morphologie der Muskulatur sowie qualitative Aspekte der neuromuskulären Aktionen betrachtet werden. Dabei steht die intramuskuläre Koordination als Funktion von Synchronisation und Frequenzierung im Zusammenhang mit der Maximalkraft im Fokus der Betrachtung. Sind die koordinativen Aspekte des neuromuskulären Systems ausgeschöpft, kann die Schnelligkeit nur noch durch das Steigern der Muskelkraft optimiert werden.

 

Kraft und Schnelligkeit

Kraft und Schnelligkeit lassen sich programmatisch gemeinsam charakterisieren. Die Komponenten der Kraft auf der einen Seite und die Schnelligkeitsfähigkeit auf der anderen Seite stehen in einer engen Beziehung zueinander. Es sind physiologisch begründbare und statistische Zusammenhänge zwischen Kraft und Schnelligkeit erkennbar. Dies gilt umso mehr, wenn man die Motorik des Menschen im Hinblick auf die Bewegungsschnelligkeit betrachtet. Die Schnelligkeit ist letztendlich nichts anderes als eine rasche Ortsveränderung eines Körpers oder seiner Teile in Bezug auf eine möglichst kurze Zeitspanne. Dabei liegt der Schnelligkeit die Größe des Impulses zugrunde, der als Auslöser fungierte.(1) Die Größe eines solchen Impulses wird einerseits von neuronalen, andererseits auch von muskulären Einfl üssen bestimmt.(1) Die Innervierung bestimmt den Anstieg der wirkenden Kraft (Rate of Force Developent – RFD). Zu den neuronalen Einflussgrößen auf die Schnelligkeit zählen:(2)

– Rekrutierung

– Frequenzierung

– Synchronisation

– Inhibitionsabbau und

– Reflexförderung

 

Hinzu kommen neben den muskulären Einflussgrößen wie der Muskeldicke noch intermuskuläre koordinative Einflussgrößen. Da es sich bei der Schnelligkeit um eine konditionelle motorische Fähigkeit handelt, sind koordinative Einflussgrößen der Schnelligkeit eher dem Techniktraining zuzuordnen.(1) Diese Einteilung ermöglicht ein Trennen von möglichen technisch-koordinativen Einflussgrößen, so dass in der Trainingspraxis Inhalte physiologisch begründet auf Schnelligkeitsziele hin ausgerichtet werden können und koordinative Inhalte separat im Techniktraining Berücksichtigung finden. Eine solche Trennung ermöglicht es dem Trainer, Schwerpunkte des Schnelligkeitstrainings bezogen auf die Komponenten der Schnelligkeit zu setzen. Dies gilt insbesondere, weil die Schnelligkeit in hohem Maße kraftabhängig betrachtet werden muss. Das Steigern der Maximalkraft konnte in vielen Studien Schnelligkeitsleistungen direkt verbessern. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Beschleunigungsleistung, die maximale erreichte Geschwindigkeit und die Sprungkraft, die als Schnellkraftparameter gilt. Die in Trainerkreisen noch weit verbreitete Annahme, dass Kraft langsam mache, ist veraltet. Ein Krafttraining mit großen Lasten ist eine wichtige Grundlage beim Verbessern der Schnelligkeitsleistungen.

 

Schnelle Muskelfasern

In der Muskelphysiologie werden Muskelfasertypen anhand bestimmter morphologischer Eigenschaften charakterisiert. Bezogen auf die Muskelfunktion ergibt sich eine grundlegende Einteilung in schnellzuckende und langsam-zuckende Muskelfasern. Das Unterscheiden der Arten von Muskelfasern erfolgt anhand des so genannten Myosinmoleküls innerhalb der einzelnen Sarkomere. Es lassen sich hier 3 Arten unterscheiden: I, IIa und IIx. Die so genannten Typ I-Fasern kontrahieren langsamer und entspannen auch entsprechend mit geringerer Geschwindigkeit. Beide Typ II-Arten hingegen werden den schnellen Muskelfasern zugeordnet. Das Klassifizieren anhand der Kontraktionsgeschwindigkeit ermöglicht eine genaue Zuordnung. Die Kontraktionsgeschwindigkeit der schnellsten Typ IIx-Fasern liegt 10-fach über der der Typ I-Fasern. Die Typ IIa-Fasern sind immer noch 3- bis 5-mal so schnell wie die langsamsten Fasern. Neben den schnell und langsam zuckenden Fasern existieren zudem Intermediär- bzw. Zwischentypen. Aus Trainersicht ist nun von Bedeutung, ob die genetische Verteilung der Muskelfasern bei einem Sportler durch Training veränderbar ist. Leider ist diese Frage nicht eindeutig zu beantworten. Denkbar ist vor allem, dass sich durch ein spezielles Training Mischfasern umwandeln können. Allerdings wird angenommen, dass lediglich 20 % der Muskelfasern überhaupt veränderbar sind. Durch ein Krafttraining, das auf Muskelwachstum abzielt, scheinen die schnellen Muskelfasern eher zum Dickenwachstum zu neigen als die langsam zuckenden Fasern. So könnte der Anteil der schnell zuckenden Muskelfasern erhöht werden. 75 % der Frauen weisen einen höheren Anteil an langsam zuckenden Muskelfasern auf, so dass ein Krafttraining bei Frauen längere Hypertrophie-Phasen beinhalten sollte, um die Schnellkraft wirkungsvoll steigern zu können.

 

Fazit

„Kraft macht schnell“ ist eine der wichtigsten Trainerregeln! Neben dem Krafttraining sind aber auch Technik- und Koordinationstraining wichtige Bausteine im Schnelligkeitstraining.

 

Lesen Sie auch: So verbessern Sie Ihre Schnelligkeit – komplex!

  

Dennis Sandig

 

Literaturangaben:

1. Schmidtbleicher, D. (1994). Entwicklung der Kraft und der Schnelligkeit. Motorische Entwicklung. Ein Handbuch. Beiträge zur Lehre und Forschung im Sport, Bd. 106, S. 129–150.

2. Güllich, A., & Schmidtbleicher, D. (1999). Struktur der Kraftfähigkeiten und ihrer Trainingsmethoden. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, Bd. 50 (7), S. 8.

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Über den Autor

Dennis Sandig

Dennis Sandig arbeitete als Sportwissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Aktuell ist er bei der Deutschen Triathlon Union als Wissenschaftskoordinator und Referent für Bildung zuständig, sowie für das umfassende Aus- und Fortbildungsprogramm für Coaches im Triathlon.

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