Ein unterschätzter Faktor – die Sportpsychologie

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Es gibt bestimmte Momente während eines Wettkampfs, die offensichtlich große psychologische Bedeutung haben. Es sind die Momente die über Sieg oder Niederlage entscheiden. Diese Situationen machen es erforderlich, dass die Athleten, im Angesicht schwieriger Situationen vollständig fokussiert und ruhig bleiben.

Tennisspieler sprechen von den „big points“ (entscheidenden Punkten) während eines knappen Spiels, wie z. B. der flüchtigen Chance das Aufschlagspiel des Gegners zu gewinnen; für einen Leichtathleten könnte es der abschließende Dreisprung in einem Wettkampf sein, nachdem er vorher ernsthaft enttäuschende Leistung erbracht hat; für ein Fußballspieler könnte es die eigene Reaktion, auf eine subjektiv wahrgenommene „schlechte“ Entscheidung des Schiedsrichters sein. Es könnte auch sein, dass Ihre Mannschaft in einem Wettkampfspiel zurückfällt, in dem erwartet wurde, dass Sie gewinnen. Denken Sie an Zeiten, in denen die Dinge nicht nach Plan gelaufen sind und wie Sie darauf reagierten. Die Reise in Richtung Höchstleistung ist selten ein völlig reibungsloser Weg und wir lernen von unseren Fehlern – bzw. wir sollten dies tun. Rütteln Hindernisse an Ihrem Selbstvertrauen und senken Ihre Motivation oder dienen sie als Katalysator für noch bessere Leistungen?

 

Sogar große Sportler und Mannschaften erleiden Rückschläge. Der olympische Athlet Steve Backley ist ein erstklassiges Beispiel. In seinem Buch The Winning Mind führt Backley seine psychologischen Stärken und seine zeitweise vorhandenen Schwächen als Hauptbestimmungsfaktoren dafür an, ob er seinen eigenen strengen Zielen im Wettkampf nahe kam oder darunter blieb. Er berichtet vom Übergang des jungen aufstrebenden Speerwerfers zum bedeutenden internationalen Wettkämpfer und der Zeit in der er sich unvorbereitet den mentalen Hürden und Beschränkungen ausgesetzt sah, die in Wettkämpfen auf höherer Ebene entstehen. Backley sagt, psychologische Strategien waren letztendlich die Schlüssel dazu, die ihm bei der Bewältigung dieses Wettkampfstresses halfen.

 

Die meisten Top-Athleten und Trainer sind der Meinung, dass psychologische Faktoren eine genauso entscheidende Rolle im Aufbau von Champions spielen wie körperliche Eigenschaften und erlernte Fähigkeiten. Wenn körperliche Fähigkeiten der Kontrahenten übereinstimmen – wozu sie im Wettkampfsport neigen – wird derjenige Wettkämpfer mit der größeren Kontrolle über seine Psyche normalerweise als der Gewinner hervorgehen. Mentale Robustheit wird nicht einen Mangel an praktischer sportlicher Fähigkeit ausgleichen, aber in knappen Wettkämpfen kann sie zwischen Sieg und Niederlage entscheiden.

 

Eine Schlüsselfrage für Sport- und Bewegungspsychologen ist, ob Champions die dominierenden psychologischen Merkmale, die für den Erfolg notwendig sind, einfach geerbt haben, oder ob mentale Robustheit durch Training und Erfahrung erworben werden kann. Neue Forschungen die darauf abzielten das Konzept von mentaler Robustheit im Sport näher zu erforschen, deuten darauf hin dass, obwohl manch einer von Natur aus mental stärker ist als andere, man mit dem richtigen Trainingsansatz einiges an mentaler Stärke hinzugewinnen kann.

Was bedeutet mentale Stärke? Vermutlich ist es am einfachsten, sie in Bezug darauf zu definieren, wie sie Verhalten und Leistung beeinflusst. Ein mental starker Athlet wird wahrscheinlich:

  • verhältnismäßig gleich bleibende Leistungen unabhängig von situationsbezogenen Faktoren erzielen;
  • eine zuversichtliche, positive, optimistische Perspektive behalten, selbst wenn die Lage nicht gut aussieht, und er wird nicht unter dem Druck „ersticken“;
  • mit Ablenkungen fertig, ohne zuzulassen, dass sie den optimalen Fokus beeinträchtigen;
  • Schmerz und Unannehmlichkeiten tolerieren;
  • hartnäckig bleiben, wenn das Vorankommen hart wird;
  • die Widerstandsfähigkeit haben, Enttäuschungen schnell hinter sich zu lassen.

 

Der Einfluss der Persönlichkeit

Diese Eigenschaften hängen offensichtlich mit Erfolg in den meisten Lebenssituationen zusammen. Aber es scheint, dass einige von uns hartnäckiger sind als andere aufgrund der Persönlichkeitsmerkmale und des erlernten Bewältigungsmechanismus.

 

Persönlichkeitsforschung hat immer schon Kontroverse heraufbeschworen, in der Regel, weil Forscher nicht in der Lage waren, sich über den korrekten Ansatzpunkt der Erforschung einig zu werden. Einige haben den Ansatz eingenommen, welcher bekannt ist als, „ Merkmals-Ansatz“, dieser sieht die Persönlichkeit als beständig und dauerhaft an, basierend auf einzelnen Charaktereigenschaften. Jedoch sehen andere Persönlichkeit als etwas, das durch Umwelteinflüsse geprägt wird, während „Interaktionisten individuelle Eigenschaften und Umwelteinflüsse als Cobestimmungsfaktoren des Verhaltens betrachten. In letzter Zeit hatte diese letzte Position tendenziell eine Vorherrschaft, begründet auf der Ansicht, dass die Persönlichkeits-Struktur beides beinhaltet, sowohl einen beständigen Kern aus Haltung, Werten und Glauben an sich selbst, der nach der frühen Kindheit verhältnismäßig unverändert bleibt, als auch veränderbarerem, dynamischerem Verhalten, das durch unsere Umwelt beeinflusst wird.

 

Eine Erforschung des Verhältnisses zwischen Stress und Krankheit hat aufgedeckt, dass einige Leute Eigenschaften haben, die als Puffer gegen Stressoren dienen, diese machen sie in stressigen Zeiten robuster und resistenter gegen Krankheiten. Die leitende Forscherin Suzanne Kobasa zeigte in einer Studie, dass ein Persönlichkeitsmerkmal, welches als „Widerstandsfähigkeit“ bekannt ist, ein Schlüsselfaktor dafür war, ob hochgradig gestresste Führungskräfte einer Krankheit erlagen oder nicht. Die hartnäckigen Führungskräfte, die Krankheit vermieden, neigten dazu, Stressoren als Herausforderung und nicht als „Bedrohung“ zu empfinden, und damit ein Gefühl der Kontrolle über die Ereignisse zu bewahren.

 

Kobasa schlug vor, dass Widerstandsfähigkeit drei Schlüsselelemente enthält

1. Kontrolle – die wahrgenommene Fähigkeit des Individuums, Einfluss zu haben anstatt Hilflosigkeit zu empfinden;

2. Verbindlichkeit – das bedeutet eine Weigerung schnell aufzugeben;

3. Herausforderung – beinhaltet die Fähigkeit einer Person zu wachsen und sich zu entwickeln anstatt, statisch zu bleiben, und Veränderung anstatt Stabilität als Norm anzusehen;

Bis vor kurzem haben nur wenige Studien versucht, das Konzept von Widerstandsfähigkeit auf das Sport Umfeld zu übertragen, aber es scheint der Idee von mentaler Stärke, wie im vorigen Teil dieses Artikel umrissen, sehr ähnlich zu sein. Eine Untersuchung über das Verhältnis zwischen Widerstandsfähigkeit und Leistung im Basketball zeigte, dass in 7 von 8 Spielzeiten die Indikatoren hoher Ausdauer in hohem Maße mit dem Grad der Gesamtwiderstandsfähigkeit übereinstimmten. Diese Erkenntnisse müssen jedoch mit Vorsicht gedeutet werden, da Wechselbeziehungen nicht notwendigerweise Verursachung reflektieren.

 

Vor kurzem, hat ein Forscherteam an der Hull Universität das Konzept der Widerstandsfähigkeit einen Schritt voran gebracht, indem sie ein Modell der mentalen Hartnäckigkeit im Sportvorschlugen. Eine Schlüsselentwicklung war die Ausarbeitung eines Fragebogens zur Beurteilung der mentalen Stärke, der verwendet werden kann, um deren Einfluss in experimentellen Studien festzustellen.

 

Die Hull Forscher führten zwei Studien durch, um zu zeigen, in wie weit mentale Hartnäckigkeit mit Leistung und kognitiver Bewertung zusammenhängt. In der ersten Studie führten 23 Freiwillige 30-minütige statische Radfahrversuche in 3 unterschiedlichen Intensitäten von 30, 50 und 70 % ihrer maximalen Sauerstoffaufnahme durch und bewerteten die körperlichen Anforderungen der Versuche in 5-Minuten-Abständen.

 

Die Teilnehmer wurden in 2 Kategorien eingestuft, entweder hohe oder niedrige mentale Stärke, basierend auf ihren Antworten zum oben erwähnten Fragebogen. Wie erwartet, berichteten diejenigen mit höheren Niveaus von mentale Stärke über erheblich niedrigere wahrgenommene Anstrengung bei 70 % der maximalen Sauerstoffaufnahme. Keine bedeutenden Unterschiede wurden auf untereren Niveaus der Anstrengung bemerkt, was, wie die Forscher bestätigten, mit dem Klischee „Wenn es hart auf hart kommt, legen die Harten erst richtig los“ übereinstimmt. Die beobachteten Unterschiede auf höherem Anstrengungsniveau könnten eine Tendenz der etwas hartnäckigeren Menschen reflektieren irgendwie auf eingehende Reize zu reagieren, bevor sie die Ebene der Wahrnehmung erreichen, um die Empfindung der Belastung zu verringern. Mental starke Sportler könnten sich in solchen Situationen mehr als Herr der Lage fühlen, oder deuten die höhere Intensität als Herausforderung anstatt als Bedrohung.

 

Die 2. Untersuchung, mit 79 Teilnehmern, betrachtete den Einfluss von mentaler Stärke auf Widerstandsfähigkeit in negativen Situationen. Teilnehmern wurden entweder positive oder negative Resonanz gegeben, nachdem sie eine Vielzahl von motorischen Tätigkeiten durchgeführt hatten. Danach wurden sie gebeten, eine Planungs-Aufgabe durchzuführen, welche zur objektiven Leistungsmessung verwendet wurde. Die Schlüsselfrage für die Forscher war, wie Teilnehmer auf eine Resonanz reagieren würden, die ihr Selbstvertrauen ändern könnte. Wie erwartet, erbrachten mental stärkere Sportler bessere Leistung bei der Planungs-Aufgabe und lieferten verhältnismäßig gleich bleibende Leistungen, egal ob ihre Resonanz nun negativ oder positiv gewesen war. Jedoch erbrachten die mit geringerem Niveau von mentaler Stärke erheblich schlechtere Leistung nach der negativen Resonanz und bestätigten die größere Belastbarkeit derjeniger mit hoher mentaler Stärke.

 

Das Modell der mentalen Stärke

Auf der Arbeit von Kobasa aufbauend, schlug das Hull Team vor, dass Selbstvertrauen (ebenso wie Kontrolle , Engagement und Herausforderung) ein Schlüsselelement von mentaler Stärke sei. Dies hat zum Modell der mentalen Stärke geführt.

Schlecht zu übersetzen: im Deutschen beginnen die Elemente eben nicht alle mit dem gleichen Buchstaben, daher habe ich es jetzt einfach weggelassen. Sie könnten aber auch die englischen Begriffe (Confidence, Control, commitment, challenge in Klammern dahintersetzen dann wird klar was mit dem Modell der 4 Cs gemeint ist)

 

Forschung auf dem Gebiet der mentalen Stärke im Sport hat sich weitgehend auf die individuellen Unterschiede zwischen Sportlern konzentriert, wobei mentale Stärke als verhältnismäßig beständige Charaktereigenschaft angesehen wurde. Jedoch hat eine klassische vorhergehende Erforschung der Tiere vorgeschlagen, dass das „abhärten“ dadurch erzielt werden kann, dass man stressreichen Bedingungen ausgesetzt wird. Weiss und Kollegen beobachteten ein Abhärtungsphänomen, nachdem sie Tiere einem Schwimmen in kaltem Wasser, elektrischer Schockbehandlung oder Injektionen über einen 14-tägigen Zeitraum ausgesetzt hatten. Besonders wurde die übliche Leistungsminderung, die negativer Stimulanz folgt, nach der 14-tägigen Periode nicht beobachtet. Das zeitweilige Ausgesetzt sein negativer Reize hat anscheinend dazu geführt, dass die Tiere toleranter – und belastbarer – auf solche Reize reagierten.

 

Obgleich diese Erkenntnis nicht notwendigerweise auf Menschen übertragbar ist, gibt es eindeutige Parallelen zu den verschiedenen Techniken, die allgemein als Intervention im Sportumfeld verwendet werden. Z. B. setzt eine Technik, die als „Stressimpfungstraining“ bekannt ist, eine Person stufenweise bedrohlicheren Situationen aus, während Selbstkontrolle als Maßnahme gegen gelernte Hilflosigkeit erworben wird. Die Stressreaktion wird allmählich vermindert, wenn sich die Situation als weniger bedrohlich erweist und die Person erfährt wachsende Kontrolle.

 

Von besonderer Bedeutung ist hier die Vorstellung, dass das Ausgesetzt sein von Stress in kontrollierten Situationen viel produktiver ist, als Stressreduzierung oder -abbau, was der Person nicht dabei hilft, mit zukünftiger Belastung durch den gleichen Stressor fertig zu werden.

 

Ein Forscher hat 4 Haupteinflüsse auf das Abhärten, wie im folgenden aufgeführt, vorgeschlagen:

1. Frühe Lebenserfahrungen. Sowohl Untersuchungen bei Menschen als auch Tieren haben eine Verbindung zwischen dem Ausgesetzt sein von Stressoren in der frühen Kindheit und verringerter Furcht oder Emotionalität bei Bedrohungen im Erwachsenenalter gezeigt;

2. Passives Abhärten. Zeitweilige Belastung scheint dem Abbau der „Stresshormone“ entgegen zu wirken und scheint mit einer schnelleren Rückkehr zum Grundniveau verbunden zu sein. Das heißt, Leute werden weniger empfindlich und stresstoleranter;

3. Aktives Abhärten. Die körperliche Fitness, die durch die aerobe Konditionierung gewonnen wird, wird als wichtiges Mittel zur Selbst-Abhärtung angesehen. Dies könnte mit dem Einsatz von Kontrolle zusammenhängen;

4. Altern. Dieses hat einen gegenteiligen Effekt und macht Menschen tendenziell empfindlicher und weniger tolerant gegenüber Stress.

Offensichtlich sind das aktive und passive Abhärten die relevantesten Handhabungen für Athleten und sie können in einer Vielzahl von Praktiken angewandt werden. Stressimpfungstraining ist eine nahe liegende Anwendung, aber dies sollte vermutlich am besten mit der Unterstützung eines Sportpsychologen in Angriff genommen werden. Da ich ein Sportpsychologe bin, gebe ich einige Beispiele dafür, wie mentale Überbelastung in Trainingsabschnitten angewandt werden kann, um einen gewissen Grad des Abhärtens zu erzielen.

 

Rod Laver, die australische Tennislegende, hat beschrieben, wie er Übungssessions dafür verwendete, „harte“ Wettspiel Bedingungen zu simulieren. Laver glaubte, dass Ermüdung die Konzentration stark belastet, welche wiederum für den Erfolg in langen Spielen entscheidend ist. Um diese Bedingungen zu simulieren, zwang sich Laver während des letzten Stadiums eines Trainingsabschnitts, wenn er müde war, sich noch stärker zu konzentrieren und anzustrengen, um sich an die mentale Belastung in solchen Bedingungen zu gewöhnen. Dies hat er als einen der Schlüsselfaktoren seines langlebigen Erfolg angegeben.

 

Simulationstraining ist eine großartige Art, sich geistig auf die Herausforderungen des Wettkampfes vorzubereiten, und dieses kann sowohl mentale als auch körperliche Stressoren umfassen. Z. B. könnte ein Tennisspieler den mentalen Stress in einem Übungsspiel erhöhen, indem er jedes Aufschlag-Spiel mit 0-15 Rückstand beginnt, und sich damit an die Reaktion nach dem ersten Punktverlust gewöhnt. Andererseits könnte ein Spieler mit einem übermäßigen Vertrauen auf seinen ersten Aufschlag sich auf nur diesen beschränken und damit gezwungen werden, sich extrem und akkurat auf das zu fokussieren, was effektiv der letzte Aufschlag ist.

 

Um den Druck weiterhin zu erhöhen, könnten Spieler trainieren indem sie Tiebreaks spielen oder die Trainingsspiele vor einem Publikum ausführen. Der Trainer könnte falsche Linienentscheidungen oder Zuschauergeräusche benutzen, um Spieler zeitweisen Ablenkungen auszusetzen und sie mit deren Umgang zu trainieren.

 

Tennis ist ein Spiel mit viel Pausen zwischen den einzelnen Sätzen, was Zeit für das Verweilen in der Vergangenheit oder Selbst-Zweifel lässt. Die Verwendung von Vorstellungskraft und positiven Selbstgesprächen in Pausen, um Ruhe und Kontrolle zu bewahren, kann eine wirkungsvolle Strategie sein. Mental starke Wettkämpfer verwenden gerne Strategien, um den Glauben an sich Selbst in Krisenzeiten zu stärken. Und diese Strategien können in Trainingssituationen geprobt werden.

 

Mit ein wenig Erfindungsgeist kann Simulationstraining bei den meisten Athleten angewandt werden. Die Gelegenheit, mit mentalen Stressoren in kontrollierten Situationen umzugehen kann ein unschätzbar wertvoller Weg sein, um sich für die sehr realen Herausforderungen des Wettkampfs vorzubereiten und abzuhärten.

 

Lee Crust

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