Maximale Muskelmasse durch Proteinergänzung

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Jeder Sportler weiß, dass genügend Protein ein entscheidender Faktor für den Aufbau von schlanker Muskelmasse ist. Was eine optimale Proteinzufuhr zur Erreichung einer maximalen Muskelmasse anbelangt, so lassen die neuesten Forschungsergebnisse vermuten, dass mehr nicht unbedingt besser ist…

Die Stoffwechselbasis für eine Veränderung der Muskelmasse ist die Netto-Muskelproteinbilanz (NBAL – net muscle protein balance). Muskelproteine wie auch alle übrigen Körperproteine werden ständig auf- und abgebaut; diese Prozesse laufen gleichzeitig ab. Die Bilanz dieser beiden Prozesse bestimmt die Proteinmenge im Muskel.

Genau genommen erfolgen Veränderungen der Muskelmasse aufgrund von Veränderungen bei Auf-

und Abbau der kontraktilen Elemente der Muskulatur, der so genannten myofibrillären Proteine. Die über einen bestimmten Zeitraum im Muskel vorhandene Proteinmenge wird durch Veränderungen der Netto-Muskelproteinbilanz bestimmt. Die Zunahme an Muskelprotein erfolgt, wenn eine positive Bilanz vorhanden ist. Bei negativer Bilanz werden Proteine abgebaut (siehe Abbildung 1). Nahrungsaufnahme und Krafttraining haben beide wesentlichen Einfluss auf Dauer und Ausmaß an positiver oder negativer Netto-Muskelproteinbilanz.

 

Abbildung 1: Muskelproteinzuwachs infolge der Anhäufung von Muskelprotein nach jeder Einheit Widerstandstraining plus Nährstoffzufuhr (Aminosäure). Als Beispiel wurde hier die theoretische tägliche Reaktion auf Widerstandstraining und Nahrungsaufnahme in der 1., 12. und 24. Trainingswoche dargestellt. Im Laufe des Untersuchungszeitraums trat keine Veränderung in Bezug auf den NBAL-Basalwert oder die Reaktion auf Essen plus Training ein. Es kam allerdings zu einer Muskelhypertrophie infolge der Proteinansammlung als Reaktion auf die einzelnen Trainingseinheiten. Der positive Bereich nach Training plus Nahrungsaufnahme ist größer als der negative Bereich während des Nahrungsverzichts 

 

In welchem Umfang Muskelmasse aufgebaut werden kann, ist eine Frage der Veranlagung und dementsprechend individuell verschieden. Wer schnell und mühelos Muskelmasse gewinnt, kann sich also in erster Linie bei seinen Eltern bedanken. Aber auch Umwelteinflüsse, wie Training und Ernährung, spielen bei der Muskelmasse eine große Rolle und entscheiden mit darüber, wie viel Masse zu einem beliebigen Zeitpunkt vorhanden ist. Die bei weitem größten Einflussfaktoren auf die Muskelmasse sind jedoch Art, Volumen, Intensität und Dauer des Belastungstrainings. Denn ganz gleich, was oder wie viel Sie essen, wenn Sie nicht mit der richtigen Belastung trainieren, werden Sie nur minimale Erfolge erzielen.(Krafttraining und Muskelmasse)

Training und Ernährung beeinflussen die Muskelmasse durch Veränderungen beim Auf- und Abbau von Muskelprotein, was zu einer Erhöhung (oder Reduzierung) der NBAL führt. In Abhängigkeit von Ernährung und Training ist die Netto-Muskelproteinbilanz entweder positiv oder negativ. Dies kann sich allerdings täglich oder sogar stündlich ändern. Die Länge und Dauer dieser Phasen positiver und negativer Bilanz sind die Determinanten für den Nettogewinn oder -verlust an Muskelmasse.(1) Bei gesunden Erwachsenen mit gleich bleibender Muskelmasse sind die Phasen positiver und negativer NBAL folglich gleich, und es findet kein Wachstum statt. Muskelzuwachs erfolgt nur bei einer vorwiegend positiven NBAL (Abb. 1).

Über den Einfluss der Ernährung auf die Muskelmasse ist in jüngster Zeit viel diskutiert worden. Protein und verschiedene Aminosäuren gelten allgemein als die wichtigsten Nährstoffe im Hinblick auf den Muskelaufbau. Daher konsumieren viele Athleten große Mengen an Protein. In einem kürzlich erschienenen Artikel hatten Wissenschaftler der McMaster-Universität in Kanada Daten aus einer Reihe verschiedener Veröffentlichungen zusammengetragen. Sie stellten fest, dass Kraftsportler im Durchschnitt täglich deutlich mehr als 2,0 g Protein pro Kilogramm Körpermasse (g/kgKG/Tag) zu sich nehmen, viele sogar bis zu 3,5–4,0 g/kgKG/Tag.(2) Dies entspricht einem Eiweißkonsum von 400 g pro Tag!

 

Wie viel Protein ist notwendig?

Hier stellt sich die Frage, ob so viel Protein zur Vergrößerung der Muskelmasse und Muskelkraft überhaupt notwendig oder wünschenswert ist. Protein ist für einen Zuwachs an Muskelmasse ganz eindeutig wichtig. Das Widerstandstraining sorgt für eine verstärkte Muskelproteinsynthese, die wiederum eine bessere Muskelproteinbilanz bewirkt.(3) Doch ohne eine Quelle für Aminosäuren kommt die Muskelproteinbilanz nicht in den positiven Bereich – d. h. es findet kein Muskelanabolismus statt.(4)

Eine Proteinaufnahme vor oder nach dem Training führt eindeutig zu einem positiven Muskelanabolismus. Proteine, insbesondere myofibrilläre Proteine, sammeln sich im Laufe der Zeit als Reaktion auf die einzelnen Trainingseinheiten und die begleitende Proteinaufnahme an. Dies führt zu einem Zuwachs an Muskelmasse. Allerdings ist nur relativ wenig Protein notwendig, um in Verbindung mit dem Training einen Muskelanabolismus auszulösen – 6 g essenzielle Aminosäuren, vor oder nach dem Training verzehrt, schaffen bereits eine positive Nettobilanz.(5)

Neueste Daten, die Anfang dieses Jahres auf der Konferenz des American College of Sports Medicine in New Orleans vorgestellt wurden, zeigen, dass die anabole Reaktion auf eine Proteinaufnahme nach dem Sport einen Ceiling-Effekt (trotz Dosissteigerung kommt es zu keiner Zunahme der Wirkungen) hat. Die Aufnahme von mehr als 10 g Eiweiß verlangsamt den muskelaufbauenden Prozess nach dem Sport. Anscheinend sind große Mengen an Protein demnach unnötig. Das überschüssige Protein wird einfach in Energie umgewandelt und nicht für den Muskelaufbau verwertet.

Der Proteinbedarf von Sportlern ist ein unter Wissenschaftlern recht kontrovers diskutiertes Thema.(6) Er wird normalerweise durch die Bestimmung der Stickstoffbilanz ermittelt. Das Prinzip dieses Verfahrens beruht darauf, dass Protein der einzige Nährstoff ist, der Stickstoff enthält. Durch Messung der jeweils aufgenommenen und ausgeschiedenen Stickstoffmenge kann man folglich bestimmen, welche Menge Protein im Körper (nicht unbedingt aber in den Muskeln) dazugekommen oder verloren gegangen ist. Dies ist die Methode zur Bestimmung des Proteinbedarfs bei unterschiedlichen Populationen. Mehrere gut kontrollierte Studien belegen, dass Hochleistungssportler mit der oben genannten Proteinmenge, d.h. ca. 1,2–1,6 g/kgKG/Tag, eine ausgeglichene Stickstoffbilanz erreichen.(1,6,7)

 

Mehr Protein = mehr Muskeln?

Warum aber behaupten dann viele Athleten und Trainer, für einen Zuwachs an Muskelmasse sei eine hohe Proteindosierung erforderlich? Die Antwort hierauf liegt wahrscheinlich in der Stickstoffbilanzmethode selbst. Sportler, die ihre Muskelmasse vergrößern wollen, sollten eine positive Stickstoffbilanz aufweisen, folglich muss mehr Protein als 1,6 g/kgKG/Tag eingenommen werden. Bei der Messung der Stickstoffbilanz gilt außerdem die Faustregel: Je größer die Proteinzufuhr, desto besser ist die Stickstoffbilanz.(2) Hieraus folgern Athleten, dass der Muskelzuwachs umso größer wird, je mehr Proteine sie essen.

Eine Zunahme an Muskelmasse, die mit solchen hohen Stickstoffbilanzen einherginge, ist jedoch praktisch gar nicht möglich (siehe nächstes Kapitel), nicht einmal mithilfe von Anabolika. Würde den Muskeln tatsächlich so viel Stickstoff zugeführt, hätten die betreffenden Sportler einen Zuwachs an Muskelmasse von rund 100 kg in einem Jahr!(1,7) Diese Methode zur Bestimmung der Stickstoffbilanz ist gewiss problematisch, vor allem dann wenn Protein hochdosiert eingenommen wird.

Es gibt jedoch immer mehr direkte Beweise dafür, dass eine hohe positive Stickstoffbilanz nicht mit einer Vergrößerung der puren Muskelmasse gleichzusetzen ist. Verschiedene Studien belegen, dass sich bei Sportlern mit hoher Stickstoffbilanz die pure Muskelmasse nicht unbedingt vergrößern muss.(1,7) Dies ist also keine gute Argumentationsgrundlage für die hochdosierte Einnahme von Eiweiß.

Vor kurzem zeigten 2 Studien an der McMaster University in Ontario sehr anschaulich, warum eine hohe Proteinzufuhr während des Trainings nicht erforderlich ist, um die Muskelmasse zu vermehren.(8,9) Die an diesen Studien teilnehmenden Sportler verzehrten 12 Wochen lang zwischen 1,2 und 1,6 g/kgKG/Tag Protein. Im Rahmen des Trainings stiegen Muskelmasse und Muskelkraft, obwohl die Proteinzufuhr – zumindest nach Meinung vieler Athleten und Trainer – vergleichsweise maßvoll war.

Diese Studien belegten ganz klar, dass die anabole Trainingsweise den Proteinbedarf sogar vermindert und dass Muskelmasse und Muskelkraft auch bei „normaler“ Proteinzufuhr wachsen. Extrem große Proteinmengen (über 2,0 g/kgKG/Tag) z. B. als Nahrungsergänzung sind hingegen nicht erforderlich und bewirken auch keinen zusätzlichen Zuwachs an Kraft und Masse. Denn bei einer Mehraufnahme an Protein wird das überschüssige Protein einfach in Energie umgewandelt, und der Stickstoff wird über den Urinpool vom Körper ausgeschieden.

 

Warum eine positive Stickstoffbilanz nicht gleichbedeutend mit Muskelzuwachs ist

– Nehmen wir einmal an, ein Sportler esse 2,5 g Eiweiß/kg/Tag; dies ergäbe eine positive Stickstoffbilanz von etwa 15 g Stickstoff pro Tag.

– Protein besteht aber nur zu etwa 16 % aus Stickstoff, daher liegt die tatsächliche Proteinzunahme bei 15 g N x 1 g Protein/0,16 g N, d.h. bei rund 94 g Protein pro Tag.

– Da die Muskeln zu 75 % aus Wasser bestehen, liegt der Muskelzuwachs pro Tag bei 94 g Protein x 25 % Protein im Muskel (75 % Wasser). Dies wäre ein Muskelzuwachs von 282 g pro Tag.

– Auf das ganze Jahr umgerechnet bedeutet dies: 282 g Protein pro Tag x 365 Tage = 102.930 g/Jahr oder 103 kg Muskelzuwachs innerhalb eines Jahres!

 

Ist zu viel Protein gefährlich?

Andererseits stellt sich die Frage, ob ein übermäßiger Eiweißkonsum schädlich ist. Viele Wissenschaftler und Ärzte warnen vor möglichen Gesundheitsschäden durch eine hohe Proteinzufuhr. Vor allem Nierenprobleme und Knochenabbau werden als Nebenwirkung einer hohen Proteinaufnahme genannt. Bislang ist jedoch noch kein Fall von Nierenerkrankungen bei ansonsten gesunden Personen dokumentiert.

Auch das Problem des Knochenabbaus durch eine hohe Proteinzufuhr scheint übertrieben dramatisiert zu werden. Das Hauptproblem bei einer hochdosierten Zufuhr von Proteinen ist, dass zwangsläufig andere Nährstoffe verdrängt werden, wenn die Energiezufuhr nicht steigen soll. Daher wird die Kohlenhydratzufuhr wahrscheinlich sinken. Kohlenhydrate sind für die sportliche Leistung aber von entscheidender Bedeutung, insbesondere beim Ausdauersport, aber auch für das Durchhalten eines hochintensiven Widerstandstrainings. Um zu vermeiden, dass eine erhöhte Proteinzufuhr zulasten anderer Nährstoffe geht, insbesondere zu der von Kohlenhydraten, ist daher eine behutsame Vorgehensweise angeraten.

 

Energiebilanz positiv halten

Der wichtigste Ernährungsfaktor in Bezug auf die Vermehrung der Muskelmasse ist die Energiezufuhr. Es ist sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, Muskelmasse zu entwickeln, wenn die Energiebilanz negativ ist, d.h. die Energiezufuhr geringer ist als der Energieverbrauch. Wenn ein Energiedefizit vorhanden ist, ist es gar nicht möglich, eine positive Stickstoffbilanz aufrechtzuerhalten, auch dann nicht, wenn große Mengen Protein zugeführt werden.(10)

Ist die Energiebilanz jedoch positiv, haben Athleten verschiedene Möglichkeiten, durch Proteinzufuhr Muskelmasse zu gewinnen. Vor rund 100 Jahren wurde nachgewiesen, dass Soldaten in der Ausbildung bei relativ geringen Proteingaben – ca. 1,0 g/kgKG/Tag – Muskeln aufbauten.(11)

Eine neuere Studie wies nach, dass die Zunahme an Muskelmasse während des Widerstandstrainings gleich groß war, wenn die Sportler 2000 Kalorien zusätzlich zu ihrer normalen Ernährung entweder in Form von reinen Kohlenhydraten oder von Kohlenhydraten plus Eiweiß verzehrten.(12) Beide Studien zusammen lassen vermuten, dass bei ausreichender Proteinzufuhr (1,0 g/kgKG/Tag genügen) eine Muskelhypertrophie von einer ausreichenden Energiebereitstellung abhängig ist.

Allein durch den Verzehr der für das Training benötigten Kalorien nehmen die meisten Sportler automatisch genüg Proteine auf und benötigen daher eigentlich keine weitere Ergänzung. Ein sehr häufiges und breit angelegtes Widerstandstraining mit hoher Belastungsintensität ist üblicherweise ebenfalls notwendig für die Zunahme von Masse und Kraft. Ein solches Training erfordert jedoch eine erhebliche Energiezufuhr.(13) Auch wenn Protein nur einen verhältnismäßig kleinen Teil der Nahrung ausmacht (rund 12 %), ist die Proteinzufuhr über die Nahrung ausreichend, um den erhöhten Proteinbedarf für Muskelwachstum auf Basis der Stickstoffbilanz zu decken.

Da die Akkumulation von Muskelmasse eindeutig eine Reaktion auf die einzelnen Trainingseinheiten darstellt (siehe Abb. 1), liefern Untersuchungen über die akute Reaktion der Muskelproteinsynthese auf das Training und die Nahrungsaufnahme wertvolle Informationen für die Beschreibung von Strategien zur Steigerung von Muskelmasse und Muskelkraft.

 Eine ganz wichtige Feststellung dieser wissenschaftlichen Untersuchung ist die, dass es blanker Unsinn ist, für alle Sportler generell eine bestimmte Proteinmenge als optimale Dosis zur Vermehrung der Muskelmasse zu empfehlen. Da es verschiedene Einflussfaktoren auf die Gesamtreaktion gibt, z.B. das Timing der Proteinzufuhr, die Proteinart und sonstige Nährstoffe, die zusammen mit dem Protein eingenommen werden, müssen 2 Sportler, die die gleiche Menge Protein zu sich nehmen, nicht unbedingt auch den gleichen Muskelzuwachs aufweisen.

Studien haben gezeigt, dass die Art des Proteins Einfluss auf die anabole Reaktion hat. Neueren wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge wird durch den Verzehr von Milch ein Muskelanabolismus nach dem Training stimuliert, und zwar in stärkerem Maße als durch den Verzehr von Soja.(14) Diese Ergebnisse führen zu 2 wichtigen Feststellungen: Das in der Nahrung enthaltene Protein wirkt ebenso gut wie ein Proteinergänzungsmittel. Und tierische Proteine scheinen eine stärkere anabole Reaktion nach dem Widerstandstraining zu bewirken als pflanzliche.

 

Leucin, doch kein Wundermittel?

Allem Anschein nach ist der wichtige Baustein des Proteins der Gehalt an essenzieller Aminosäure. Wie wir jetzt wissen, findet ein Muskelanabolismus nur bei Aufnahme von essenziellen Aminosäuren statt, d.h., die nicht essenziellen Aminosäuren spielen für die Stimulation des Muskelwachstums nach dem Training keine Rolle.(4) Das bedeutet allerdings nicht, dass eine Nahrungsergänzung mit essenziellen Aminosäuren besser ist als mit nicht essenziellen Aminosäuren oder ganzen Proteinen. Es heißt ganz einfach, dass essenzielle Aminosäuren die Muskelproteinsynthese anregen können und dass die erhöhte Proteinsynthese durch genügend nicht essenzielle Aminosäuren unterstützt wird.

Die wichtigste Aminosäure zur Stimulierung der Muskelproteinsynthese ist wohl das Leucin. Leucin wie auch Isoleucin und Valin sind verzweigtkettige Aminosäuren (VKAS). Diese werden oft als die „Aminosäuren mit der größten anabolen Wirkung“ angepriesen, daher werden auch viele VKAS-Nahrungsergänzungsmittel verkauft und konsumiert.

Laut einigen Tierstudien stimuliert Leucin die Bahnen in den Muskelzellen. Dies bewirkt bei Ratten eine erhöhte Muskelproteinsynthese nach intensivem Training, obwohl die Proteinsynthese hier normalerweise abnimmt. Bei einem katabolen Training kann die Einnahme von Leucin daher einen großen anabolen Effekt haben. In Bezug auf den Menschen können jedoch nicht so klare Aussagen gemacht werden, insbesondere was die Wirkung nach dem Widerstandstraining anbelangt.

In den Niederlanden fanden Wissenschaftler heraus, dass bei Verzehr von Protein zusätzlich zu Kohlenhydraten die Muskelproteinsynthese stärker angeregt wird als beim Verzehr von nur Kohlenhydraten.(18) Wurde jedoch in Verbindung mit Protein und Kohlenhydraten zusätzlich Leucin eingenommen, kam es nicht zu einer weiteren Stimulation der Muskelproteinsynthese.

Ähnliche Ergebnisse erzielte die aktuelle Studie einer Forschergruppe aus Galveston, Texas. Sie belegt, dass Leucin den Muskelproteinabbau beim Menschen reduzieren kann, wenn diese nicht trainieren.(19) Wie die Ergebnisse der Galveston-Studie zeigen, konnte die Netto-Muskelproteinbilanz durch zusätzliches Leucin nicht verbessert werden, was Zweifel an der Wirksamkeit einer Leucinergänzung nach anabolem Training beim Menschen aufkommen ließ. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass es zu diesem Thema bislang nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen gegeben hat und eine systematische Evaluierung erforderlich ist, um eine endgültige Aussage zur anabolen Wirkung von Leucin machen zu können.

 

Proteine: Das richtige Timing für die Einnahme

Über das richtige Timing bei der Einnahme von Protein und Aminosäure wurde in letzter Zeit viel diskutiert. Bei Einnahme einer Lösung aus essenzieller Aminosäure plus Kohlenhydraten vor dem Widerstandstraining war die Muskelanabolismusreaktion größer als bei Einnahme der Lösung nach dem Training.(20) Diese Ergebnisse wurden von vielen so interpretiert, dass Athleten Protein vor dem Training einnehmen sollten.

Eine Folgestudie derselben Forschergruppe ergab in Bezug auf den Muskelanabolismus jedoch nur einen marginalen Unterschied zwischen der Einnahme vor und nach dem Training – also ein völlig anderes Bild als bei der Mischung aus freien Aminosäuren und Kohlenhydraten. Daraus lässt sich ableiten, dass eine Interaktion zwischen der Aminosäurenquelle und dem Zeitpunkt der Einnahme besteht, d.h., Proteine werden nicht unbedingt alle gleichmäßig hergestellt.

Der Unterschied hängt vermutlich mit der für die Verdauung von Protein benötigten Zeit zusammen. Da freie Aminosäuren nicht im Darm verdaut werden müssen, gelangen sie sehr schnell ins Blut. Werden freie Aminosäuren direkt vor dem Training eingenommen, ist die Transportrate der Aminosäuren in die Muskeln während des Trainings folglich sehr hoch. Da Proteine jedoch verdaut werden müssen, steigt der Aminosäurespiegel im arteriellen Blut nicht schnell genug, um die Transportrate zu erhöhen, sodass in etwa die gleiche anabole Reaktion erfolgt wie bei einer Proteineinnahme nach dem Training. Möglicherweise könnte sich eine Proteineinnahme, die 15, 20 oder sogar 30 Minuten vor dem Training erfolgt, günstig auswirken. Diese Möglichkeit wurde allerdings bislang noch nicht wissenschaftlich untersucht.

Eine anabole Reaktion wird scheinbar auch dann begünstigt, wenn neben Protein und Aminosäuren noch andere Nährstoffe zugeführt werden. Der Verzehr von Kohlenhydraten und Fett zusammen mit Protein bewirkt allem Anschein nach eine erhöhten Aufnahme von essenziellen Aminosäuren in den Muskeln (siehe Abb. 2). Diese Ergebnisse unterstützen auch eine frühere Behauptung – dass nämlich das Protein in Lebensmitteln für eine Stimulierung der Muskelhypertrophie ebenso wirksam ist wie Proteinergänzungsmittel.

Abb. 2: Verwertung von Aminosäuren (AS) aus der Nahrung für eine Zunahme an Muskelprotein nach dem Widerstandstraining. Eine zusätzliche Aufnahme von Kohlenhydraten zu einer Aminosäurenquelle verbessert die Verwertung der aufgenommenen Aminosäuren.

Obwohl Proteinergänzungsmittel ganz sicher ihre Berechtigung haben (in manchen Situationen ist die Einnahme deren einfach praktischer), spricht nichts dagegen, ein Muskelwachstum (z. B. als Bodybuilder) schlicht und einfach durch den Verzehr von Nahrungsmittel zu optimieren, die hochwertige Proteine enthalten, wie z. B. Eier, Milch und Milchprodukte und mageres Fleisch. Diese Tatsache ist keineswegs überraschend. Schließlich ist es der Evolution nicht vorgesehen, dass wir uns individuelle Proteine in Nahrungsergänzungssläden kaufen, sondern dass wir das Protein aus der Nahrung beziehen und bestmöglich verwerten.

 

Quellenangaben:

1. Applied Physiology, Nutrition and Metabolism, 2006, Bd. 31, S. 647-654

2. Nutrition, 2004, Bd. 20 (7-8), S. 689-695

3. American Journal of Physiology – Endocrinology And Metabolism, 1997, Bd. 273 (36), S. E99-E107

4. American Journal of Physiology, 1999, Bd. 276 (4), S. E628-E634

5. American Journal of Physiology, – Endocrinology And Metabolism 2002, Bd. 283 (4), S. E648-E657

6. Clinical Journal of Sport Medicine, 2007, Bd. 26 (1), S. 17-36

7. International Journal of Sport Nutrition and Exercise Metabolism, 2007

8. Applied Physiology, Nutrition, and Metabolism, 2006, Bd. 31 (5), S. 557-564

9. Nutrition Journal, 2007, Bd. 137 (4), S. 985-991

10. Nutrition Journal, 1984, Bd. 114 (11), S. 2107-2118

11. Chittenden RH, The nutrition of man. London, Heinemann, 1907

12. Journal of Sports Medicine and Physical Fitness, 2002, Bd. 42 (3) S. 340-347

13. Journal of Applied Physiology, 1992, Bd. 72 (4), S. 1512-1521

14. American Journal of Clinical Nutrition, 2007, Bd. 85 (4), 1031-1040

15. American Journal of Clinical Nutrition, 2007, Bd. 86 (2), 373-381

16. Nutrition Journal, 1999, Bd. 129 (6), S. 1102-1106

17. American Journal of Physiology, 1998, Bd. 274 (2), S. C406-C414

18. American Journal of Physiology – Endocrinology And Metabolism, 2005, Bd. 288 (4), S. E645-E653

19. Nutrition Journal, 2005, Bd. 135 (6), S. 1580S-1584S

20. American Journal of Physiology – Endocrinology And Metabolism, 2001, Bd. 281 (2), S. E197-E206

21. American Journal of Physiology – Endocrinology And Metabolism, 2007, Bd. 292 (1), S. E71-E76

22. Medicine & Science in Sports & Exercise, 2003, Bd. 35 (3), S. 449-455

23. Medicine & Science in Sports & Exercise, 2006, Bd. 38 (4), S. 667-674

 

Fachsprache:

Myofibrilläre Proteine – Proteine, die in den Muskeln und anderem Gewebe vorkommen, für Muskelaufbau und Muskelgröße sorgen und für die Muskelkontraktion notwendig sind

Essenzielle Aminosäuren – proteinogene Aminosäuren, die vom Körper nicht selbst gebildet werden und daher über die Nahrung aufgenommen werden müssen

Kataboles Training – ein experimentelles Modell, das eine Reduzierung der Muskelprotheinsynthese bewirkt

Metabolit – eine Substanz, die als Zwischenstufe bei Stoffwechselvorgängen entsteht

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