Wissenschaftlichen Grundlagen des Functional Training

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Wer das Konzept des funktionellen Trainings verstehen möchte, muss zunächst ein neues Erklärungsmodell für Bewegungsabläufe begreifen. Dieses wurde in den 90er-Jahren vom Physiotherapeuten Gary Gray eingeführt, der in Kursen über Bewegungsketten eine neue Sicht auf die Muskelfunktionen vertrat.

Diese stützte sich nicht mehr auf die hergebrachten Begriffe der Beugung und Streckung, Adduktion und Abduktion, sondern betrachtete die Muskelfunktionen als kinetische Kettenreaktionen.Wer das Konzept des funktionellen Trainings verstehen möchte, muss zunächst ein neues Erklärungsmodell für Bewegungsabläufe begreifen. Dieses wurde in den 1990er-Jahren von dem Physiotherapeuten Gary Gray eingeführt, der in seinen Kursen über Bewegungsketten eine neue Sicht auf die Muskelfunktionen vertrat. Diese stützte sich nicht mehr auf die hergebrachten Begriffe der Beugung und Streckung, Adduktion und Abduktion, sondern betrachtete die Muskelfunktionen als kinetische Kettenreaktionen. Bis dahin hatte nur die Anatomie untersucht, wie ein einziger Muskel ein Gelenk bewegt, währenddessen unbeachtet geblieben war, was mit dem Muskel während eines Bewegungsablaufs geschieht. Das Konzept der kinetischen Kettenreaktion dagegen betrachtet alle an der Bewegung beteiligten Gelenke und Muskeln und beschreibt, wie diese zusammenspielen, um eine komplexe Bewegung auszuführen. 

Bewegungsmuster verstehen

Knapp zusammengefasst, beschrieb Gray die Funktion des Unterkörpers in etwa folgendermaßen: Sobald der Fuß auf dem Boden aufsetzt, hat jeder Muskel des Unterkörpers eine Aufgabe. Gesäßmuskulatur, vordere und hintere Oberschenkelmuskulatur arbeiten zusammen, um Fuß-, Knie- und Hüftgelenk zu stabilisieren und ein Nach-vorne-Fallen zu vermeiden. Sie alle haben die Aufgabe, die Bewegung der Gelenke zu verlangsamen beziehungsweise zu kontrollieren. Die vordere Oberschenkelmuskulatur arbeitet bei der Landung nicht als Kniestrecker, sondern kontrahiert sich exzentrisch, um die Beugung des Knies zu verhindern. Der hintere Oberschenkelmuskel dient nicht als Kniebeuger, sondern hat zwei andere Aufgaben bei der Landung: Er verhindert Knie- und Hüftbeugung. In der Stützphase des Laufens arbeiten daher alle Muskeln der unteren Extremitäten zusammen, um eine Bewegung zu vermeiden, nicht um eine Bewegung auszuführen. Sie verlängern sich exzentrisch und verlangsamen damit die Beugung von Fuß-, Knie- und Hüftgelenk. 

Nach dem kontrollierten Aufsetzen des Fußes wird die Streckung von Fuß-, Knie- und Hüftgelenk vorbereitet, und wieder arbeiten alle Muskelgruppen der unteren Extremitäten zusammen. Nun hat die vordere Oberschenkelmuskulatur nicht nur die Aufgabe, das Knie zu strecken, sondern sie unterstützt auch die Beugung des Fußgelenks und die Streckung der Hüfte. Man kann also sagen, dass alle arbeitenden Muskelgruppen in der ersten Millisekunde exzentrisch wirken, um eine Bewegung zu stabilisieren. Dann arbeiten sie konzentrisch, um Bewegung zu erzeugen. 

Open-chain-Muskeltraining

Wenn Sie dieses Konzept der Bewegung verstanden haben, wird Ihnen klar, dass ein Athlet, der im Krafttraining die Beinstreckung am Gerät trainiert, eine Bewegung ausführt, die beim Gehen oder Laufen nicht vorkommt. Er führt sogenanntes Open-chain-Muskeltraining aus. Open chain (»offene Kette«) heißt, dass der Fuß keinen Kontakt mit dem Boden hat wie zum Beispiel beim Beincurl. Wer dagegen den Muskel so realitätsgetreu trainieren möchte, wie er auch gebraucht wird, der muss die Kette schließen und den Fuß auf den Boden aufsetzen. Erst dann werden alle Muskeln aktiviert, die an der Bewegung beteiligt sind. Speziell bei Übungen für die Beine sind Open-chain-Bewegungen, die nur ein einziges Gelenk isoliert bewegen, unfunktionell.

Michael Boyle

 

Quelle 

Michael Boyle: „Functional Training – Das Erfolgsprogramm der Spitzensportler“, Riva Verlag 2010

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Michael Boyle

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