Faszien – Zwischen Hype und Sensation

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Seit geraumer Zeit überschlägt sich die Berichterstattung über Faszien nahezu. Bildzeitung, Spiegel und auch das Fernsehen berichten über das Gewebe. Doch worin liegt dieser Hype, diese Fokussierung auf die Faszien begründet?

Berichte über neue Erkenntnisse zu Muskeln und Knochen schaffen es nicht, derartige Aufmerksamkeit zu bekommen! Auch die Entwicklung, dass Faszien mittlerweile in Fitnesskursen und „speziellen“ Trainingsstunden angesprochen werden sollen, verblüfft auf den ersten Blick. 

Auch auf dem Faszien-Summit 2015 in München waren die Faszien nicht nur in Vorträgen und „Hands-On“ Session im Fokus. Auch auf den Gängen drehten sich die Gespräche häufig um die Faszien und damit verbundene Behandlungsmethoden. Dabei reichten die Meinungen von „wusste ich schon immer und habe ich schon immer gemacht“ bis hin zu „Wahnsinn, was uns diese neuen Therapien bringen“. Alles in allem ist es an der Zeit, die faszialen Strukturen und deren Wirkmechanismen wertneutral zu analysieren und einzuordnen. 

Faszien – neu bewertet 

Wenn über fasziale Strukturen und Faszien gesprochen wird, handelt es sich keineswegs um ein neu entdecktes Gewebe. Grundlegend sind Teile der faszialen Strukturen schon seit Jahrhunderten bekannt. Das liegt daran, dass bei einer Präparation von Menschen im Anatomiekurs die großen sehnigen Platten beispielsweise an der Oberschenkel-Außenseite kaum zu übersehen sind. Auch die Bezeichnung, in diesem Beispiel der „fascia lata“, sind durchaus bekannt. Allerdings wurde diesem Gewebe bislang keine Aufmerksamkeit geschenkt. Weder in der anatomischen Struktur, noch im Zusammenwirken mit funktional-physiologischen Abläufen während „Bewegungen“. Wenn es um die „Wunderwelt“ der Faszien geht, beeindrucken insbesondere endoskopische Aufnahmen der faszialen Strukturen in Bewegung erst seit kurzem. Erst neuere technische Methoden, wie hochauflösende Ultraschallgeräte oder Endoskope mit sehr gute Kameras und der Möglichkeit, kleinere Strukturen maximal vergrößern zu können, lieferten wichtige Durchbrüche in der Faszienforschung. 

Faszien: Alles nur eine Hülle? 

Ohne die bahnbrechenden Ergebnisse der letzten Jahre kleinreden zu wollen, geht es also zunächst einmal um eine Neubewertung, schon bekannter Strukturen. Zumindest wenn man das vorherrschende Bild der Faszien als bloße „Hülle“ bzw. Verbindungsstruktur als Ausgangsposition nimmt. Aus dieser Betrachtungsweise stammen beispielsweise Gleichnisse wie „Taucheranzug“ oder „2. Hülle“, da die faszialen Strukturen tatsächlich den ganzen Körper umspannen und die Muskulatur umhüllen. Doch auch dieses Bild wird der tatsächlichen Funktion der faszialen Strukturen und der faszialen Leitbahnen nicht gerecht. Arbeiten, wie die von Tom Myers und seinen „Anatomy Trains“, aber auch die Hinweise der Arbeitsgruppe Schleip zur Kontraktionsfähigkeit und der energiespeichernden Eigenschaft faszialer Strukturen zeigen, dass es doch möglicherweise komplexer ist, als zunächst angenommen. Ganz wichtig ist zunächst einmal, dass Bewegung grundlegend das Lebenselixier der faszialen Strukturen ist. „Wer sich nicht bewegt, verklebt“ – dieser einfache Spruch begleitet die Vorträge von Dr. Robert Schleip und er hat es in sich: Bewegung ist nicht allein bezogen auf die bindegewebigen Strukturen wichtig: auch Muskeln, Knochen und das Herz-Kreislaufsystem sind von ihr abhängig.

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Über den Autor

Dennis Sandig

Dennis Sandig arbeitete als Sportwissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Aktuell ist er bei der Deutschen Triathlon Union als Wissenschaftskoordinator und Referent für Bildung zuständig, sowie für das umfassende Aus- und Fortbildungsprogramm für Coaches im Triathlon.

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