„Athletiktraining findet primär mit den Füßen auf dem Boden statt.“

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Julian Morche ist bei All Out für das Training mit den Profis der Telekom Baskets Bonn verantwortlich. Im 2. Teil des Interviews erklärt Julian, warum jeder Athletiktrainer „Boden, Schwerkraft und ein Bücherregal“ braucht und die meisten Leute im Fitnessstudio wie „Kranfahrer“ trainieren

Trainingsworld:In der Vergangenheit hast Du dich auf das Athletiktraining mit Kindern und Jugendlichen spezialisiert. Mit welchen Herausforderungen musstest Du dich beim Arbeiten mit Profi-Basketballern auseinandersetzen?

 

Julian Morche: Ausgereifte, erwachsene Athleten brauchen eine andere Ansprache und ein anderes Coaching als Kinder. Bei mir ist es eigentlich so, dass ich erst mit erwachsenen Athleten gearbeitet habe und auch durch mein Studium und die Arbeit mit den Kindern am Olympiastützpunkt meinen Fachbereich ausgebildet habe. Grundsätzlich ist die Arbeit jedoch lustigerweise oft sehr ähnlich. Ich denke, die Hauptunterschiede sind die Ansprache, die Coachingpoints und die Intensitäten der Belastung, die unterschiedlich sind. Beides macht mir unheimlich viel Spaß und ich lerne sowohl bei der Arbeit mit den Kids als auch bei der Arbeit mit den Profis jeden Tag etwas dazu, was ich dann in beiden Bereichen wieder einsetzen kann. (Lesen Sie auch Teil I unseres Interviews!)

 

Trainingsworld:Wenn man den Begriff „Athletiktrainer“ hört, denken die meisten an Fitness, Schnelligkeit und Sprungkraft. Wie wichtig sind Themen wie Prävention, Regeneration, Beweglichkeit und Ernährung?

 

Julian Morche: Sportliche Leistungsfähigkeit ist wie eine Pyramide: Beweglichkeit und Stabilität bilden eine breite, stabile Basis für Kraft, Schnelligkeit und die Energiesysteme bzw. die Ausdauer. Die Spitze bilden dann die basketballspezifischen Fähig- und Fertigkeiten. Gutes Training ist Prävention, denn Verletzungen passieren, weil Muskeln nicht gut zusammengearbeitet haben oder zu langsam und zu schwach waren. Wir wissen, dass eine Pyramide nur auf einem soliden Boden gebaut werden kann. Ein Teil eines solchen Bodens ist gute Ernährung. Sie reduziert Entzündungsprozesse, was wichtig für Prävention und Regeneration ist und gibt den Sportlern die Energie, die sie brauchen. Es gibt Phasen, da brauchen die Sportler kein Work-Out, sondern ein Work-In. Wir machen nach jedem Training eine kurze „Work-In“ Phase, bei der wir an Gewebequalität und der Rückerlangung eines parasympathischen, also regenerativen, Allgemeinzustandes arbeiten.

 

Trainingsworld:Neben dem Athletiktraining mit der Mannschaft bist Du auch für die Fitness jedes einzelnen Spielers zuständig. Wie unterscheidet sich eine Individualtrainingseinheit zwischen einem Aufbauspieler und einem Center?

 

Julian Morche: Wir respektieren, dass die Spieler in erster Linie mehr Gemeinsamkeiten haben, als sie Unterschiede haben. Immerhin sind es alle Profibasketballspieler in der gleichen Mannschaft und der gleichen Phase der Saison. Die hauptsächlichen Individualisierungen finden eher anhand „athletenspezifischer“ Unterschiede statt. Wir arbeiten beim herzfrequenzgesteuerten Energiesystemtraining mit individuellen Regenerationsphasen. Jeder hat außerdem Trainingspläne, die auf die individuelle Bewegungsfähigkeit zugeschnitten sind. Ein „positionsspezifisches“ Training findet man bei uns vor allen Dingen bei der Auswahl der Übungen für das spezifische Energiesystemtraining, weil wir gerade dort individuelle Qualitäten nutzen möchten. Man sollte immer wissen, was man wann und wie benutzt, um ein Ziel zu erreichen.

 

Trainingsworld:Welche Geräte sollte ein Athletiktrainer deiner Meinung nach unbedingt besitzen und weshalb?

 

Julian Morche: Den Boden, die Schwerkraft und das Bücherregal! Viel wichtiger als Geräte ist es doch eine klare Systematik zu haben, welcher Trainingsreiz mit welchem Spieler, zu welcher Zeit, und in welcher Intensität gesetzt werden muss. Die Auswahl des entsprechenden Gerätes, um das zu erreichen ist dann erst der letzte Schritt. Gerade für Basketballer spielen Medizinbälle eine große Rolle, weil man sie wegwerfen kann und damit an maximaler Schnellkraftentfaltung zwischen Zehen und Fingerspitzen arbeiten kann. Das ist zum Beispiel ein Tool, das wir sehr gerne und vielfältig verwenden. Grundsätzlich ist es wie mit einem Werkzeugkasten. Manchmal ist es einfach nicht die beste Idee eine Schraube mit einem Hammer in die Wand bringen zu wollen. Und so verhält es sich auch mit Übungen und Geräten im Training. Man sollte immer wissen, was man wann und wie benutzt, um ein Ziel zu erreichen.

 

Trainingsworld:Abschließend würden sich unsere basketball-interessierten Leser freuen, wenn Du Ihnen ein paar Tipps mit auf den Weg geben würdest, wie sie Ihr Fitnesstraining effektiver gestalten könnten.

 

Julian Morche: Dan John (Anm. d. Redaktion: bekannter Kraft- und Wurftrainer) sagt immer: „Das Ziel ist es, das Ziel als Ziel im Auge zu behalten.“ Wenn du Basketballspieler bist, dann musst du trainieren wie ein Basketball-Spieler. Wenn man sich in einem Fitnessstudio umschaut, trainieren die meisten Leute so, als wären sie Kranfahrer. Sitzend, einige Hebel vor und zurückzuschieben, ist eine schlechte Ausgangsposition für effektives Athletiktraining. Athletiktraining findet primär mit den Füßen auf dem Boden statt. Such dir einen Athletik-Trainer, der Erfahrung mit Leistungssportlern hat und der dir die wichtigen Basics beibringen kann. Der Unterschied zwischen gutem und schlechtem Training ist, dass bei gutem Training die Qualität absolut im Vordergrund steht.

 

Trainingsworld:Ich bedanke mich für das nette Gespräch!

 

Abschließend noch ein paar Eindrücke zum All Out Performance Training: http://www.youtube.com/user/alloutgym?feature=results_main

 

Ramy Azrak

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