Händigkeit, Füßigkeit, Drehseitigkeit

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In diesem Teil des Artikels zum Thema Seitigkeit und Dominanz einer Körperseite erfahren Sie, wie sich die Hemisphärendominanz auf die Präferenz der Hände, Füße und den Drehsinn auswirkt und welche Besonderheiten es dabei gibt.

Im ersten Teil wurde beschrieben, wie sich die Lateralität in den Hirnhemisphären entwickelt und dass deren Polarisierung eine wichtige Fähigkeit darstellt. Damit man die nachfolgenden Untersuchungen verstehen kann, ist es wichtig zu wissen, dass die Hirnhemisphären überkreuzt die jeweiligen Gliedmaßen aktivieren, d. h. das rechte Gehirn aktiviert den linken Arm und umgekehrt.

 

Händigkeit

Die zentrale Steuerung der Gliedmaßen wird also von der jeweiligen Gehirnhälfte übernommen. Bei 20-30 % der Menschen ist der bevorzugte Arm allerdings nicht der stärkere. Nur bei 50-60 % der Linkshänder und ca. 75 % der Rechtshänder ist der dominante Arm auch der stärkere.

Zur Bestimmung der Händigkeit können folgende Tests verwendet werden:

– Ballwurf

– Kugelstoß

Volleyball-/Tennisaufschlag

– Pfeilwurf (Darting)

– Basketballwurf

– Tischtennis

– Hämmern

– Sägen

– Kämmen

– Schreiben

– Diskuswurf

 

Die Entwicklung der Händigkeit nach der Geburt wird in einigen Studien untersucht:

SOVAK (1962) führte eine Untersuchung bei Vorschul- und Schulkindern durch. Dabei bestand die ursprüngliche Ontogenese zum ersten Zeitpunkt 1:1. Durch ein Anpassungsverhalten an ein rechtshändiges Milieu fand zum späteren Zeitpunkt eine Verschiebung zugunsten der Rechtshändigkeit statt.

Ergebnis:

Linkshändigkeit = 33,6 %

L < R (Tendenz zu rechts) = 17 %

Rechtshändigkeit = 49,4 %

 

KIRCHERT (1977) stellte bei einer Längsschnittuntersuchung fest, dass schon mit 16 Monaten keine Beidhändigkeit mehr vorlag, sondern eine einseitige Präferenzdominanz. In der weiteren Kindesentwicklung sei die Schwankung relativ gering.

Fazit: Die Händigkeit unterliegt primär den Einflüssen reifungsbiologischer Faktoren.

 

STUTTE/SCHILLING (1975) untersuchte den Zusammenhang zwischen der Leistungsdominanz und einem feinmotorischen Training. Dazu wurden 110 Kinder zu 3 unterschiedlichen Zeitpunkte hinsichtlich ihrer Handleistungsdominanz untersucht – 6 Monate vor dem Schulbeginn, kurz nach der Einschulung und 4 Monate nach dem Schulbeginn. Ambidextre (beidseitig ausgeprägte) Kinder entwickelten sich nach der festgelegten Schreibhand zu Links- oder zu Rechtshändern. Somit wurde nachgewiesen, dass sich die Schreiblernprozesse in wenigen Monaten auf die Leistungslateralisation der Hände auswirken, wenn sie konsequent durchgeführt werden.

 

SIADOW (1982) führte eine Untersuchung in der UdSSR bei Kindern zwischen dem 6. und 16. Lebensjahr durch. Bereits bei 6-jährigen registrierte er einen hohen Anteil an Rechtshändern. Dies lässt erzieherischen Einfluss vermuten, denn bereits im Vorschulalter betrug der Linkshänderanteil nur 5 %. Tatsächlich ist es so, dass in sowjetischen Ländern auf das Schreiben mit der rechten Hand bestanden wurde und die Lehrer alles Mögliche unternahmen, um eine Linkshändigkeit zu „korrigieren“.

 

Linkshänder mit eindeutiger/stabiler Seitigkeit

Ein Linkshänder hat eine spiegelbildliche Spezialisierung der Gehirnhälften im Vergleich zum Rechtshänder. D. h. viele der Hirnfunktionen wie Sprache und Orientierungsfähigkeit liegen in einer anderen Gehirnhälfte. Einige Untersuchungen gehen davon aus, dass dieses Phänomen erblich beding ist. Man konnte nachweisen, dass eine Zwangsumgewöhnung ausgeprägter Linkshänder nicht nur zum Umlernen von Bewegungsabläufen, sondern ebenfalls zu einer Umorganisation seiner gesamten Hirnstruktur führt.

 

Ambidextrie (Beidseitgkeit)

Es gibt keine einheitliche Methode zur Erhebung der Ambidextrie. Die Wissenschaftler benutzen unterschiedliche Tests, allerdings ist es nicht eindeutig, ab welchem Grad einer Seitigkeit von einer Ambidextrie zu sprechen ist.

SCHILLING (1972) führte folgende Untersuchung zur Bestimmung der Händigkeit durch. Als Erstes bestimmte er die präferierte Hand. Dazu ließ er seine Probanden 10 unterschiedliche motorische Aufgaben machen. Aus dem Verhalten der Hände bei der jeweiligen Leistung wurde der Dominanzindex mit r= .89 (Wahrscheinlichkeit für die Dominanz einer Hand) errechnet. Um anschließend die Leistungsdominanz einer Hand zu bestimmen, ließ er eine Männchen-Figur zielgenau punktieren. Dabei wurden die richtigen Stiche pro Zeiteinheit gezählt. Als Ergebnis kam r= .93 heraus. Damit hat er bewiesen, dass Verfahren mit hohen Anforderungen an die feinmotorische Koordination am besten zur Identifizierung von Links- und Rechtshänder geeignet sind.

 

Füßigkeit

Die Entwicklung für die Präferenz eines Fußes geschieht weitgehend ohne erzieherische Einflüsse schon im Vorschulalter nach dem Prinzip von „Versuch und Irrtum“. Die entstandene Präferenz bleibt dann mehrheitlich lebenslänglich konstant.

STERN/SCHILF (1932) sagt, dass die Linksfüßigkeit bei Rechtshändern eher selten ist. 90 % aller Rechtshänder sind auch „Rechtsfüßer“. Es besteht eine fast vollständige Konkordanz (homogene Lateralität). Aber nur 60 % der Linkshänder bevorzugen den linken Fuß. Es ist ein Ausdruck für Lateralisierungsspezifika.

 

Absprung

Wie wirkt sich die Füßigkeit aber auf den Absprung allgemein aus? Das Verhalten des präferierten und des dominanten Beines ähneln dem Verhalten bei Händigkeit. Das beim Absprung eingesetzte Bein muss nicht zwingend das stärkere sein. Denn der Faktor Geschicklichkeit ist bei der Bestimmung der Beindominanz bedeutender als der Faktor Kraft. Bei Geschicklichkeitsübungen gilt das stärkere Bein als Standbein, was wiederum genetisch bedingt ist.

 

Zur Bestimmung der Füßigkeit können folgende Tests verwendet werden:

– Weitsprung mit Anlauf

– „Auftriebssprung“ über ein Hindernis

– Hürdenlauf (Abduckfuß)

– Hoch-/Tiefstart (Abdruckfuß vorn)

– Fußballtorschuß (Standbein)

 

Drehseitigkeit

Bei der Drehseitigkeit wird ein Unterschied zwischen Kurven- und Drehpräferenz gemacht.

 

Kurvenpräferenz

WINTER (1953), der sich in seiner Freizeit dem Fliegen von Leichtflugzeugen verschrieb, bestätigte selbst, dass ihm die Linkskurven beim Fliegen leichter fielen. Auch die meisten Kreisläufe haben eine Linkspräferenz. Diese Laufrichtung hat sich ebenfalls im Sport beim Anlegen von Stadien etabliert. Bei den Olympischen Spielen 1906 in Athen wurde diese Regel allerdings nicht beachtet, was bei Läufern zu Konfusionen geführt hat. Denn das rechte Bein sei bei fast allen das stärkere gewesen, was einen Lauf in Linkskurven begünstigt, in der Rechtskurve allerdings seine Kraft nicht entfalten kann.

 

Drehpräferenz

Bei den meisten Menschen besteht eine dominierende Linksbevorzugung im Drehsinn mit einer Verteilung von 70:30. Bei Frauen ist die Rechtsbevorzugung um 15 % höher als bei den Männern. Die Ursache für die Bevorzugung eines Drehsinns ist die unterschiedliche Erregbarkeit des Vestibularapparates und der Körpersymmetrie.

 

Zur Bestimmung der Drehseitigkeit können folgende Tests verwendet werden

– Anlauf – beidbeiniger Absprung vom Trampolin – halbe oder ganze Drehung – beidbeinige Landung

– Niedersprung vom Kasten mit ganzer Drehung

– Kurvenbevorzugung beim Fahrradfahren/Skifahren

 

Vorschau

Wie das Erlernen einer Bewegung sich von einer auf die andere Seite übertragen kann (die sogenannten „Crossing-Effekte“) und wie die Seitentypologien bei unterschiedlichen Leistungssportlern aussehen, wird im nächsten Teil vorgestellt.

 

Marina Lewun

 

Quellenangaben:

1. Oberbeck, H. (1989). Seitigkeitsphänomene und Seitigkeitstypologie im Sport. Karl Hoffmann: Schorndorf

2. Fischer, K. (1992). Lateralität und Motorik. Bd. 15: Motorik. Schorndorf: Hoffmann

3. Fischer, K. (1988). Rechts-Links-Probleme in Sport und Training. Schorndorf: Hoffmann

4. Springer, S.; Deutsch, G. (1998). Linkes – rechtes Gehirn. Heidelberg: Spektrum, Akad. Verlag

5. Thienes, G. (2000). Lateralität und sportmotorische Leistungsfähigkeit. Bd. 23: Motorik. Schorndorf: Hoffmann

 

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Marina Lewun

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