So wichtig sind Muskeln für die Ausdauer

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Muskeln für die Ausdauer: Ausdauersportler stehen in puncto Muskelmasse vor einem interessanten Paradoxon. Größere, kräftigere Muskeln erzeugen stärkere Kontraktionen, was zu mehr Kraft und Geschwindigkeit führt. Das Gewicht massiver Muskeln stellt allerdings auch größere Anforderungen an unsere begrenzten Energiespeicher, insbesondere bei Sportarten mit Gewichtsbelastung.

Dieser Beitag erläutert, wie leistungskritisch eine für den jeweiligen Sport adäquate Muskelmasse für Ausdauersportler sein kann.

Warum brauchen Ausdauersportler Muskeln?

Zunächst möchte ich erläutern, warum die Muskelmasse für Ausdauersportler so wichtig ist:

Höhere maximale Leistung – Manche Ausdauersportarten, wie z. B. der Marathonlauf, erfolgen bei relativ konstanter moderater Intensität. Hierbei ist die maximale Leistung daher von sekundärer Bedeutung. Oft kommt es zwischendurch jedoch auch zu kurzen, hochintensiven Laufphasen, z. B. an Steigungen, bei Ausreißversuchen und wenn es darum geht, bei Sprints die Konkurrenz hinter sich zu lassen. Eine höhere Maximalleistung ist hier eindeutig von Vorteil.

Geringere relative Muskelkraft – Im Sport ist jede Bewegung (d. h. ein Laufschritt bei einer bestimmten Geschwindigkeit) eine gewisse Belastung der Muskeln. Bei größerer Muskelkraft verringert sich diese Belastung im Verhältnis zur Maximalbelastung, und die Kraftausdauer wird verlängert. Bei den leistungsschwächsten Personengruppen ist dieser Effekt am größten. Ältere Personen können ihre Laufbandausdauer zum Beispiel schon alleine durch Krafttraining erhöhen, d.h. ohne kardiovaskuläres Training.

Geringeres Verletzungsrisiko – Kräftigere Muskeln bieten einen besseren Schutz gegen potenzielle Sportverletzungen. Es wird weithin angenommen, dass eine größere Muskelkraft das Risiko von Sportverletzungen senken kann.

Wie viele Muskeln braucht man eigentlich?

In der Typologie von Sportlern bezeichnet man die beiden Extremtypen als mesomorph und ektomorph. Reine mesomorphe Typen, wie z.B. Bodybuilder, sind kräftige Athleten mit viel Muskelmasse, während reine ektomorphe Typen schlanke Sportler mit wenig Fett- und Muskelmasse sind. Im Vergleich zu anderen Athleten sind Ausdauersportler eher ektomorph. Dünner muss jedoch nicht zwangsläufig besser heißen!

Abb. 1: Einteilung von Sportlern nach Körperbau

Abb. 1: Einteilung von Sportlern nach Körperbau

Die optimale Muskelkraft eines Ausdauersportlers

Die optimale Muskelkraft eines Ausdauersportlers ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig, wie z.B. der Dauer und Intensität des Wettkampfs, der Bewegungsart bei der betreffenden Sportart sowie von zahlreichen anderen Aspekten. Generell kann man sagen, dass eine große Muskelkraft günstiger ist bei: Kürzeren Wettkämpfen, Disziplinen mit hochintensiven Power-Sprints und Sportarten, bei denen das Körpergewicht abgestützt wird, sodass die Wirkung der Schwerkraft geringer ist. Daher besitzen Schwimmer, Sprint-/Straßen-Radrennsportler und Ausdauersportler von Mannschaftssportarten (z. B. Fußballspieler) gewöhnlich eine größere Muskelkraft. Im Vergleich dazu gehören Langstreckenläufer und Radfahrer, die „Bergspezialisten“ sind, eher zu den ektomorphen Sportlertypen (Abb. 1).

Ein gutes Vergleichsbeispiel liefert der Profiradsport, wo Zeitfahrspezialisten ein Gewicht-Größe-Verhältnis von ungefähr 0,45 kg pro cm Körpergröße haben (die ehemaligen Tour-de-France-Prolog-Gewinner Fabian Cancellara und Thor Hushovd gaben ein Verhältnis von 4,3–4,5 an), während Bergspezialisten eher bei 3,6 kg/cm liegen (die 3 besten Bergfahrer der diesjährigen Tour – Michael Rasmussen, Mauricio Soler und Alberto Contador – kamen auf ein Verhältnis von etwa 3,4–3,6).

Die Muskelmasse für Ausdauerathleten

Aufgrund ihrer größeren Muskelmasse konnten die Zeitfahrspezialisten beim flachen Zeitfahren mehr Schnellkraft (und somit mehr Geschwindigkeit) entwickeln als leichtere Bergfahrer. In den Bergen wird ihnen die größere Muskelmasse jedoch zum Verhängnis, da schwerere Fahrer bei den langen Anstiegen aufgrund der Schwerkraft langsamer werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Muskelmasse für alle Ausdauerathleten ein wichtiger Leistungsfaktor ist. Ihre Relevanz und der zeitliche Trainingsaufwand für den Aufbau von Muskelmasse sind jedoch abhängig von den jeweiligen Wettkampfanforderungen. Doch selbst für Federgewichtler ist der Erhalt einer adäquaten sportspezifischen Muskelmasse ein leistungskritischer Aspekt. Eine adäquate Muskelmasse bringt mehr Power, geringere Muskelbelastung bei submaximaler Belastung und kann die Verletzungsresistenz verbessern.

Ernährungsstrategien für den Aufbau und Erhalt von Muskelmasse

Kein Verzicht auf Kohlenhydrate

Wenn es um den Muskelaufbau geht, denken viele zunächst an Proteine. Auf das Thema Proteine werden wir in dieser Ausgabe noch ausführlich eingehen. Sie sollten, auch wenn Sie sich oft mit einer ausreichenden Proteinversorgung beschäftigen, keinesfalls die Kohlenhydrate vernachlässigen. Ausdauersport erfordert sehr viel Energie, und auch der Prozess des Muskelaufbaus kostet enorm viel Energie. Bei den meisten Ausdaueraktivitäten sind die Kohlenhydrate der primäre Energielieferant des Körpers, und bekanntlich kann es bei zu geringer Zufuhr von Kohlenhydraten zu einer Leerung der Glykogenspeicher im Muskel kommen.

Angesichts des „Low-carb“ Diätwahns der vergangenen Dekade mögen manche von Ihnen die Notwendigkeit von Kohlenhydraten vielleicht anzweifeln. Falls die Argumente für den Verzehr von Kohlenhydraten noch nicht reichen, möchte ich Ihnen hier eine Studie der Universität von Birmingham (England) vorstellen. Dabei untersuchten die Wissenschaftler Ausdauerläufer, die 11 Tage lang ein intensives Training bei geringer (40 %) und großer (70 %) Kohlenhydratzufuhr absolvierten.(1)

Bei der größeren Kohlenhydratzufuhr zeigten die Läufer eine wesentlich bessere Ausdauerleistung und weniger Symptome von Übertraining, obwohl die Kalorienmenge bei beiden Diäten gleich war. Auf einen simplen Nenner gebracht bedeutet dies: Wer intensives Ausdauertraining macht, sollte ausreichend Kohlenhydrate essen!

Die Bedeutung von Protein für den Körper

Im Körper wird Protein kontinuierlich auf- und abgebaut. Dies bezeichnet man auch als Proteinumsatz. Proteinsynthese (Aufbau neuer Proteinstrukturen, einschließlich Muskeln) und Proteinabbau (Abbau der Körperproteine) finden nebeneinander statt. Wenn Sie die vorhandene Muskelmasse erhalten wollen, müssen Sie versuchen, eine Proteinbilanz zu erreichen, bei der der tägliche Proteinverlust infolge des Proteinabbaus durch die Synthese einer entsprechend großen Menge an Proteinen ausgeglichen wird.

Sollen Muskeln aufgebaut werden, so muss über eine bestimmte Zeit mehr Protein auf- als abgebaut werden. Derzeit laufen Studien, die sich damit befassen, wie der Proteinhaushalt von Ausdauersportlern durch Proteinzufuhr beeinflusst werden kann. In neueren Studien wurde bereits untersucht, welche Rolle eine diätetische Proteinzufuhr in Bezug auf Muskelschäden, Wiederauffüllen der Glykogenspeicher in den Muskeln und die anschließende Trainingsleistung spielt.

So verhindern Sie den Proteinabbau

Abb. 2: Proteinumsatz während des Sports/nach dem Sport

Abb. 2: Proteinumsatz während des Sports/nach dem Sport

Sport stimuliert die Proteinsynthese, beschleunigt andererseits aber auch den Proteinabbau. Wissenschaftler der Universität Maastricht (Niederlande) untersuchten die Proteinbilanz bei Ausdauersportlern während eines 6-stündigen Radfahr-/Lauftrainings.(2)

Wurden während des Trainings in 30-minütigen Intervallen Kohlenhydrate verzehrt, blieb die Proteinbilanz für die Dauer des Trainings sowie 4 Stunden während der anschließenden Erholungsphase im negativen Bereich. Wurde jedoch während der Übung eine Mischung aus Kohlenhydraten und Protein verzehrt, kam es zu einer erhöhten Proteinsynthese und einem verminderten Proteinabbau, sodass die Proteinbilanz während und nach der Übung im positiven Bereich war (siehe Abbildung 2). Diese Studie lässt vermuten, dass es selbst bei ausreichender Kohlenhydrataufnahme zu einem katabolen Zustand der Muskeln kommen kann, wenn nicht genügend Protein verzehrt wird. Wenn Sie also während eines langen Ausdauerwettkampfs oder danach außer Kohlenhydraten auch Proteine zu sich nehmen, können Sie Ihre Proteinbilanz verbessern.

Beugen Sie Muskelschäden vor

Eine Reihe neuerer Studien in unserem Labor an der James Madison University (USA) ergab, dass der Verzehr einer Kombination von Kohlenhydraten und Proteinen während oder nach der sportlichen Belastung eine Reduzierung der Marker für Muskelschäden und Muskelkater nach intensivem Ausdauersport zur Folge hat. Diese Ergebnisse wurden beim Verzehr von kombinierten Kohlenhydrat-Protein-Getränken nach erschöpfendem Radfahren(3,4) sowie nach den täglichen Trainingseinheiten von Cross-Country-Läufern beobachtet.(5)

Eine weitere interessante Beobachtung war eine Verbindung zwischen der Laufleistung der Läufer und dem Nutzwert des Proteins für die Sportler. Mit anderen Worten: Je härter Sie trainieren, desto größer ist die Gefahr von Muskelschäden, und desto wichtiger ist der Verzehr einer Kohlenhydrat-Protein-Mischung direkt nach dem Training.

Kohlenhydrate und Proteine: Die richtige Kombination macht´s

Forscher der Universität von Texas berichteten, dass nach dem Verzehr einer Kohlenhydrat-Protein-Mischung nach dem Sport die Glykogenspeicher in den Muskeln schneller wieder aufgefüllt werden als nach dem Verzehr von reinen Kohlenhydraten.(6) Andere Wissenschaftler behaupten jedoch, dass dieselbe Wirkung auch dann eintritt, wenn während der Erholungsphase in häufigen Abständen Kohlenhydratgaben verabreicht werden. Das kann gut sein, jedoch ist der häufige Verzehr von Kohlenhydraten unpraktisch und erhöht den Kalorienverbrauch, was im Hinblick auf Gewicht und andere ernährungsphysiologische Aspekte eher negativ sein kann.

Abb. 3: Reaktionen der Muskulatur nach dem Sport

Abb. 3: Reaktionen der Muskulatur nach dem Sport

Dieses Thema erfordert sicherlich weitere wissenschaftliche Untersuchungen, dennoch scheint sich bereits jetzt abzuzeichnen, dass eine moderate Kalorienaufnahme nach dem Training in Form einer Kombination von Kohlenhydraten und Protein zu einem ebenso schnellen oder beschleunigteren Wiederauffüllen der Glykogenspeicher führt als der Verzehr von reinen Kohlenhydraten. In Anbetracht des zusätzlichen Nutzens in Form einer verbesserten Proteinbilanz und einer Reduzierung von Muskelschäden scheint die Zufuhr einer Kohlendrat-Protein-Mischung nach dem Sport für den Ausdauersportler eine gute Entscheidung zu sein (siehe Abb. 3).

Erholungsphase nach dem Sport

Einige Studienergebnisse zeigen, dass der Verzehr von Kohlenhydraten plus Protein während der Erholungsphase nach dem Sport die Leistung bei der nachfolgenden sportlichen Aktivität steigern kann.(4,7,8) Andere Wissenschaftler hingegen konnten bei einem Verzehr von Kohlenhydrat-Protein keinen leistungssteigernden Nutzen feststellen.(9,10)

Eine mögliche Erklärung für diese Varianz ist die unterschiedliche Wirkung der vorausgegangenen Trainingseinheit. Kam es zum Beispiel beim 1. Übungsdurchgang weder zu einem größeren Muskelschaden noch zu einer erheblichen Leerung des Glykogenspeichers, so wird eine Nahrungsergänzung vermutlich nicht zu einer anschließenden Leistungssteigerung führen, weil der Körper sich von ganz alleine erholen kann.

Diese Auffassung wird gestützt von einer zuvor erwähnten Studie: In einem Vergleich von großer und kleiner Laufleistung wurde hier beobachtet, dass bei Läufern mit großer Laufleistung geringere Muskelschäden und mehr Leistungssteigerungen bei der nächsten sportlichen Aktivität auftraten.(5) Wenn Sie also gleich im Anschluss an ein hartes Training eine Mischung aus Kohlenhydraten und Protein verzehren, kann dies die Erholung der Muskulatur beschleunigen und zu einer besseren Leistung am nächsten Tag führen.

Wenn Sie jedoch nie so hart trainieren, dass die Muskulatur wirklich stark beansprucht wird, wird der potenzielle Nutzen im Hinblick auf eine Regeneration der Muskeln weniger deutlich ausfallen und kurzfristig vermutlich keine Auswirkung auf die Leistung haben.

Diese verschiedene Proteinarten sollten Sie kennen

Proteine setzen sich aus Aminosäuren zusammen und kommen in verschiedenen Formen vor. Aminosäuren erfüllen im Körper eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben und spielen bei unzähligen Prozessen eine Rolle. Für viele Nahrungsmittel wird mit den Vorzügen von essenziellen Aminosäuren (EAS) geworben. Lebensmittel werden häufig vor allem mit verzweigtkettigen Aminosäuren (VKAS), einer Untergruppe der EAS, angereichert, da sie den Muskelaufbau und die Regeneration fördern sollen.

Obgleich in einigen Studien nachgewiesen wurde, dass eine Ergänzung mit VKAS aus verschiedenen Gründen einer Muskelregeneration förderlich sein kann, gibt es keine überzeugenden Beweise dafür, dass sie ein besseres Regenerationsvermögen haben als ganze Proteine, solange Proteine mit ähnlichen Mengen an VKAS eingenommen werden. Wahrscheinlich erzielen Sie beispielsweise bei einer Nahrungsergänzung mit Gesamtprotein (Whey, Casein etc.) und anderen Lebensmitteln (Hähnchenbrust, Erdnüsse, Milchprodukte, etc.), die einen ausreichend hohen VKAS-Gehalt haben, den gleichen Effekt wie bei einer VKAS-Ergänzung.

Obgleich VKAS in Bezug auf Muskelaufbau und Muskelerholung durchaus positive Wirkungen zeigen, rechtfertigt der Nutzen keinesfalls die höheren Kosten, die für Ausdauersportler mit diesen Nahrungsergänzungsmittel verbunden sind.

Was bewirken Kreatin und HMB

Kreatin, auf das wir in dieser Ausgabe später noch ausführlicher eingehen werden, ist ein Nahrungsergänzungsmittel, das viele Kraft- und Leistungssport-Athleten verwenden. Auch Ausdauersportler, die zur Optimierung ihrer Leistung mehr Muskelmasse aufbauen wollen, sollten über eine Kreatin-Ergänzung nachdenken. Wir möchten jedoch warnend darauf hinweisen, dass in mindestens einer Studie ein Rückgang der Ausdauerleistung bei Kreatin-Ergänzung beobachtet wurde. Der Grund hierfür könnte eine Gewichtszunahme infolge von Wassereinlagerungen sein.

Die Entscheidung über eine Kreatineinnahme hängt daher von verschiedenen Eckdaten des Sportlers ab. Betreiben Sie beispielsweise eine Sportart, bei der die Gelenke entlastet werden, wie z.B. Schwimmen oder Straßenradsport? Gibt es in Ihrer Sportart hochintensive Belastungsphasen? Sind Sie Vegetarier (und haben daher möglicherweise geringere Kreatinwerte)? Wenn Sie all diese Fragen mit ja beantworten, wäre eine Kreatinergänzung bei Ihnen wahrscheinlich angezeigt.

Noch ein Warnhinweis: Obwohl bislang nach wissenschaftlichen Untersuchungen noch nicht über schädliche gesundheitliche Folgen berichtet worden ist, warnt das American College of Sports Medicine vor der Annahme, dass eine Kreatineinnahme frei von Gesundheitsrisiken sei, denn in Einzelfällen bestand vermutlich ein Zusammenhang zwischen Kreatinergänzung und diversen Beschwerden, die von Muskelkrämpfen bis zu Veränderungen der Leber- und Nierenfunktion reichten.(11)

Ein weiteres Nahrungsergänzungsmittel ist Hydroxymethyl-Buttersäure (HBM). Diese wird häufig von Bodybuildern verwendet, da es die fettfreie Körpermasse vermehren und die Regeneration beschleunigen soll. Die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen belegen jedoch, dass selbst bei Kraftsportlern, die relativ hohe Dosen zu sich nehmen, der potenzielle Kraftanstieg und Zuwachs an fettfreier Körpermasse infolge von HMB äußerst gering sind. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass die Mehrheit der Ausdauersportler einen spürbaren Nutzen von den vergleichsweise kleinen Mengen an HMB hat, die in den meisten handelsüblichen Regenerationsprodukten enthalten sind.

In jedem Fall sind jedoch Kohlenhydrate und Proteine ganz wichtige Nährstoffe für Ausdauersportler. Aber in welchen Mengen und wann? Da eine umfassende Ernährungsberatung den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, lautet der wichtigste Rat, den wir hier an dieser Stelle geben können, das „Zeitfenster der Erholungsphase nach dem Sport“ zu nutzen.

Auf das richtige Timing kommt es an

Während der sportlicher Aktivitäten und unmittelbar danach nehmen die Muskeln Nährstoffe wie ein Schwamm auf, wobei Insulin-abhängige Mechanismen der Nährstoffaufnahme umgangen und das Wiederauffüllen der Glykogenspeicher und die Muskelregeneration nach dem Sport beschleunigt werden. Dieses Zeitfenster schließt sich innerhalb weniger Stunden nach der sportlichen Aktivität ganz langsam wieder. Ein paar Stunden nach dem Sport ist eine Kohlenhydratzufuhr für die Muskelregeneration daher nicht so effektiv wie innerhalb der ersten 30 Minuten.

Sportler, die sich im Anschluss an die sportliche Belastung schnell erholen wollen, sollten daher gleich nach dem Training Kohlenhydrate zu sich nehmen. Wie oben bereits erwähnt, kann die kombinierte Zufuhr von Kohlenhydraten und Proteinen nach dem Sport zusätzliche Vorteile haben, z. B. ein schnelleres Wiederauffüllen der Glykogenspeicher, eine bessere Proteinbilanz und weniger Muskelschäden.

Genaue Angaben hinsichtlich der Kohlenhydrat- und Proteinmenge lassen sich allerdings nur schwer machen, da die ideale Dosis von vielen Faktoren abhängig ist. Laut Laborstudien trat der größte Effekt in Bezug auf das Auffüllen der Glykogenspeicher in den Muskeln und auf die Muskelregeneration ein, wenn nach einem belastungsintensiven Training alle 2 Stunden relativ große Mengen an Kohlenhydraten und Protein (1,2–1,4 g Kohlenhydrate und 0,3–0,5 g Protein pro kg Körpergewicht) verzehrt wurden.

Bevor Sie jedoch beginnen, nach jeder Trainingseinheit solch große Nährstoffmengen zu sich zu nehmen, sollten Sie bedenken, dass in den Studien, aus denen diese Ergebnisse stammen, in der Regel Erholungsphasen nach Hochleistungssport betrachtet wurden. Als Faustregel lässt sich Folgendes sagen: Je länger und härter Sie trainiert haben und je weniger Zeit Sie zur Erholung haben, desto wichtiger ist eine hochdosierte Zufuhr von Kohlenhydraten und Protein. Umgekehrt sind solche hohen Gaben nicht notwendig bei kürzeren, leichteren Workouts oder wenn Sie hauptsächlich aus Gründen der Gewichtskontrolle trainieren.

Ein einfacher methodischer Ansatz für das Nährstoff-Timing wäre z. B. einen Teil der täglichen Kalorienzufuhr in das Zeitfenster nach dem Sport zu verlegen. Haben Sie aktuell z. B. ein Energiegleichgewicht (weder Gewichtsverlust noch Gewichtszunahme), könnten Sie gleich im Anschluss an Ihre Trainingseinheiten 200–500 kcal „Erholungsnahrung“ zu sich nehmen und diese Kalorienmenge beim Abendessen einsparen. Damit können Sie von den Vorteilen des Zeitfensters der Erholung nach dem Sport profitieren, ohne dass Sie Ihre Ernährung oder Ihr Training groß umstellen müssen.

Erfahren Sie hier mehr über die Bedeutung von Trainingsintensität für die Muskelmasse

Quellenangaben:

1. Journal of Applied Physiology, 2004, Bd. 96, S. 1331-1340

2. American Journal of Physiology – Endocrinology and Metabolism, 2004, Bd. 287, S. E712-E720

3. Medicine & Science in Sports & Exercise, 2006, Bd. 38, S.1608-1616

4. Medicine & Science in Sports & Exercise, 2004, Bd. 36, S. 1233-1238

5. International Journal of Sport Nutrition and Exercise Metabolism, 2007, Bd.17, S. 109-122

6. Journal of Applied Physiology, 2002, Bd. 93, S. 1337-1344

7. Journal of Exercise Physiology Online, 2001, Bd. 4, S. 45-52

8. The Journal of Strength & Conditioning Research, 2003, Bd. 17, S. 12-19

9. International Journal of Sport Nutrition and Exercise Metabolism, 2005, Bd. 15, 590-609

10. International Journal of Sport Nutrition and Exercise Metabolism, 2005, Bd. 15, S. 610-624

11. Medicine & Science in Sports & Exercise, 2000, Bd. 32, S. 706-717

12. Journal of Applied Physiology, 2003, Bd. 94 (2), S. 651-659

Fachsprache:

Ektomorpher Mensch: einer mit wenig Muskelmasse. Ausdauersportler, insbesondere bei Sportarten mit Gewichtsbelastung, sind fast immer ektomorphe Leistungssportler.

Mesomorpher Mensch: das Gegenteil eines ektomorphen Menschen

Proteinbilanz: das Verhältnis von Proteinsynthese (Aufbau neuer Proteinstrukturen, z. B. Muskeln) und Proteinabbau (Abbau von Proteinstrukturen im Körper)

Katabole Proteinbilanz: negative Proteinbilanz, d.h. der Proteinabbau ist größer als die Proteinsynthese

Essenzielle Aminosäuren: Aminosäuren, die der Organismus des Menschen nicht selbst herstellen kann und daher über die Nahrung zugeführt werden müssen. 8 der 20 Aminosäuren gelten als „essenzielle“ Aminosäuren für Erwachsene.

Verzweigtkettige Aminosäuren: eine Gruppe bestimmter essenzieller Aminosäuren, z. B. Leucin, Isoleucin und Valin

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Über den Autor

Dennis Sandig

Dennis Sandig arbeitete als Sportwissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Aktuell ist er bei der Deutschen Triathlon Union als Wissenschaftskoordinator und Referent für Bildung zuständig, sowie für das umfassende Aus- und Fortbildungsprogramm für Coaches im Triathlon.

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