Taekwondo: Über Kampfkunst und Kampfsport – ein Interview

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Im Interview um das Thema Selbstverteidigung und Kampfkunst beschreibt der ehemalige Europameister im Taekwondo, Vahab Yektapour, den Kampfsport und das Training und erklärt, warum ihn die tradtionellen Hyongs begeistern.

Vahab Yektapour wurde im Iran geboren und kam als Jugendlicher mit seinen Eltern nach Deutschland. Obwohl er erst 23 Jahre alt ist, besitzt er bereits den 3. Dan (Meistergrad) im Tae Kwon Do, sowie Meisterstufen in diversen weiteren Kampfkünsten. Er bereiste die Welt, meditierte in Tempeln und lernte bei den besten noch lebenden Großmeistern. Neben der Kampfkunst ist er ein talentierter Musiker und absolviert gerade seine Ausbildung als Sport- und Fitnesskaufmann.

  

trainingsworld:Vahab, danke, dass du dich zu diesem Interview bereit erklärt hast. Vielleicht kannst du unseren Lesern eine kurze Zusammenfassung deiner Kampfkunst-Vita geben?

Vahab Yektapour: Ich habe im Alter von 4 Jahren mit Karate “Shotogan Stil” bei Meister Shirazi in Teheran angefangen, Kampfkunst zu betreiben und erste Erfahrungen gesammelt. Als ich eingeschult wurde lernte ich einen Mitschüler kennen, der ebenfalls Karate praktizierte. Wir begannen regelmäßig zusammen zu trainieren. Dadurch erhöhte sich die Motivation und Kontinuität. Als ich ungefähr 10 Jahre alt war, waren Kung Fu-Filme in der Filmindustrie sehr beliebt. Gleichzeitig wurde ein Nachfolger für den verstorbenen Kung Fu-Meister und Action-Star Bruce Lee gesucht. Dadurch kamen mehr und mehr unterschiedliche Kämpfer auf die Leinwand. Ab dieser Zeit war ich wie besessen von solchen Filmen. Schnell erkannte ich, dass es viele verschiedene Stilrichtungen des Kung Fu gibt und versuchte, sie mir alle anzueignen, indem ich verschiedene Kampfschulen besuchte. Jede freie Minute steckte ich in Training oder suchte neue Informationen über Kampfkünste im Fernsehen oder in Büchern. Als wir 1999 nach Deutschland auswanderten, wurde ich von meinen Eltern, die bereits mein Talent erkannt hatten, in der Tae Kwon Do-Schule in Münster angemeldet. Dort stand ich unter der Leitung des großen Meisters Song Chan Ho, der den 9. Dan innehat. Ein wirklich strenger Meister, der mich Disziplin lehrte und meine Fähigkeiten stark verbesserte. Tae Kwon Do wurde zu meiner Leidenschaft und meinem Lebensmittelpunkt, sodass ich nach Asien reiste, um mir das Geburtsland dieser Kampfkunst anzuschauen.

 

trainingsworld: Warum hast du dich letztendlich für Tae Kwon Do entschieden?

Vahab Yektapour: Obwohl ich mir diverse Kampfkunst und Kampfsportarten nebenbei aneignete, setzte ich meinen Fokus auf Tae Kwon Do, da die Bedeutung des Wortes “Der Weg des Fußes und der Hand” mich sehr inspirierte und zugleich faszinierte. Besonders begeisterten mich die traditionellen Formen – die sogenannten „Hyongs“ – welche auf verschiedenen Hand- und Fußtechniken, sowie auf Angriffs- und Blocktechniken im Kampf gegen ein imaginären Gegner basieren. Nicht zuletzt inspirierte mich zum großen Teil die Lehre des Tae Kwon Do.

 

trainingsworld: Viele Menschen wollen wissen, was die effektivste Kampfkunst ist. Lässt sich dergleichen überhaupt sagen und was ist deine Meinung?

Vahab Yektapour: Ich denke, die Frage nach der besten Kampfkunst lässt sich nicht beantworten. Jede Kampfkunstart ist effektiv, wenn man sie versteht und beherrscht. Man beachte den Unterschied zwischen Können und Verstehen. Die Kombination aus beidem ist eine starke Waffe, egal welche Kampfkunstart man ausübt. Letztendlich macht der Mensch außerdem den Unterschied.

 

trainingsworld: Wo liegt der Unterschied zwischen Kampfkunst und Kampfsport?

Vahab Yektapour: Bei der Kampfkunst geht es – wie der Name schon sagt – um die Kunst, aber auch um ihre Entstehung und Lehre, wie z. B. die Meditation. Beim Kampfsport hingegen geht es um den Kampf mit einem Gegner, vergleichbar mit einem klassischen Boxkampf. Man kann sagen, dass bei der Kampfkunst, im Gegensatz zum Kampfsport, die Kunst darin besteht, den Kampf zu vermeiden.

 

trainingsworld: Wenn du deine Karriere rückblickend betrachtest, würdest du alles noch einmal so machen oder was würdest du ändern?

Vahab Yektapour: Mit Stolz würde ich sogar sagen, dass ich alles genauso wieder machen würde, eventuell sogar noch intensiver. Die Lehren der Kampfkünste helfen mir in allen Lebenslagen und ich ziehe Kraft und Ruhe daraus. Die positiven Auswirkungen des Sports, gerade auch durch die Grundlagen in der Kindheit, merke ich jeden Tag.

 

trainingsworld: Wer ist für dich der größte Kämpfer aller Zeiten? 

Vahab Yektapour: Für mich ist und bleibt definitiv Bruce Lee der größte Meister aller Zeiten. Er machte das Unmögliche möglich. Seine Schnelligkeit, die maximale Kraft und sein philosophisches Denken machten ihn unschlagbar. Ich werde nie seine Worte vergessen, die er in einem Fernsehinterview sagte: „Leere deine Gedanken! Sei ohne feste Gestalt und Form, so wie Wasser. Wenn man Wasser in eine Tasse füllt, wird es zur Tasse. Füllt man es in eine Flasche, wird es zur Flasche, füllt man es in einen Teekessel, wird es zum Teekessel. Wasser kann fließen, oder es kann zerstören. Sei Wasser, mein Freund.“

 

trainingsworld: Welches Alter eignet sich am besten für den Einstieg und gibt es Kampfstile, die für ältere Menschen besonders geeignet sind?

Vahab Yektapour: Ich persönlich würde Eltern raten, ihre Kinder ab dem 6. Lebensjahr an den Sport heranzuführen. In diesem Alter sind sie mit der Welt vertrauter. Außerdem lässt sich im Kindesalter eine gute Grundlage für die Beweglichkeit legen, welche in der Kampfkunst sehr wichtig ist. Umgekehrt ist man meiner Meinung nach für die Kampfkunst nie zu alt, dennoch würde ich ab dem 60. Lebensjahr zu einer klassischen Selbstverteidigung, wie zum Beispiel „Daily Self Defence“, raten. Zumindest wenn der Schutzgedanke im Vordergrund steht. Mit Meditation und Philosophie kann man natürlich jederzeit anfangen.

 

trainingsworld: Welche Tipps würdest du Interessenten geben, die neu mit einer Kampfkunst beginnen wollen?

Vahab Yektapour: Wenn man sich dazu entscheidet damit zu beginnen, sollte man sich zunächst Ziele setzen und versuchen, diese durch regelmäßiges Training nach und nach zu verwirklichen. Ich rate jedem Kampfkünstler sich mit Meditation zu beschäftigen, um seinen Körper kennenzulernen und einen Einklang zwischen Körper und Geist zu schaffen. Unser Handeln ist oftmals nur durch unser Denken beschränkt und wenn wir diese mentalen Grenzen überwinden, können wir fast alles erreichen. Was ich auch gerne meinen Schülern vor jedem Training sage, ist, dass Konzentration und Disziplin unser höchstes Gebot sind.

 

trainingsworld: Vielen Dank für das Gespräch, alles Gute für die Zukunft und vor allem Gesundheit.

 

Marcel Kremer

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