Campusboard-Training – Schnell-/Maximalkraft

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Wie versprochen: Teil 2 in Sachen Campusboard-Training mit exklusiven Trainingswissen aus dem Trainingsplanfundus von dem deutschen Weltcupmann und Vizegesamtweltmeister Thomas „Shorty“ Tauporn. Diesesmal geht es um das Training von Schnell- und Maximalkraft

Dieser Artikel soll der Arbeit an der Maximal- und Schnellkraft an diesem „Brett“, das dem Kletterer (fast) die Welt bedeutet, gewidmet sein, nachdem ich in Teil 1 auf das Muskelaufbau-Training am Campusboard eingegangen bin.

 

Manchmal (aber nur manchmal) wollen wir „versagen“

Jürgen Reis an einem berühmt-berüchtigten „Campus-Board-Testpiece“ am Landessportzentrum Vorarlberg: 1–5–8 bzw. hier der Start der Übung, von Griff 1 auf Griff 5

Nach US-Kletter-Experte Hörst unterscheiden sich Krafttraining und Klettern durch einen wichtigen Aspekt: Beim Krafttraining will der Kletterer das (Muskel-)Versagen, beim Klettern will er genau das vermeiden. Das hat was für sich, auch wenn ich nicht ganz zustimmen kann. Bestimmte Trainingsmethoden wie z. B. HIT (Hoch-Intensitäts-Training) fordern das (positive) Muskelversagen geradezu heraus. Das können wir getrost bei Klimmzügen, Spannungsübungen oder Gegenspielertraining beherzigen, eben überall dort, wo eher die Muskelhypertrophie oder einfache Bewegungsabläufe im Vordergrund stehen. Für Schnellkraft- und IK-Training (IK: intra- und intermuskuläre Koordination, d. h. Kraftzuwachs aufgrund Steigerung der neuromuskulären Effizienz, nicht durch Muskelwachstum) sollte immer noch ein hohes Maß an Kontrolle und Stabilität da sein. Zeit aufzuhören, wenn man unter 80 Prozent der subjektiven Leistungsfähigkeit fällt.

Richtig bemerkt: Bild 2 stammt, im Gegensatz zum Foto 1, aus der Sequenz mit Start mittels der rechten Hand. Eine vollständige Campus-Übungsserie verlangt nämlich normalerweise immer nach beiden „Startvarianten“. Also 1 x links… 1 x rechts… Pause und auf zu neuen „Schnellkraftattacken“ 🙂

 

Ist das Training zu hart, sind Sie zu schwach

Mehr noch als im ersten Teil möchte ich betonen, dass das Campusboard-Training nichts für Anfänger, sondern für Leute mit bereits ordentlichem Kraftniveau ist.

...um von dort direkt, schnellkräftig und in einem Bewegungsfluss zu Leiste 8 und anschließend ans „Top“, also zu den obersten beiden Campusgriffen zu ziehen.

Dies zu konkretisieren ist allerdings immer ein bisschen schwierig, da individuelle Unterschiede zu berücksichtigen sind. Die Klimmzugzahl mit dem Körpergewicht sollte aber schon im guten zweistelligen Bereich liegen. Abgesehen davon braucht es gute Hand- und Fingerkraft, denn die ist am Campusboard als Überträger der Oberkörperkraft schlicht und einfach der Knackpunkt. Ich empfehle also als ungefähre Richtschnur, dass Sie sich, sobald Sie im 8. UIAA-Schwierigkeitsgrad klettern können (7a nach französischer Schwierigkeitsskala), langsam aber sicher ans Campusboard heranwagen dürfen und sollen. Grundvoraussetzung sind natürlich verletzungs- und somit schmerzfrei trainierbare, sowie genetisch allgemein gut belastbare Finger-, Ellenbogen- und Schultergelenke. Genau dann wird es auch produktiv und hilft Ihnen, in Ihrer persönlichen Entwicklung zum besten Kletterer, der Sie sein können, sprunghaft voranzukommen.

 

Lukas Fäßler, dessen Hauptsport der Kraft- und nicht der Klettersport ist, integriert seit Jahren das Campusboardtraining als quasi „Nichtsportkletterer“ in sein Morgen-Workout.

Keine Regel ohne Ausnahme? Fast … zwar integriert mein Trainingspartner Lukas Fäßler, dessen Hauptsport der Kraft- und nicht der Klettersport ist, seit Jahren das Campusboardtraining als quasi „Nichtsportkletterer“ in sein Morgen-Workout. Doch tastete er sich, im wahrsten Sinne des Wortes, über Jahre an dynamische bzw. schnellkräftige Leistenübungen heran und stärkte so auch die Fingergelenke und Kapselstrukturen nach und nach. Die vergangenen drei Jahre war er, wie hier im Foto sichtbar, primär ein statischer „Boarder“. Dennoch bescherten ihm auch diese „einfachen“ Übungen, welche ich in Teil 1 dieser Kolumne beschrieb, einen enormen Zuwachs an Oberkörperrohkraft und vor allem an effektiv z. B. aufs Kreuzheben übertragbarer Haltekraft in den Unterarmen.

Bevor es so weit ist, ist eine ehrliche Selbsteinschätzung sowieso Pflicht. Wenn Sie selbst an größeren Griffen Mühe mit einfachen Zügen haben, heißt es: Back to the roots. Grundlagentraining, Klettern, viele Klimmzüge mit kletterspezifischen Griffvariationen – Ideen und Anregungen habe ich Ihnen schon einige gegeben! (z. B. Boulder-Weltmeisters Dmitry Sharafutdinovs 700-Klimmzüge-System macht auch Sie superstark).

 

Entlasten am Campusboard? – Keine so gute Idee!

Zur Frage ob man am Campusboard, ähnlich wie bei Klimmzügen oder auch Spannungsübungen (s. dazu Kolumne 8-10), mit Entlastung arbeiten kann, sage ich klar: lieber nicht! Die oft große Dynamik am Campusboard und die ziemlichen Höhenunterschiede, die es meist zu überwinden gilt, fordern Bewegungsfreiheit. Mit Gummibändern o. ä. zu hantieren verträgt sich damit nicht gut. Das einzige was noch angehen würde ist das sog. „Biscuiting“, eine Art Partnerhilfe von unten wie beim Bouldern. Das setzt aber viel Erfahrung voraus!

Mein Fazit: Am Campusboard ist man besser dran, wenn man auf sich allein gestellt ist. Der Trainingspartner soll lieber beobachten, korrigieren, anregen und motivieren!

 

Anfang und Steigerung

O-Ton Thomas Tauporn: „Wenn man noch nicht so vertraut mit dem Trainingsgerät ist, sollte man versuchen, schnappen und nach unten hangeln vorerst zu vermeiden. Auch ist (…) die Leistengröße am Anfang weniger entscheidend, die wird erst später interessant. … Am Campusboard ist ( …)sehr viel Kreativität gefragt. Wenn ich eine Übung sehr gut kann, kann ich die recht schnell so verändern, dass ich wieder eine Weile was zu tun habe, man muss sich einfach immer neue Sachen einfallen lassen. Ein bisschen spielen am Board!“

Übung

Beschreibung

Leistengröße

Einarmig

Einarmig blockieren, Haltezeit um die 5-8 Sek. Evtl. Gewichte draufpacken.

1. bis 2. Fingerglied

Überziehen

Starten an der ersten Leiste und so weit hochziehen wie es geht. Jetzt versuchen wir mit der anderen Hand so hoch wie möglich über diese Leiste hinweg zu ziehen, z. B.1-5-8 Leiste.

1. bis 2. Fingerglied

Doppelt

So schnell wie möglich mit Doppeldynamos nach oben.

Große Rundhölzer

X-Übung

Start auf Leiste 2 mit beiden Händen. Jetzt mit rechts auf 3 und mit links gleichzeitig auf 1 springen. Dann zurück auf Leiste 2. Jetzt mit der anderen Hand auf 3 bzw. 1 und wieder zurück auf 2. Alles im Rhythmus so schnell und oft wie möglich.

Große Rundhölzer

Trainingsvorschläge Maximal-/Schnellkraft am Campusboard

 

Die Belastungsdauer ist kurz, aber knackig. Man sollte nicht in die völlige Erschöpfung reingehen (kein Muskelversagen!). Die Satzpausen sollten 6-8 Minuten betragen, jedenfalls bis zur (fast) vollständigen Erholung. Mein Tipp zur Satzpausengestaltung: Bein- und Hüftstretching bzw. Beweglichkeitstraining für die untere Körperhälfte in allen Variationen.

 

Videoclips

Thomas Tauporn Doppeldynos

Thomas Tauporn Campusboard X

Thomas Tauporn Trainingstipps – 1-4-7

Film-Trailer zu Jürgen Reis’ DVD Peak-Days mit 1–5–8 an Minute 1:02

Trainingstipps Thomas Tauporn Playlist Adidas Outdoor

Jürgen Reis beim Maximalkraft-„Morgen-Hangeltraining“

Jürgen Reis beim Maximalkraft-„Morgen-Hangeltraining“ mit 16 kg Gewichtsweste

 

Mit einem abschließenden DANKE an Thomas „Shorty“ Tauporn verabschiede ich mich aus dieser Kolumne und wünsche Ihnen aus vollstem Athleten-Herzen GET ON TOP am Campusboard und bis bald hier auf www.trainingsworld.com

 

Ihr Jürgen Reis (mit Nikolai Janatsch)

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Über den Autor

Reis Mit Nikolai Janatsch Jürgen

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