Athletiktraining für Sportler steht eigentlich immer in relativ enger Verbindung mit Krafttraining. Leider jedoch sehr häufig in falschem Zusammenhang. Denn schaut man sich die Krafttrainingspläne vieler Sportler – selbst Profi-Sportler – einmal genauer an, so ähneln diese Pläne eher einem Bodybuilding-Training als einem für die ausgeübte Sportart relevanten Krafttrainings-Template.
Noch häufiger sieht man mittlerweile Sportler an Schlingentrainern hängen oder auf diversen instabilen Untergründen, auf denen sie „verrückte“ Übungen ausführen und dies als „Functional Training bezeichnen“. All das mag nützlich sein für die ausgeübte Sportart, sollte jedoch nicht alleine als Krafttraining tituliert werden oder dieses eins zu eins ersetzen. Wie sollte also ein gutes Krafttraining im Athletik Training aufgebaut sein und warum ist es unersetzlich?
Der Aufbau von Krafttraining im Athletik Training
Es ist kein Geheimnis, dass hohe Kraftwerte im Bereich der Langhantelgrundübungen, wie beispielsweise der Kniebeuge, in direktem Zusammenhang mit der Steigerung der allgemeinen unspezifischen sportlichen Leistungsfähigkeit stehen. Beispielsweise kann eine hohe Leistungsfähigkeit im Bereich der Kniebeuge zu einer Steigerung der Kraft bei der Übung Umsetzen aus dem Hang führen und diese wiederum steht in direkter Verbindung, die Antrittsschnelligkeit und Sprint-Leistung auf die ersten 10-40 Meter zu verbessern. Insbesondere jedoch auf die ersten 10-20 Meter. 10-20 Meter!
Das können entscheidende Distanzen sein. Beispielsweise im Bereich des Fußballs, des Handballs oder des Basketballs. Schafft es ein defensiver Fußballspieler im direkten Duell mit dem Konkurrenten auf den ersten 10m signifikant schneller als sein Kontrahent zu sein, so ist er plötzlich in einem Vorteil. Denn er ist nun vor dem Ball und rennt möglicherweise nicht nur hinterher. Oder schafft es der Stürmer auf gleicher Höhe mit der Abseitslinie der Abwehr, explosiver und schneller durchzustarten als sein Gegner, der Abwehrspieler, und hat dadurch auf den ersten 10 Metern einen deutlichen Vorsprung, so steht der Stürmer plötzlich alleine mit dem Ball vor dem Tor, den er von seinem Mitspieler gefährlich ins Zentrum gepasst bekommen hat. Deutliche Vorteile, die durch das richtige Krafttraining erarbeitet werden können.
Umso erstaunlicher ist es, dass genau diese Fähigkeiten und Fertigkeiten oftmals im Training von Athleten keinen Anklang finden. Teilweise wird ein schweres Krafttraining sogar als kontraproduktiv angesehen. Doch genau das Gegenteil ist wirklich der Fall – wenn richtig angewendet!
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Krafttraining und Training für die Explosivität
Richtiges Krafttraining reduziert die Verletzungsanfälligkeit von Ballsportlern
Und nicht nur die Leistungsfähigkeit profitiert von einem gut ausgeführten Krafttraining. Auch die Verletzungsanfälligkeit kann reduziert werden. Ein sinnvoll geplantes Krafttraining kann die Rate muskulärer Verletzungen ohne Fremdeinwirkung drastisch vermindern. Die Erklärung hierfür ist denkbar einfach. Eine Verletzung des Bewegungsapparates ohne Fremdeinwirkung ist meist ein Resultat daraus, dass die Muskulatur den Ansprüchen der Wettkampfintensität nicht gewachsen ist. Die Lösung? Die Muskulatur muss im Training höheren Spannungen ausgesetzt werden, als in der Wettkampfsituation zu erwarten ist. Frei nach dem Zitat von Emil Zátopek: „Mach es dir im Training schwer, dann wird es im Wettkampf einfacher!“.
Um jedoch genau das zu schaffen, muss der Trainer zunächst einmal eine genaue Analyse der Sportart vornehmen. Welche Anforderungen werden im Wettkampf an den Athleten gestellt? Das kann sich als sehr leicht oder auch als sehr schwierig herausstellen. Ein Kraftdreikämpfer beispielsweise muss ein möglichst schweres Gewicht für eine einzelne Wiederholung heben oder drücken. Die Maximalkraft ist hier also der entscheidende Faktor. Bei einem olympischen Gewichtheber ist die Situation ähnlich. Allerdings kommen hier noch zusätzliche Elemente hinzu, wie eine gute Koordination und Explosivität, wie auch Mobilität.
Dann gibt es Sportarten, die noch weitaus vielseitigere Anforderungen haben. Bleiben wir beim obigen Beispiel des Fußballers. Antrittsschnelligkeit, Agilität, Ausdauer, Koordination, Skills, taktisches Verständnis oder Überblick über die Gesamtsituation und die Situation der Mitspieler und Gegner. Um nur einige Dinge zu nennen. Hier wird die Analyse etwas schwieriger bzw. das Aufstellen eines konkreten Planes wird deutlich komplizierter.
Kontraproduktives Krafttraining
Denn auch wenn Krafttraining hier von enormer Bedeutung ist, ab wann wird es kontraproduktiv? Auch dieser Fall kann eintreten. Grundsätzlich kann kein Athlet dieser Welt „zu stark“ werden. Aber es kommt der Punkt, an dem der Aufwand für minimale weitere Fortschritte im Kraftbereich so groß wird, dass andere Teile des Trainings dafür reduziert werden müssten, da der Athlet natürlich nur limitierte Zeit- und Energie-Ressourcen aufzuweisen hat, mit denen all die analysierten Punkte und Fähigkeiten trainiert werden müssen.
Hier gilt es nun, Wissenschaft mit Erfahrungen zu vermischen. Einerseits sollten Durchschnittswerte, beispielsweise das 1RM in der Kniebeuge, mit den Elite-Sportlern der eigenen Sportart verglichen werden und in Relation zum eigenen Körpergewicht gesetzt werden, um einen ungefähren Eindruck zu erlangen, wo sich der eigene Athlet derzeit befindet. Andererseits muss der Trainer selbst jedoch auch erkennen, wie „ausgereizt“ der Athlet in diesem Bereich schon ist. Denn gerade die Elite hat nicht selten biomechanische Vorteile, die bei solchen Tests und Übungen zum Tragen kommen. Es kann also nicht jeder Sportler, egal wie sehr er es auch möchte und wie hart er trainiert, das absolute Elite-Level erreichen.
Nun liegt es also am Trainer zu entscheiden, ob eine weitere Fokussierung auf das Krafttraining noch weiter Sinn macht oder ob das Krafttraining auf einen Erhaltungsreiz gesetzt werden sollte, um Möglichkeiten zu schaffen, schwerpunktmäßig an anderen Dingen zu arbeiten, die die Leistungsfähigkeit des Sportlers in der ausgeübten Sportart nun deutlich positiver beeinflussen können.
Fakt ist jedoch nach wie vor, dass gut durchgeführtes Krafttraining die Grundlage jeder sportlichen Leistungsfähigkeit darstellt, wenn es um Schnelligkeit, Explosivität oder Agilität geht. Jedoch nur dann, wenn es richtig ausgeführt wird und in den richtigen Kontext gebracht wurde.
Autor: Philipp Rauscher
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Quellenangabe
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