Krämpfe: Die Auswirkungen von Kreatin?

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Zum Thema Kreatin gibt es viele positive Forschungeberichte. Doch sind auch Gerüchte, Kreatin verursache Krämpfe, im Umlauf. Ob daran etwas Wahres ist ober ob das Nahrungsergänzungsmittel doch zu empfehlen ist, erfahren Sie hier.

Kreatin und Krämpfe

Vor kurzem starteten die Spieler eines der großen US-amerikanischen College-Footballteams (1. Division der NCAA) die Einnahme von Kreatin Monohydrat als Nahrungsergänzungsmittel. Unmittelbar darauf berichteten die Spieler von Fortschritten in Bezug auf Gewicht und Kraft, sie machten allerdings auch eine negative Erfahrung: Mehrere Spieler litten während des Trainings und der Spiele unter Muskelkrämpfen. Tatsächlich wurden während des ersten Spiels der Saison 8 Spieler von schweren Krämpfen geplagt. In den vorangegangenen Jahren, in denen kein Kreatin verabreicht wurde, gab es hingegen keinerlei Probleme mit Krämpfen.

Der Mannschaftsarzt war beunruhigt und stellte die Kreatingabe unverzüglich ein. Eine Woche später kam es während eines Spiels bei fast 30° C und 80 %-iger Luftfeuchtigkeit bei keinem der Spieler zu Krämpfen. Da die Krampfanfälligkeit fast zeitgleich mit der Beendigung der Kreatingabe eingedämmt wurde, und dies sogar unter extremen klimatischen Bedingungen, die normalerweise zu Krämpfen führen, schlossen Arzt, Trainer und Spieler daraus, dass die Einnahme des Kreatins vermutlich zu einer erhöhten Krampfanfälligkeit geführt hat. Mit dieser Meinung standen sie nicht alleine da: In diesem Jahr haben mindestens 3 andere große College-Teams die Einnahme von Kreatin in der Annahme beendet, dass die Krämpfe als Folge der Kreatineinnahme das Training verlangsamten und ihre Spitzenspieler während der Spiele lahm legten.

Ungefähr zur gleichen Zeit bereitete sich eine Weltrang-Triathletin, die sich in Top-Kondition befand, auf einen der wichtigsten Wettkämpfe der Saison vor. Um sich selbst den letzten Schliff zu geben, nahm sie in den 5 Tagen vor dem großen Ereignis Kreatin als Nahrungsergänzung ein. Leider wurde der Triathlon für sie zu einem Fiasko – sie wurde durch schwere Beinkrämpfe stark beeinträchtigt. Es war ein unglaublicher Zufall, dass ihr Ehemann – er war ebenfalls Triathlet und konsumierte Kreatin – bei einem Radrennen am anderen Ende der Welt ebenfalls von Muskelkrämpfen heimgesucht wurde und aufgeben musste.

Es stimmt natürlich, dass einige isolierte Anekdoten über Krampfanfällen nicht den Ruf eines ehemals für gut befundenen Sport-Ergänzungsmittels ruinieren sollten. Jedoch gibt es jetzt mehr als nur einige wenige Vorfälle, bei denen Kreatin mit Krampfanfällen in Verbindung zu stehen scheint. Tatsächlich spricht es sich in der Sportlerszene zurzeit herum: Vorsicht mit Kreatin! Statt die Muskeln zu stärken, ziehen sie sich zu Knoten zusammen!

 

Was ist wahr daran?

Verwandelt Kreatin Ihre Sehnen wirklich in schmerzhafte Knoten? Wissenschaftler weisen darauf hin, dass dies durchaus der Fall sein kann. Für dieses Phänomen gibt es eine ganze Reihe möglicher physiologischer Erklärungen, aber eine der gängigsten basiert auf der Annahme, dass Muskelzellen, die sich mit Kreatin aufladen, unter Umständen auch mehr Wasser aufnehmen. Falls das stimmt, dann würde dieser Effekt dem „Carbo-Loading-Effekt“ (vermehrte Aufnahme von Kohlehydraten) ähneln. Je mehr Glykogen in den Muskeln gelagert wird, desto mehr Wasser sammelt sich dort gleichzeitig an. (Daher wird extremes „Carbo-Loading“ auch für das gelegentliche Auftreten von „schweren Beinen“ bei Sportlern verantwortlich gemacht.)

Theoretisch könnte die durch Kreatin hervorgerufene zusätzliche Wasseraufnahme den Calcium- oder Kaliumgehalt in den Muskeln reduzieren. Da für normale Muskelkontraktionen ein regulärer Calcium- und Kaliumgehalt benötigt wird, könnte es sein, dass die Muskeln durch diese Reduzierung nicht normal funktionieren. Dieser Wirkungsweise scheint zuerst plausibel, problematisch ist jedoch, dass die Krämpfe insbesondere dann auftreten, wenn die Sportler bereits eine ganze Weile trainiert haben, d. h. nachdem ihre Muskelzellen eventuell überflüssiges Wasser schon wieder abgebaut haben. Im weiteren Text werden die Zweifel im Hinblick auf die „Wasser-Hypothese“ noch verstärkt.

Auch die Geschichte des Football-Spieler der 1. Division der NCAA, die mit Kreatin an Krämpfen litten und ohne Kreatin liefen wie Rennpferde, hält einer genauen Prüfung nicht stand. Der Haken bei der Geschichte liegt hier: Wenn Kreatin einmal in die Muskelzellen gelangt ist, dann „will“ es nicht mehr hinaus. Ist das Mittel erst einmal in den Muskeln gespeichert und die Einnahme wird dann plötzlich eingestellt, so wird der Kreatingehalt der Muskeln pro Tag um nicht mehr als 1 bis 1,5 % sinken. Sind die Muskeln einmal aufgeladen, würde es länger als einen Monat dauern, bis der Kreatingehalt um 50 % absinkt. Im Falle des Football-Teams, das die Kreatingabe schlagartig einstellte, würde dies bedeuten, dass der Kreatingehalt der stark aufgeladenen Muskelzellen bis zum nächsten Spiel eine Woche später um höchstens 10 % gesunken wäre – genau dies Spiel, bei dem die Spieler keine Krämpfe mehr hatten. Es ist unwahrscheinlich, dass ein moderater Rückgang des Kreatingehaltes die Probleme mit den Muskelknoten vollständig eliminiert hätte.

Noch einmal zur Erinnerung: die Hauptursachen von Beschwerden wie Krämpfen sind fehlende Fitness (was man am Anfang der Saison aber nicht im späteren Verlauf vermuten könnte), fehlende Akklimatisierung an heiße, schwüle und dehydrierende Wetterbedingungen (auch dies würde man eher am Anfang der Saison vermuten, da die Spieler zu diesem Zeitpunkt bei sengenden Temperaturen seit langer Zeit wieder anstrengendes Training absolvierten; hier ist zu berücksichtigen, dass der Akklimatisierungszeitraum unter Umständen nur 7 Tage beträgt), mangelhafte Hydratation und Ernährung. Wie Sie sehen, gibt es viele andere logische Erklärungen für die Krämpfe, daher sollten wir es vermeiden, das Kreatin voreilig für die Muskelverhärtungen der Sportler verantwortlich zu machen.

 

Keine Krämpfe in Atlanta

Mehrere Wissenschaftler bezeugen die erfolgreiche, krampffreie Verabreichung von Kreatinzusätzen. Einer von ihnen ist Steven Lawrence des Western Australian Institute of Sport in Claremont, West-Australien. Er war an der Kreatingabe und Beobachtung von über 100 (männlichen und weiblichen) Sportlern in den letzten 3 Jahren beteiligt. 36 dieser Sportler nahmen an den Olympischen Spielen von Atlanta teil, in den Sportarten Feldhockey, Basketball, Volleyball, als Kanuten oder Leichathleten.

Fast alle Atlanta-Sportler folgten dem folgenden Schema für die Kreatingabe: Gabe von insgesamt 20 g Kreatin pro Tag (aufgeteilt auf 4 bis 6 Gaben) über 5 Tage; danach Gabe von 10 g Kreatin einmal pro Woche über 5 Wochen. Diese Prozedur wurde entweder unmittelbar danach oder nach einer einwöchigen Pause wiederholt. So erhielten einige dieser Sportler über 66 aufeinander folgende Wochen hinweg Kreatinzugaben.

 

Gab es bei so viel Kreatin Nebenwirkungen?

Lawrence beobachtete lediglich eine vorübergehende Gewichtszunahme von 1 bis 2,5 kg in der ersten Woche der Verabreichung (Wassereinlagerungen?), die innerhalb der darauf folgenden 7 Tage vollständig verschwand. Speziell auf unsere Fragestellung hin wurde Folgendes beobachtet: 26 der Sportler nahmen Kreatin über 16 Tage bei hartem Training und Wettkämpfen unter heißen und feuchten Bedingungen ein. Nicht einer dieser Sportler litt an Hitzekrankheit oder Krämpfen.

Dem hoch angesehenen „Papst“ der Kreatinforschung, Dr. Richard Kreider, von der University of Memphis / USA zufolge, „berichtet keine der veröffentlichten Studie, die sich mit den Auswirkungen von Kreatinzugaben auf die sportliche Leistungsfähigkeit beschäftigen, von Krämpfen als Nebenwirkungen. Vielmehr ist die einzig angezeigte Nebenwirkung die Zunahme von Körpermasse.“

 

So fährt er fort: „Die Leute weisen darauf hin, dass Kreatin zu Wassereinlagerungen führt, Kalium und Calcium in den Muskeln verdünnt werden und somit die Krampfanfälligkeit erhöht wird. Unsere Forschungen haben jedoch keine Veränderungen im Elektrolytstatus oder in der Gesamt-Körperflüssigkeit in Verbindung mit Kreatin ergeben. Was wir durchgehend feststellen konnten, waren ein Anstieg in der Magermasse sowie eine 5 bis 8 %-ige Erhöhung der anaeroben Kapazität, dies vor allem bei Hochintensitätsübungen zwischen 6 und 60 Sekunden, die mehrmals wiederholt wurden.“

 

Kreider führte selbst Untersuchungen zu Kreatin mit Football-Spielern, Krafttrainern und Elite-Schwimmern durch und arbeitet zurzeit an einem Projekt mit Ausdauer-Radsportlern und –Läufern, denen er entweder ein Placebo, reines Kreatin oder mit Glukose angereichertes Kreatin verabreicht. In diesen Studien gab es keinerlei Hinweise auf eine kreatinbedingte, erhöhte Krampfanfälligkeit.

 

Neue Kreatinforschung

In der Zwischenzeit versuchen Wissenschaftler, neue und positive Erkenntnisse über Kreatin zu gewinnen. Auf der „International Conference on Overreaching and Overtraining in Sport“, die im Sommer in Memphis, Tennessee abgehalten wurde, legten Forscher der University of Memphis ihre Studie vor. In dieser Studie wurde einer Gruppe Schwimmern über 9 Tage täglich 21 g Kreatin verabreicht, während eine andere Gruppe Schwimmer über den gleichen Zeitraum nur ein Placebo zu sich nahm. Vor und nach dem Verabreichungszeitraum absolvierten alle Testpersonen 3 100 Meter-Freistil-Sprints mit jeweils 60 Sekunden Erholung zwischen den Sprints. Die Schwimmer absolvierten des Weiteren 3 anaerobe 20 Sekunden-Sprinttests mit einem computergesteuerten Arm-Ergometer in liegender Position, ebenfalls mit jeweils 60 Sekunden Pause zwischen den Sprints.

 

Die Quintessenz dieses Tests? Kreatin schnitt besser ab. Nach der Verabreichung schwammen die Kreatin-Schwimmer den ersten 100 Meter-Sprint schneller als die Placebo-Testpersonen. Zudem VERBESSERTEN die Kreatin-Sportler ihre Zeit im zweiten 100 Meter-Sprint (im Vergleich zu den Zeiten vor Verabreichung des Kreatins) um 0,9 Sek., die Placebo-Schwimmer dahingegen verbesserten ihre Zeiten nicht. Zusätzlich stieg die Armkraft während des anaeroben Arm-Ergometer-Tests nach der Kreatin-Verabreichung um 9 %, veränderte sich bei den Placebo-Personen jedoch nicht. Insgesamt wurde deutlich, dass durch die Kreatin-Gabe die 100 Meter-Sprintzeiten sowie die Oberarmkraft verbessert wurden. (Lesen Sie auch: Ist Nahrungsergänzung notwendig?

Eine weitere Studie wurde an der Ohio State University mit 6 Schwimmerinnen der Universität durchgeführt, die Kreatin 2 Wochen als Nahrungsergänzung einnahmen, während 6 andere lediglich ein Placebo erhielten. Während des Verabreichungszeitraums absolvierten die Sportlerinnen Leistungseinheiten, die aus 6 50 Meter-Sprintintervallen bestanden, wobei jeder 50 Meter-Sprint im 3 Minuten-Intervall gestartet wurde (d. h., dass eine Sportlerin zum Zeitpunkt 0 startete, ihre 50 Meter so schnell wie möglich schwamm, bis zum Ablauf der vollen 3 Minuten pausierte und dann ihr zweites 50 Meter-Intervall startete. Das dritte 50 Meter-Intervall setzte nach 6 Minuten ein, das vierte nach 9 Minuten usw.).

Auch hier schnitt das Kreatin besser ab. Die Forscher der Ohio State fanden heraus, dass die Sportlerinnen, die Kreatin einnahmen ihre 50 Meter-Zeiten über den Einnahmezeitraum Schritt für Schritt verbesserten, während die Zeiten der Placebo-Sportlerinnen stagnierten. Die Kreatin-Schwimmerinnen verbesserten ihre 50 Meter-Geschwindigkeit im Durchschnitt um rund 4 % von 1,60 auf 1,54 m/s. Kreatin und Sprintschwimmen scheint also eine richtige Traumkombination zu sein.

 

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Trainingsworld

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