Kontrollieren Sie Ihre Emotionen statt sich von ihnen kontrollieren zu lassen

0

Wettkämpfe können das Beste oder das Schlechteste in einem Athleten zum Vorschein bringen. Die psychischen Anforderungen sind besonders hoch, wenn verschiedene Sportler, ob einzeln oder als Team, sich bemühen, dasselbe Ziel zu erreichen. Wenn die körperlichen Fähigkeiten einander ebenbürtig sind, gewinnt meist der Wettkampfteilnehmer, der den stärkeren mentalen Ansatz hat und der vor und während des Wettkampfs seinen Geist kontrollieren kann.

Viele Athleten nehmen fälschlicherweise an, dass mentale Leistungsaspekte angeboren und unveränderlich sind. Dabei kann systematisches mentales Training in Wirklichkeit einen gleichgroßen Einfluss auf die Leistung haben wie körperliches Training.
Sich vor einem Wettkampf in die richtige Geistesverfassung zu versetzen gehört zu den wichtigsten Aspekten einer Höchstleistung. Tatsächlich hat eine Studie(1) über olympische Athleten gezeigt, dass die Kombination mentaler und körperlicher Bereitschaft ein Schlüsselfaktor war, der die erfolgreicheren Athleten von ihren weniger erfolgreichen Kollegen während der Olympischen Spiele unterschied. Vielleicht noch beeindruckender ist das Ergebnis, dass von den 3 beurteilten Bereitschaftszuständen (mental, physisch und technisch) nur die mentalen Faktoren statistisch mit finalen olympischen Rängen verbunden waren.
Wenn Sie schon einmal Sportler während der Vorwettkampfphase beobachtet haben, ist es Ihnen bestimmt aufgefallen, dass sich deren Verhalten zu verändern beginnt. Während die Erwartung steigt, meistern Trainer und Athleten die Anforderungen der Situation auf verschiedene Weise: Einige werden ruhig und ziehen sich in sich zurück. Andere werden aggressiver als gewöhnlich. Wieder andere verschwinden wiederholt auf der Toilette. Emotionale Reaktionen auf Stresssituationen können einen Athleten seiner Ressourcen berauben und sich, wenn sie nicht kontrolliert werden, negativ auf seine Leistung auswirken. Daher ist es wichtig, eine Strategie für den Umgang mit Lampenfieber bereitzuhalten.

Emotionale Auslöser

Emotionen können als kurze positive oder negative Gefühle definiert werden, die als Antwort auf bedeutungsvolle oder wichtige Situationen auftreten und unsere Stimmung beeinflussen können. Üblicherweise begegnen uns im Sport Grundemotionen wie Angst, Wut, Freude und Überraschung, obwohl auch komplexe Vermischungen der Emotionen auftreten. Positive Emotionen können helfen, unsere Motivation aufrecht zu erhalten und uns ermöglichen, uns Ereignissen mit Enthusiasmus und Energie zu nähern. Im Gegensatz dazu sind negative Emotionen mit Vermeidungsverhalten und Rückzug verbunden.
Emotionen in der Sportarena können von vielen Faktoren ausgelöst werden, die ganz persönlich zu einem Menschen gehören. Dazu zählen Erinnerungen, Unterhaltungen mit anderen Menschen, der Anblick des Wettkampf-Austragungsortes, das Einschätzen der Gegner usw.
Forscher haben Emotionen untersucht, um zu bestimmen, warum sie vorkommen und welchen Einfluss sie auf unser Verhalten haben. Zuerst ging man davon aus, Emotionen seien einfach das Ergebnis physiologischer Veränderungen, da physiologische Symptome wie ein beschleunigter Herzschlag allgemein bei solchen Reaktionen beobachtet wurden.
Um diese Theorie zu überprüfen, injizierten Wissenschaftler Freiwilligen das so genannte Stresshormon Epinephrin (Adrenalin). Damit wollten sie herausfinden, ob auf diese Weise Emotionen im Labor erzeugt werden können. Eine kleine Minderheit der Teilnehmer berichtete, echte Emotionen gefühlt zu haben (überwiegend Trauer), während die meisten von körperlichen Veränderungen berichteten (was nach einer Adrenalin-Injektion zu erwarten war) und von „Als-ob-Emotionen“: Gefühlen, die mit Glücklichsein, Traurigsein, Wütendsein assoziiert wurden, aber nicht den echten Emotionen entsprachen.(2)

Beste Freunde oder schlimmste Feinde?

Nachfolgende Untersuchungen haben gezeigt, dass Emotionen induziert werden konnten, indem die Gedanken der Teilnehmer auf emotionale Auslöser wie verstorbene Verwandte (Trauer) oder vergangene Errungenschaften (Stolz) gelenkt wurden. Um es zusammenzufassen: Untersuchungen auf diesem Gebiet veranschaulichen, dass sowohl physiologische Erregung als auch die kognitive Interpretation dieser Erregung wichtig sind für die Bestimmung der emotionalen Reaktion.
Während der Zeit, die einem wichtigen Wettkampf vorrausgeht, beginnt der Körper, sich auf die anstehenden Anforderungen vorzubereiten: Er setzt Hormone wie Epinephrin im Blut frei und bringt so die physiologischen Veränderungen in Gang, die mit zunehmender Erregung assoziiert werden (manchmal werden sie als Flucht- oder Kampfreaktion bezeichnet). Zusätzlich finden Veränderungen im Aufmerksamkeitssystem statt, Athleten werden fokussierter und aufmerksamer mit zunehmend aktivem Verstand.

Diese allgemeine Erregungssteigerung kann Ihr bester Freund oder Ihr schlimmster Feind sein: Damit Ihr geistiger Zustand in angemessenen Bahnen verbleibt, müssen Sie die Veränderungen in rationaler Weise analysieren und Ihre Emotionen in eine positive Richtung kanalisieren.

Viele Spitzensportler assoziieren die Zeit vor dem Wettkampf mit Aufregung. Sie nehmen dies zum Anlass, sich auf eine vorher geplante Routine zu konzentrieren. Diese positive Interpretation einer Erregungsreaktion führt gewöhnlich zu mehr positiven Emotionen und einer optimistischeren Sicht der Dinge. Im Gegensatz dazu interpretieren einige Athleten physiologische Veränderungen wie etwa eine gesteigerte Herzfrequenz als Ängstlichkeit, Sorge und Beklemmung, mit einer negativen Auswirkung auf ihre Emotionen. Das führt dann natürlich nicht zu einer guten Leistung.
Der wichtigste Punkt für Sie persönlich ist: Ihre Interpretation der physiologischen Veränderungen steuert Ihre emotionale Reaktion. Die Verbindung zwischen Gedanken und Emotionen wirkt jedoch in beide Richtungen: Obwohl Emotionen das Ergebnis kognitiver Interpretationen sind, können sie auch Auswirkungen auf Ihre Gedanken haben und in einem Teufelskreis negativer Gedanken und Emotionen enden.

Die gute Nachricht für Athleten, die wenig hilfreiche Emotionen vor Wettkämpfen verspüren, lautet: Wenn Sie den Fokus Ihrer Aufmerksamkeit ändern, können Sie mehr Kontrolle über die Situation erlangen. Wenn Sie das nächste Mal diese ungewollten Veränderungen spüren, versuchen Sie, die folgende psychische Routine durchzugehen:

  • Sagen Sie sich selbst: „Das ist mein Körper, der sich auf eine gute Leistung vorbereitet.“ Wiederholen Sie diese Bestätigung wenn nötig.
  • Versuchen Sie, sich an ein Bild von sich selbst zu erinnern, auf dem Sie entweder gewinnen oder eine gute Leistung vollbringen, und verbinden Sie dies mit den Gefühlen, die Sie damals verspürten.
  • Sie müssen diese Routine regelmäßig üben, um sie als eine gewohnte Reaktion zu etablieren, die Ihnen hilft, sich gelassener und energiegeladener vor einem Wettkampf zu fühlen. Tauchen dabei negative Bilder vor Ihrem inneren Auge auf? Versuchen Sie, sich den erfolgreichsten Sportler in Ihrer Sportart vorzustellen, und die Art, wie er läuft, den Wettkampf bestreitet, seine Leistung genießt – kurz: jede positive Kleinigkeit. Dann visualisieren Sie sich selbst mit den gleichen positiven Attributen.

    Auch erfahrene Sportler werden vor Wettkämpfen nervös und gereizt. Ein bisschen Spannung (solange sie kontrolliert wird) ist oft notwendig, um eine maximale Leistung hervorzurufen. Die oben beschriebenen Techniken werden nicht alle Anspannungen lösen, aber sie helfen Ihnen, Ihre Emotionen positiver zu kanalisieren. Das müssen auch Topathleten lernen. Der Unterschied zwischen Gewinnern und Verlierern lässt sich oft auf die Fähigkeit, mit Problemen fertig zu werden, herunterbrechen. Einige Athleten haben gelernt, mit Wettkampfsituationen besser fertig zu werden als andere.
    Es ist wichtig, die Überzeugung, dass Emotionen und Stimmungen bloße Reaktionen auf äußere Ereignisse sind, zu üben. Tatsächlich hat ein Athlet auf diesem Gebiet beträchtliche Kapazitäten zur Kontrolle. Eine kürzlich erschienene Studie untersuchte Strategien, die von Athleten angewendet werden, um ihre Stimmung zu regulieren. Obwohl einzigartige Strategien für spezifische Stimmungsdimensionen angewendet wurden, ergaben die Resultate, dass „Ortswechsel“ und „Musikhören“ zu den am häufigsten verwendeten Strategien zählten.

    Verschiedene Forschungen haben gezeigt, dass Musik Auswirkung auf unsere Emotionen und Stimmungen hat, indem sie das Individuum wie gewünscht entweder beruhigt oder stimuliert. Bei der Auswahl geeigneter Musik sollten Sie jedoch sorgfältig vorgehen. Musik zu hören oder die Beschäftigung mit einer mental stimulierenden Aufgabe wie einem Kreuzworträtsel kann dazu führen, den Geist in den Stunden vor einem Wettkampf zu sehr zu beruhigen, obwohl sich Athleten unmittelbar vor dem Wettkampf auf die bevorstehende Aufgabe konzentrieren sollten.
    Bei meiner Zusammenarbeit mit Sportlern, die emotionale Unruhe vor einem Wettkampf verspüren, wurde mir klar, dass die Bedürfnisse nach einer mentalen Vorbereitung sehr unterschiedlich sind.
    Der einfache Ansatz, den ich als erfolgreich betrachte, beinhaltet die Entwicklung einer Bewältigungsreaktion mit jedem einzelnen Athleten, die automatisiert wird und konsequent unter wechselnden Umständen angewendet werden kann. Solch eine Bewältigungsreaktion verleiht dem Athleten Kontrolle, indem sie eine vertraute psychische Komfortzone kreiert, die unabhängig von äußeren Vorgängen ist.

    Einer der häufigsten Auslöser für Angst ist Unsicherheit, die natürlich allen Sportveranstaltungen anhaftet. Das Schlüsselprinzip für den Athleten ist es, die Dinge zu kontrollieren, die er kontrollieren kann, und keine Energie auf Dinge zu verschwenden, die nicht kontrollierbar sind. Viele Topathleten mussten bitter erfahren, dass die Konzentration auf die Leistung ihrer Gegner oder deren technisches Können beim Aufwärmtraining eine negative Auswirkung auf ihren Fokus hatte.
    Eine Sache, die Sie kontrollieren können, ist Ihre eigene Vorbereitung. Daher sollten Sie Ihre ganze Konzentration darauf richten. Durch die Entwicklung einer konsequenten Routine und verschiedener Möglichkeiten, um mit Ablenkungen fertig zu werden, können Sie Ihre Unsicherheit reduzieren. Sie werden sehen, dass Sie dann seltener von negativen äußeren Faktoren beeinflusst werden.

    Verschiedene Athleten – verschiedene Anforderungen: Deshalb ist es unmöglich, die Wettkampfvorbereitungen zu standardisieren. Aber vielleicht können Sie einige der unten stehenden Ideen übernehmen, um Ihre eigene Vorwettkampfstrategie zu entwerfen und den von Ihnen gewünschten emotionalen Zustand zu erreichen. Diese Ideen wurden entworfen, damit Sie sie in der Stunde vor dem Wettkampf in die Praxis umsetzen können. Die Prinzipien können Sie jedoch auch für andere Zeitpunkte übernehmen.

    Körperliche Vorbereitung

    Die Aufwärmphase kann eine wichtige psychische Hilfe sein. Sie dient der Vorbereitung des Körpers auf die Anstrengungen des Wettkampfs und kann dabei helfen, Verletzungen zu vermeiden. Erinnern Sie sich an die Komfortzone? Indem Sie eine relativ stabile Aufwärmroutine entwickeln, die Beweglichkeitsübungen, Stretching und das Aufwärmen tiefer Muskelschichten beinhaltet, können Sie Ihre Unsicherheit abbauen und Ihre Aufmerksamkeit auf angemessene Indikatoren lenken, wie Qualitätstechniken und Körperbewusstsein. Die Entwicklung von Routinen im Sport führt konsequent zu einer besseren Aufmerksamkeitslenkung auf wichtige Indikatoren und es hat sich gezeigt, dass so die Leistung angekurbelt wird.
    Während großer Leichtathletik-Veranstaltungen ist es unmöglich zu sagen, was beispielsweise in den Köpfen von Sprintern vor sich geht. Man kann aber doch ganz klar die Regelmäßigkeit der Aufwärmroutine sowie die intensive Konzentration auf den Gesichtern der Athleten erkennen, bevor sie ihre Plätze einnehmen. Diese Routinen sind nicht willkürlich, sondern wurden systematisch entwickelt, um ein optimales Funktionieren in den letzten wenigen Minuten vor der Leistungserbringung zu sichern.

    Golfer haben Routineabläufe, die es ihnen gestatten, sich auf die gleiche Weise auf jeden Schlag vorzubereiten. So ist das auch bei Rugbyspielern vor dem Kick-Off und bei Tennisspielern vor dem Aufschlag. Der Schlüssel zu jeder Routine liegt in der Tatsache, dass sie dem Sportler ein Gefühl der Kontrolle vermittelt und seine Aufmerksamkeit auf wichtige Indikatoren lenkt. Trainer und Athleten sollten bei der Auswahl der Aufmerksamkeitssignale und der Reihenfolge ihres Auftretens zusammenarbeiten. Solche Routinen sind das Gegenteil abergläubischer Rituale, die dem Sportler die Kontrolle entziehen. Denn Aberglaube impliziert, der Ausgang des Wettkampfs sei von übernatürlichen Mächten bestimmt.

    Mentale Vorbereitung

    Ihren mentalen Leistungsaufbau sollten Sie darauf fokussieren, was Sie während des Sportereignisses tun werden. Das kann spezifische Strategien und das Festlegen eines optimalen Aufmerksamkeitsbrennpunktes beinhalten. Einige Athleten verwenden gerne ihre Vorstellungskraft, um sich frühere positive Erfahrungen in Erinnerung zu rufen und ein Gefühl der Zuversicht zu schaffen. Die Vorstellungskraft ist eine äußerst flexible Technik zur Anwendung vor einem Wettkampf. Sie muss jedoch korrekt angewendet werden, um einen maximalen Effekt zu erreichen.
    Die Vorstellungskraft ist nicht einfach eine Form der Visualisierung, sondern eine alle Sinne betreffende Erfahrung, die den kinästhetischen Sinn (d. h. den Bewegungssinn), die Emotionen und die Hörerfahrungen beinhalten sollte, um ihre Wirkung zu steigern. Viele Menschen verwenden ihre Vorstellungskraft einfach, um sich selbst siegen zu sehen. Sie können sie jedoch auch einsetzen, um sich eine saubere technische Ausführung vorzustellen, mit schwierigen Situationen fertigzuwerden, emotionale Gefühle abzurufen oder den bevorstehenden Wettkampf gedanklich durchzugehen. Die Vorstellungskraft ist eine effektive Technik. Denn das Gehirn interpretiert die vorgestellten Szenarien sehr bildlich und stärkt auf diese Weise psychologische Variablen wie das Selbstvertrauen.
    Halten Sie die Sitzungen, in denen Sie sich bildlich etwas vorstellen, kurz vor dem Wettkampf ab. Sie sollten einfach und nicht zu lang sein (nicht mehr als ein paar Minuten). Das Zuschneiden der mentalen Bilder auf das gewünschte Ergebnis ist essenziell. Wenn Sie Ihre Stimmung verbessern wollen, stellen Sie sich ein realistisches Szenario vor, das Sie in gute Laune versetzt.
    Mentale Vorbereitung kann den wiederholten Gebrauch positiver Selbstbestätigungen wie „Ich habe hart trainiert und bin in toller Form“ beinhalten. Diese Bestätigungen wirken, indem sie unsere Aufmerksamkeit beanspruchen und unser Überzeugungssystem über die Zeit verändern. Wir beginnen dann Gefühlen oder Ereignissen Beachtung zu schenken, die mit diesen neuen Überzeugungen übereinstimmen und sie so verstärken. Auf diese Weise können zudem negative Wahrnehmungen ausgeblendet werden.

    Das „Quick-Set-Programm“

    Der Psychologe Jeff Simons hat einen der besten Wege für die Organisation der letzten 20–30 Sekunden vor einem Wettkampf beschrieben, der als „Quick-Set-Programm“ bekannt wurde. Diese 3-phasige Routine wurde entworfen, um Athleten ein schnelles Fokussieren unmittelbar vor dem Wettkampf zu ermöglichen oder als Mittel zur schnellen Refokussierung nach einer Ablenkung. Es erfordert nur minimalen Aufwand, was vielen Sportlern zusagt, und umfasst ein physisches, ein emotionales und ein Aufmerksamkeitssignal. Ein Beispiel für einen Sprinter könnte so aussehen:

  • Schließen Sie die Augen, machen Sie den Kopf frei und atmen Sie durchgehend tief und rhythmisch durch die Nase ein und durch den Mund aus (physisches Signal).
  • Denken Sie an ein vorheriges gewonnenes Rennen, sehen Sie sich selbst als Erster über die Ziellinie laufen und rufen Sie jene Gefühle ab (emotionales Signal).
  • Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Sprintstart und denken Sie daran, beim Knall der Startpistole loszulaufen (Aufmerksamkeitssignal).
  • Wie genau Sie auch planen, auf dem Wettkampfgelände geschehen immer Dinge, die Sie nicht kontrollieren können. Solche Ereignisse besitzen das Potenzial, sich auf Ihre emotionale Verfassung auszuwirken, Sie von Ihren Zielen abzulenken und Sie aus Ihrer optimalen Bereitschaft herauszureißen. Es ist jedoch wichtig, sich daran zu erinnern, dass Dinge Sie nur dann ablenken können, wenn Sie es zulassen. Nichts muss Ihre Stimmung negativ beeinflussen, wenn Sie loszulassen und sich zu konzentrieren lernen.

    Solche Ablenkungen können von Ihren Gegnern stammen. Es kommt immer häufiger vor, dass in Wettkampfsituationen „Psychospielchen“ oder „Ausflippstrategien“ verwendet werden. Mit deren Hilfe versucht der Gegner, Ihre Konzentration und Ihre innere Festigkeit aufzubrechen. Kommentare wie „Ich bin erstaunt, dich schon so früh nach deiner Verletzung an einem Wettkampf teilnehmen zu sehen“ sind Versuche, Ihre Aufmerksamkeit von Ihren Vorbereitungen abzulenken und sie in Richtung negativer Erinnerungen und Selbstzweifel zu lenken.
    Die beste Strategie ist es, solche Kommentare zu ignorieren, obwohl dass leichter gesagt ist als getan. Wenn Sie merken, dass Sie ihnen Aufmerksamkeit schenken, ist es wichtig, sich bewusst zu werden, dass Sie Ihren optimalen Fokus verloren haben, und dass Sie sich jetzt erneut konzentrieren müssen. Als Erstes lassen Sie die Ablenkung los und verbannen sie aus Ihren Gedanken. Sagen Sie zu sich selbst „Lass los!“, schütteln Sie sich, und konzentrieren Sie sich wieder auf Ihre Atmung.
    Machen Sie sich klar, dass einige Gegner Sie absichtlich aus dem Gleichgewicht zu bringen versuchen. Und dass Sie in deren Falle tappen und ihnen die psychologische Oberhand geben, wenn Sie auf ihre Bemerkungen oder ihr Verhalten reagieren. Wenn Sie sich auf ein psychologisches Duell einlassen, laufen Sie Gefahr, Ihren emotionalen Zustand zu stören, übererregt zu werden und einen katastrophalen Leistungsabfall zu erleiden, von dem Sie sich nur schwer wieder erholen können.
    Emotional zu reagieren bedeutet häufig, dass Sie Ihre sorgfältig ausgearbeiteten Pläne verwerfen und einer Vergeltungsstrategie folgen. Selbstkontrolle gewinnen Sie am leichtesten wieder, wenn Sie nicht auf Provokationen reagieren. Das kann wiederum Ihren Gegner beunruhigen oder wütend machen. Es zeigt ihm nämlich, dass seine Versuche, Sie zu schwächen, gescheitert sind. Versuche, Sie in solche Spielchen zu verwickeln, können ein Zeichen dafür sein, dass Ihr Gegner Angst vor Ihnen hat.

    Ein klassisches Beispiel dafür, wie Emotionen Sportler beeinflussen können, lieferte der berühmte Boxwettkampf zwischen Sugar Ray Leonard und Roberto Duran aus dem Jahr 1980. Leonard wurde als der bessere Boxer eingeschätzt. Man erwartete, dass er Duran durch gewiefte Bewegungen und lange Schläge überlegen sein würde. Vor dem Kampf beleidigte Duran Leonard jedoch vor dessen Familie, und dies führte – sehr zum Missfallen von Leonards Trainer Angelo Dundee – zu einem Wutausbruch Leonards, der den gesamten Verlauf der nachfolgenden Ereignisse veränderte. Statt nach der im Voraus geplanten Strategie zu kämpfen, die er mit seinem Trainer abgesprochen hatte, ließ Leonard sich von seinen Emotionen übermannen und entschloss sich, seinen Gegner zusammenzuschlagen. Durans Handlung kam einem psychologischen Glanzstück gleich, da Leonard seine Fähigkeiten als Boxer über Bord warf und sich für eine Schlägerei entschied. Es war genau das, was Duran sich erhofft hatte, und er gewann nach Punkten.

    Es gibt noch viele andere potenzielle Ablenkungen für einen Sportler. Dazu gehören etwa Handlungen von Freunden oder Familie, vom Trainer oder Teamkollegen, Umweltbedingungen, Verzögerungen und irrelevante Gedanken. All dies kann Sie von Ihren Vorbereitungen ablenken: Seien Sie also bereit, Ihre Gedanken zu klären und sich zu konzentrieren. Zusätzlich oder alternativ dazu sollten Sie sich nach Möglichkeit physisch von der Quelle der Ablenkung entfernen. Das Erlernen jeder körperlichen Fertigkeit erfordert Zeit, Anstrengung und Übung. Psychische Fähigkeiten sind in dieser Hinsicht nicht anders, erwarten Sie also keine wundersamen Veränderungen Ihrer Leistung über Nacht. Wenn Sie ein ernsthafter Athlet sind, empfiehlt es sich, mit Ihrem Trainer zusammenzuarbeiten, um Routinen und mentale Pläne zu entwerfen. Sobald Sie mit ihnen zufrieden sind, können Sie sie zuerst in Trainingssituationen und später bei Wettkämpfen einsetzen.
    Geben Sie sich selbst einige Wochen Zeit, um diese neuen Techniken anzuwenden, bevor Sie sie erneut bewerten und Teile nach Bedarf hinzufügen oder verwerfen. Es ist unwahrscheinlich, dass Ihre ursprünglichen Routinen perfekt sind. Haben Sie also keine Angst davor, sie weiterzuentwickeln. Es ist außerdem vernünftig, Ablenkungen in Ihre Trainingsstunden einzubauen, um realistischere Bedingungen zu simulieren. Dies kann Versuche beinhalten, sich zu refokussieren, während andere versuchen, Sie gleichzeitig abzulenken. Sie können Ihre Konzentrationsfähigkeit auch durch die Verwendung Ihrer Vorstellungskraft trainieren, indem Sie potenziell störende Szenarien in Ihrem Kopf entwerfen. Nur wenn Sie sich mit Ihren Strategien wohlfühlen, sollten Sie beginnen, diese bei Wettkämpfen einzusetzen. Denken Sie daran, sich Zeit zu lassen: Verbesserungen brauchen diese, um sichtbar zu werden.

    Emotionen sind ein wichtiger Teil von Sport und Wettkampf. Können Sie keine Kontrolle über Ihre Emotionen erlangen, könnten diese Sie leiten und Ihre Leistung behindern. Es entspricht zwar den Tatsachen, dass manche Menschen emotional sensibler sind als andere. Dennoch kann die Übernahme mentaler Kontrolle durch das Implementieren psychologischer Pläne und Routinen allen Athleten zu einem optimierten Zustand ihrer Leistungsbereitschaft verhelfen.

    Lee Crust

    Quellenangaben
    1. The Sport Psychologist, 1988, Bd. 2, S. 105–130
    2. Personality and Social Psychology Bulletin, Bd. 17, S. 65–69
    3. Athletic-insight: the Online Journal of Sport Psychology, 2001, Bd. 3 (3)
    4. Orlick, Terry (2000), In Pursuit of Excellence, Human Kinetics
    5. Track and Field Quaterly, 1992, Bd. 92 (1)

     

    Teilen

    Über den Autor

    Trainingsworld

    Leave A Reply