Wie Sie Schnellkraft mit Kniebeugen steigern!

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In einer Studie Frankfurter Sportwissenschaftler wurde der Frage nachgegangen, ob die Kraft am besten entwickelt werden kann, wenn die Übung der Zielbewegung ähnelt.

Dabei wurden die Auswirkungen von verschiedenen Variationen der Kniebeuge auf die Schnellkraft und auf die dynamische (1 RM) bzw. die isometrische Maximalkraft (MVC) und auch die Explosivkraft (RFD) untersucht. Testübungen für die Schnellkraft waren der Sprung mit Auftaktbewegung (Counter Movement Jump – CMJ) und Tiefsprünge (Drop Jump – DJ). Untersucht wurden drei verschiedene Varianten der Kniebeuge1. Eine Trainingsgruppe führte tiefe Frontkniebeugen aus, eine andere tiefe Nackenkniebeugen. Die 3. Gruppe führte 1⁄4 Nackenkniebeugen aus, bei der die Kniebeuge bis zu einem Kniewinkel von 120 Grad durchgeführt wurde1. Zudem gab es auch eine Kontrollgruppe, die kein Training durchführte, sondern nur die Tests. 

Wie ändert sich die Kraftsteigerungen im Trainingsverlauf? 

Dass im Anschluss an das Training gesteigerte Kraftwerte gemessen wurden, verwundert zunächst einmal nicht sonderlich. Interessant wird es jedoch, wenn man sich die Studie im Detail ansieht. Testübungen in Bezug auf die Maximalkraft waren alle drei Trainingsvarianten der Kniebeuge. Bezogen auf die Testübung „tiefe Frontkniebeuge“ steigerten sich beide Trainingsgruppen mit der tiefen Ausführung der Kniebeuge hochsignifikant1. Bei der Trainingsgruppe, die 1⁄4 Kniebeugen ausführte, konnte kein Kraftzuwachs bei dieser Übung gemessen werden, ebenso wenig wie bei der Kontrollgruppe. Bezogen auf die tiefe Kniebeuge konnten ebenfalls beide Trainingsgruppen mit den tiefen Kniebeugen hochsignifikante Verbesserungen vollziehen1. Die 1⁄4 Kniebeugen führten zu keiner Leistungssteigerung bei den tiefen Kniebeugen. Bei der Testübung 1⁄4 Kniebeuge konnte wiederum nur bei den tiefen Trainingsgruppen hochsignifikante Steigerungen gemessen werden. Die Trainingsgruppe, die 1⁄4 Kniebeugen trainiert hatte, verbesserte sich bei den Tests in der 1⁄4 Gruppe signifikant1.

Effekt: Höher springen durch Kniebeugen! 

Sprungtests werden durchgeführt, um Schnellkraftparameter zu erfassen. Die Sprunghöhe kann dabei als Indikator für die schnelle Kraftentfaltung gesehen werden. Innerhalb der Kniebeugenstudie der Arbeitsgruppe von PD. Dr. Wirth wurden bei den Sprungtests hochsignifikante Zuwächse bei den Gruppen gemessen, die tiefe Kniebeugen als Front- oder als Nackenkniebeuge durchführten. Die Kontrollgruppe und die Gruppe die 1⁄4 Kniebeugen durchführte, zeigte keine Veränderung in den Sprunghöhen beiden verschiedenenTestsprüngen1. 

Spezifik oder Physiologie? 

Wenn es um das Interpretieren der Ergebnisse geht, muss die Frage gestellt werden, ob ein winkelspezifisches Krafttraining geeignet ist, um die Effekte eines Krafttraining bestmöglich auf die Zielleistung übertragen zu können. Gerade vor der Diskussion um „spezifisches Krafttraining“ und das „funktionelle Krafttraining“ wird propagiert die Kraft in den Bewegungen zu trainieren, die ähnlich mit der Zielbewegung sind. Demnach würden Läufer oder auch Hochspringer insbesondere in größeren Kniewinkeln trainieren müssen, um das optimale Übertragen der Leistung zu gewährleisten. Die vorgestellte Studie der Arbeitsgruppe der Johann-Wolfgang Goethe Universität impliziert jedoch, dass das Entwickeln der Kraft über den vollen Bewegungsumfang in der Kniebeuge effektiver zu sein scheint. Grund hierfür ist das optimale Entwickeln von neuronalen und koordinativen Anpassungen in der Trainingsmuskulatur. Die winkelspezifischen Anpassungen in der 1⁄4 Kniebeuge lassen eben nicht automatisch einen besseren Übertrag in die Zielbewegung zu1. Grund hierfür scheint zu sein, dass das Entwickeln der Kraft von der Auslastung der Beinmuskulatur abhängt. Andere Studien konnten zeigen, dass insbesondere die Kraftentfaltung (Rate of Force Developement) der ausschlaggebende Faktor für die Schnellkraft ist2. Das optimale Entfalten der Kraft ist von der explosiven Anspannung der Muskulatur abhängig. Der im Vergleich der Gruppen sehr hohe Kraftzuwachs der 1⁄4 KB Gruppe in Bezug auf die 1⁄4 Testübung konnte offensichtlich nicht übertragen werden1. 

Fazit 

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass das Ausführen einer tiefen Kniebeuge optimal dazu geeignet ist die Schnellkraft im Training steigern zu können. Übertragen auf andere Zielstellungen im Krafttraining kann das Ziel für das Krafttraining deshalb nur lauten, tiefe Kniebeugen zu erlernen und in das Training einzubauen. Den Grundsätzen des spezifischen Krafttrainings bzw. des „Functional Trainings“, dass eine Nähe zu den Zielbewegungen notwendig ist, um einen guten Übertrag der Kraft auf das Ziel zu haben ist falsch. In der Trainingsplanung muss die Frage nicht lauten, wie eine Bewegung im Kraftraum imitiert werden kann, sondern wie die Kraftentfaltung optimal entwickelt werden kann. Die tiefe Kniebeuge ist die Basis des Krafttrainings für die Beine. Funktionelle Übungen und das Techniktraining können sinnvolle Ergänzungen sein, die Kraft und damit auch die Schnellkraft und die Schnelligkeit lassen sich nur über das Trainieren mit hohen Lasten über den vollen Bewegungsumfang steigern.  

Literatur: 

1 Schmidtbleicher, D., Hartmann, H., Dalic, J., Klusemann, M., Matuschek, C. & Wirth, K. (2009). Vergleich unterschiedlicher Kniebeugentechniken zur Entwicklung der Schnellkraft. In: Bundesinstitut für Sportwissenschaften (Hrsg.). Jahrbuch Forschungsförderung. Köln: Sportbuch Strauß. 

2 J Strength Cond Res (2011), 25 (2), S. 379-385.

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Über den Autor

Dennis Sandig

Dennis Sandig arbeitete als Sportwissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Aktuell ist er bei der Deutschen Triathlon Union als Wissenschaftskoordinator und Referent für Bildung zuständig, sowie für das umfassende Aus- und Fortbildungsprogramm für Coaches im Triathlon.

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